1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Merkel und die CDU auf Selbstfindungskurs

Kay-Alexander Scholz Essen
7. Dezember 2016

Die Tendenz nach rechts war beim CDU-Parteitag in Essen offensichtlich. Uneinig war sich die Partei jedoch bei der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft. Angela Merkel hält den Partei-Beschluss für falsch.

https://p.dw.com/p/2Tsxz
Essen CDU ParteitagRede Merkel
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Meissner

Die CDU will die Zeichen der Zeit erkannt haben. Den Bürger erreichen, seine Sorgen wahrnehmen, das war eine der zentralen Botschaften in vielen Redebeiträgen der 1000 Delegierten. Mit mehr Herz will die Partei in den Wahlkampf für die Bundestagswahl im September 2017 ziehen. Angela Merkel hat es in ihrer Rede, die viel persönlicher als sonst war, vorgemacht.

Die zweite Botschaft lautet: Die CDU will inhaltlich klarer und schärfer werden. Das heißt: Neben Herz auch Verstand, also Lösungen zeigen und sich damit von den Populisten abgrenzen. Diese wollten nur die Probleme der Bürger für ihre Zwecke ausschlachten, sagte Präsidiumsmitglied Jens Spahn. Der CDU gehe es darum, Probleme zu lösen, die Dinge zu gestalten.

Der Leitantrag "Orientierung in schwierigen Zeiten", dem die Abgeordneten mit großer Mehrheit zugestimmt haben, spricht diese Sprache: "Vertrauen zurückgewinnen" steht gleich im Vorwort. Im Kapitel "Flüchtlinge und Integration" stehen Vorschläge, die der AfD den Boden abzugraben versuchen. Die seit Langem diskutierten Transitzentren werden als geeignetes Mittel für die Steuerung von Flüchtlingen benannt.

Die Abschiebehaft soll auf vier Wochen verlängert werden. Abgelehnte Asylbewerber sollen keine Duldung mehr bekommen, sondern nur noch eine Bescheinigung der Ausreisepficht, und weniger Geld bekommen. Die Bundesländer und Kommunen werden aufgefordert, konsequenter abzuschieben. Aus der AfD kam die prompte Reaktion in einer Pressemitteilung, die CDU habe reihenweise alte Vorschläge der AfD übernommen.

CDU Parteitag in Essen
Gegen den Doppelpassbeschluss: CDU-Generalsekretär Peter Tauber und Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Streit um den Doppelpass

Viele Delegierte wollen die CDU noch klarer nach rechts drängen. Auch das war in Essen zu erleben. Den intensivsten Applaus bekam Merkel in ihrer Rede, als sie vom Verbot der Vollverschleierung sprach. Es gibt Druck aus der Partei, die Asyl- und Flüchtlingspolitik zu verschärfen. Man wolle mehr innere Sicherheit und weniger Willkommenspolitik. Der Leitantrag musste im Vorfeld mehrmals in diese Richtung verschärft werden, um einen offenen Streit beim Parteitag zu vermeiden. Aber es galt auch, über 150 andere Anträge abzustimmen. 

Die Junge Union konnte sich mit einer Optionspflicht für Kinder von Migranten, sich für eine Staatsbürgerschaft zu entscheiden, durchsetzen. Nach einer heftigen Debatte stimmten die Delegierten des Bundesparteitags mit knapper Mehrheit für den entsprechenden Antrag. 319 waren dafür, 300 votierten dagegen - auch Parteichefin Angela Merkel und Generalsekretär Peter Tauber. Merkel sagte dazu später in den Medien, sie halte den Beschluss persönlich für falsch. Sie schloss auch aus, die Regelung in dieser Wahlperiode noch zu ändern.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder machte in seiner Rede deutlich, dass Anträge nicht direkt von der Regierung beschlossen werden könnten. Schließlich müsse auch der Koalitionspartner berücksichtigt werden. Vom derzeitigen Partner, der SPD, kam sofort ein Einspruch gegen das CDU-Votum für die Einschränkung der doppelten Staatsbürgerschaft.

CDU Parteitag in Essen
Die CDU hat abgestimmt: Die Partei will weiter nach rechts rückenBild: Getty Images/S. Gallup

Merkels Mannschaft bleibt

Personell setzt die CDU ganz auf Kontinuität. Das betrifft nicht nur Merkel, die als CDU-Vorsitzende wiedergewählt wurde, sondern auch die anderen Mitglieder des Parteivorstands. Es gibt also keine neuen Köpfe, hinter die sich Merkel-Kritiker und Verfechter eines konservativeren Profils versammeln könnte. Dass Jens Spahn, der dieses Ziel anstrebtdieses noch nicht erreicht hat, zeigt sein Wahlergebnis von 70,5 Prozent, dass nur wenig besser als vor zwei Jahren war, als er sich in einer Kampfabstimmung durchgesetzt hat.

Generell waren die Wahlergebnisse für die Präsidiumsmitglieder vergleichsweise mittelmäßig. Das war nicht der Rückenwind, den sich die Parteiführung erhofft hatte. Die Delegierten hätten sich wohl personell etwas mehr neuen Wind gewünscht.

Wahlkampf gegen die AfD und Rot-Rot-Grün

Dem Leitantrag ist anzumerken, wie verunsichert die CDU ist. Es finden sich Formulierungen darin, die wie Selbstvergewisserungen klingen: Die CDU sei die Partei für Europa und der Sicherheit. Volker Kauder betonte, die CDU sei die "Partei für den ländlichen Raum". Schließlich sei Deutschland gerade in der Provinz stark, anders als zum Beispiel in Frankreich. Populisten betonen den Konflikt zwischen ländlichen und städtischen Milieus. Die CDU will diese Kluft überbrücken. Ein Blick in die europäischen Nachbarländer zeigt, wie stark dort die klassischen Volksparteien unter Druck geraten sind. Das will die CDU verhindern. Doch ein echter Drive war in Essen nicht zu spüren. Die neuen Vorschläge hielten sich in Grenzen. Einzig der Vorschlag eines Dachgesetzes für Einwanderung, Migration und Asyl könnte ein großer Wurf werden. Das könne aber erst, wie CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte, in den kommenden Jahren oder sogar Legislaturperioden umgesetzt werden.

CDU Parteitag in Essen
Volker Kauder, Unions-Fraktionschef im Bundestag sprach auch auf dem ParteitagBild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Die CDU hat in Essen den Wahlkampf eingeleitet. Ein Wahlprogramm aber ist noch lange nicht fertig. Der Leitantrag will nur Grundsätze formulieren, so steht es im Vorwort. Erst im Frühjahr, nach weiteren Diskussionen in der Partei und mit der bayerischen Schwesterpartei CSU sollen konkrete Vorschläge erarbeitet werden. Erkennbar aber ist schon jetzt: Die CDU will einen harten Lagerwahlkampf führen. Als ein Horrorszenario wurde eine Koalition von SPD, Grünen und Linkspartei, kurz: Rot-Rot-Grün, ausgemalt. Die Angriffe auf einzelne mögliche Koalitionspartner -  SPD, Grüne und FDP - aber hielten sich in Grenzen. Die CDU will offen für mehrere Koalitionsoptionen bleiben.