Merkels Umweltagenda für G7
5. Juni 2015Vor dem G7-Gipfel am Wochenende auf dem beschaulichen Schloss Elmau in Bayern haben Umweltorganisationen Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, ihrem Anspruch, die Klima-Kanzlerin zu sein, gerecht zu werden und die Gespräche auf Umweltfragen zu lenken.
"Der G7-Gipfel ist eine einzigartige Gelegenheit, die Klimaverhandlungen voranzutreiben, um sie im Dezember in Paris abzuschließen", sagt Tobias Münchmeyer von der Umweltschutzorganisation Greenpeace mit Blick auf die UN-Klimakonferenz im Dezember in der französischen Hauptstadt. "Allerdings befindet sich auch Deutschland an dem Punkt, an dem sich entscheidet, ob es seine nationalen Klimaziele erreicht oder verfehlt."
In einem Zeitungs-Kommentar, den diverse Tageszeitungen rund um die Welt am Mittwoch vor dem Gipfel veröffentlichten, nannte Merkel Klimawandel und nachhaltige Entwicklung die beiden zentralen Themen der anstehenden Gespräche: "Die G7 sollten bei dem notwendigen Übergang zu einem kohlenstoffarmen Wirtschaften Vorreiter sein", schrieb die Bundeskanzlerin.
Die Regierungschefs der G7, deren Länder zu den wirtschaftsstärksten der Erde gehören, stehen unter einem gewissen Druck. Von ihnen wird erwarten, dass sie wichtige Schritte hin zu internationalen Vereinbarungen unternehmen, um die globale Klimaerwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken.
Klimafinanzierung und CO2-Reduzierung
"Merkels Hauptproblem bei den Umweltfragen wird es sein, den G7-Ländern starke, langfristige Zusagen zur CO2-Reduzierung und zur besseren Klimafinanzierungen abzuringen", sagt Christian Hey, Generalsekretär des deutschen Sachverständigenrats für Umweltfragen. Laut Greenpeace verbrauchen die G7-Staaten 30 Prozent der weltweit genutzten Kohleenergie und tragen damit maßgeblich zur globalen Emissionen von Treibhausgasen bei.
Im Mai hatte Merkel auf dem Petersberger Klimadialog in Berlin ankündigt, Deutschland werde seinen finanziellen Beitrag zum Klimaschutz auf vier Milliarden Euro pro Jahr erhöhen. Die weltweiten Zusagen belaufen sich derzeit auf 30 Milliarden US-Dollar (rund 26,5 Mrd. Euro) pro Jahr, liegen also immer noch weit hinter den 2009 auf der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen vereinbarten 100 Milliarden US-Dollar (rund 88 Mrd. Euro). Das Geld soll dazu aufgewendet werden, den Ausstoß von Klima verändernden Gasen zu verhindern.
Richtungsweisende Gespräche in Elmau
Umweltverbände hoffen, dass sich diese Lücke in Elmau verkleinert. "Der G7-Gipfel gibt die Richtung für Paris vor, aber es geht auch um konkrete Entscheidungen - zum Beispiel zu langfristigen Zielen für die CO2-Reduzierung", sagt Sabine Minninger von der deutschen Hilfsorganisation "Brot für die Welt". "Wenn sie vorangehen, indem sie sich verpflichten, bis 2050 ganz auf die Nutzung fossiler Brennstoffe zu verzichten, wäre das ein riesiger Schritt vorwärts und ein sehr wichtiges Signal für Paris."
Doch Minninger rechnet damit nicht. Wahrscheinlicher seien Erfolge bei der Klimafinanzierung: "Für reiche Länder ist es einfacher, Geld auf den Tisch zu legen, als sich zur CO2-Reduzierung und damit zu einer Umordnung ihrer Wirtschaft zu verpflichten."
Wenige Tage vor dem Gipfel sagte Merkel der Süddeutschen Zeitung, Deutschland und Frankreich wollten sich bemühen, den G7-Ländern auf dem Gipfel in Elmau möglichst viele Zusagen abzuringen; doch bisher herrsche keine Einigkeit.
Der größte Widerstand dürfte von Japan und Kanada kommen: Der Inselstaat hinkt den Klimazielen weit hinterher, das nordamerikanische Land gehört zu den Hauptproduzenten fossiler Brennstoffe.
Deutschlands Kohleproblem
Deutschlands nationale Klimaziele gehören zu den ambitioniertesten der Welt: Schon jetzt wird mehr als ein Viertel des in Deutschland produzierten Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen, allerdings fast genauso viel aus der Braunkohle. Die Abhängigkeit von der CO2-intensiven Braunkohle-Verstromung könnte Merkels Verhandlungsposition auf dem G7-Treffen schwächen, fürchten Beobachter.
"Deutschland hat ein ernsthaftes Kohleproblem", sagt Greenpeace-Vertreter Münchmeyer gegenüber der DW. "Wenn weiterhin nichts unternommen wird, kann es sein Ziel nicht erreichen, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren."
Diverse Vorschläge liegen auf dem Tisch, wie man die Kohlenutzung in Deutschland senken könnte. Eine davon ist eine Abgabe auf Kohlekraftwerke. In den letzten Monaten sind in Deutschland Menschen auf die Straße gegangen, um dafür, aber auch um dagegen zu demonstrieren. Die einen fordern eine rasche Senkung der Kohleverstromung zugunsten des Klimas. Die anderen befürchten Gewinneinbrüche und den Verlust von Arbeitsplätzen in ohnehin angeschlagenen Stromkonzernen. Im Vorfeld der Gespräche in Elmau organisierte Greenpeace Proteste in 60 deutschen Städten, auf denen Merkel zum Kohleausstieg aufgefordert wurde.
Kohleabhängigkeit schwächt Merkels Position
"Sicher herrscht ein gewisser Widerspruch zwischen dem ambitionierten Langzeitziel, das Deutschland bei den G7 vertritt, und der drängenden Diskussion über die Zukunft der Kohle in Deutschland", sagt der Umweltsachverständige Hey. "Einstweilen hat Merkel das Thema ihren Ministern für Wirtschaft und Energie sowie den konkurrierenden Lobby-Gruppen überlassen."
Greenpeace-Lobbyist Münchmeyer sagt, das könne sich in den nächsten Tagen ändern, wenn Merkel ihr politisches Gewicht einsetzt, um die Kohle-Nutzung in Deutschland zu reduzieren. Ansonsten könnten die Gespräche scheitern, sagt Münchmeyer: "Wenn Merkel das Kohle-Problem zuhause nicht löst, hat das nicht nur schwere Konsequenzen für Deutschlands Klimadebatte, sondern auch für internationale Diskussionen. Ihre Position ist nicht glaubhaft, wenn sie ihre Hausaufgaben nicht vor dem Gipfel erledigt."
Handel mit Kohlenstoff-Zertifikaten
Eine Möglichkeit, den Kohlenstoff-Ausstoß zu reduzieren, ist der globale Handel mit entsprechenden Zertifikaten. Anfang der Woche richteten sechs europäische Energiekonzerne einen Brief an die Generalsekretärin für die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen Christiana Figueres, in dem sie einen globalen Zertifikate-Handel nach europäischem Modell anregen.
Experten jedoch sagen, dass die Erfahrung mit dem europäischen System keine Hoffnung auf eine effektive CO2-Reduzierung auf globaler Ebene mache. Die Zertifikate seien nicht teuer genug, um die Verbrennung fossiler Brennstoffe in gewünschtem Maße zu reduzieren.
"Es ist ein wichtiger Bestandteil", sagte Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW in Berlin der DW. "Aber es ist schon nicht einfach, eine Lösung für den Kohlenstoff-Preis auf deutscher und europäischer Ebene zu finden. Daher dürfte es auf globaler Ebene so gut wie unmöglich sein, wenn wir es realistisch betrachten."
Nachhaltige Resourcennutzung und Meeresschutz
Neben dem Klimawandel stehen noch andere Umweltthemen auf der Elmau-Agenda. Nationale Wissenschaftsverbände der G7-Länder haben ihre Staats- und Regierungschefs aufgefordert, sich auch um Meeresverschmutzung, niedrige Fischbestände und schwindende Biodiversität der Meere zu kümmern.
Münchmeyer sagt, Greenpeace sei guter Dinge, dass die G7 beim Thema maritime Biodiversität in die richtige Richtung steuerten, denn schon im April hatten ihre Außenminister gefordert, Meeresschutzzonen einzurichten.
Auch die nachhaltige Rohstoffnutzung dürfte in Elmau Priorität haben. All diese Umweltthemen, sagt Umweltsachverständiger Hey, dürften nicht mit den Diskussionen um Wachstum und Handel konkurrieren, sondern sollten vielmehr mit ihnen einhergehen: "Langfristiges Wachstum ohne Klimawandel zu diskutieren, ist eine Illusion", sagte Hey der DW, "Das Gleiche gilt für die Rohstoff-Frage. Man kann kein langfristiges Wachstum sichern, ohne die zunehmende Rohstoff-Knappheit einzubeziehen, die sich über wachende Rohstoffpreise auch auf die Wirtschaft auswirkt."