1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mexiko als Profiteur des Handelsstreits USA-China

Andreas Knobloch
8. August 2023

Mexiko wird in weiten Teilen von Gewalt und Drogenkrieg beherrscht, dennoch investieren multinationale Konzerne so stark wie nie in dem Land. Aber es ist nicht alles Gold, was glänzt.

https://p.dw.com/p/4UtMt
Produktion von Autos im Werk des japanischen Herstellers Mazda in Salamanca (Mexiko)
Produktion von Autos im Werk des japanischen Herstellers Mazda in Salamanca (Mexiko) Bild: Caludio Cruz/AFP/Getty Images

Mitte Juli reiste eine Wirtschaftsdelegation unter Leitung des deutschen Botschafters in Mexiko, Wolfgang Dold, in den nordmexikanischen Bundesstaat Sonora. Sonora grenzt an Arizona; von der Hauptstadt Hermosillo sind es vier Stunden Fahrt bis zur Grenze. Mit dabei mehrere deutsche Firmen, darunter Siemens Energy, Linde, RWE und Daimler Trucks.

"Eingeladen hatte das Wirtschaftsministerium von Sonora, um uns den Plan Sonora zu präsentieren", sagt Edwin Schuh, Direktor für Mexiko und Karibik bei Germany Trade & Invest (GTAI), der vom Bundeswirtschaftsministerium finanzierten deutschen Außenwirtschaftsagentur. Der Plan Sonora für nachhaltige Energien ist ein ambitioniertes Infrastrukturprojekt der Zentralregierung, das den Bau von Solarparks und den Lithiumabbau fördern soll. In Sonora lagern die größten Lithium-Vorkommen des Landes. Sie wurden im vergangenen Jahr verstaatlicht. "Mittelfristig plant die Regierung, Batterien für Elektroautos in Sonora herzustellen", sagt Schuh. Das könne für deutsche Autofirmen durchaus interessant sein.

Mexikos Präsident Lopez Obrador, hier bei der Ankündigung für Teslas Werk in Mexiko (Februar 2023)
Mexikos Präsident Lopez Obrador, hier bei der Ankündigung für Teslas Werk in Mexiko (Februar 2023) Bild: Marco Ugarte/dpa/AP/picture alliance

Der US-Autobauer Ford betreibt bereits ein riesiges Werk in Hermosillo und auch einige deutsche Automobilzulieferer sind vor Ort. Geht es nach den Behörden, sollen es mehr werden. Es wurde eigens eine Behörde eingerichtet, die sich um die Ansiedlung von Firmen kümmern soll: die Ventanilla de Nearshoring.

Wenn zwei sich streiten…

Nearshoring ist das neue Zauberwort Mexiko. Statt die Waren in Containern um die halbe Welt zu schiffen, versuchen viele Unternehmen heute, die Produktion in die Nähe der wichtigsten Absatzmärkte zu verlegen. Dabei kommen verschiedene Faktoren zusammen. Die Corona-Pandemie hat die Anfälligkeit der Lieferketten gezeigt; Lockdowns und daraus resultierende Produktions- und Lieferausfälle sowie drastisch gestiegene Transportkosten haben viele Unternehmen vor enorme Probleme gestellt. Zudem hat sich der Handelsstreit zwischen den USA und China in den letzten Jahren verschärft. Hinzu kommen steigende Lohnkosten in China.

Davon profitiere wegen seiner Nähe zu den USA vor allem Mexiko, sagt Schuh. Die britische Zeitschrift MoneyWeek schrieb in der vergangenen Woche von "Mexikos Moment". Die Überschrift der Titelgeschichte: Investors should join the fiesta in Mexico - Investoren sollten an der Fiesta in Mexiko teilnehmen. Dass sie das tun, zeigen die Zahlen. Rund 18,6 Milliarden US-Dollar an ausländischen Direktinvestitionen flossen im ersten Quartal 2023 nach Mexiko - ein Zuwachs von fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Und die Washington Post meldete gerade erst, dass die USA immer weniger Waren aus China importieren und Mexiko jetzt der wichtigste US-Handelspartner ist.

Begünstigt wird dieser Trend durch das auf Betreiben des damaligen US-Präsidenten Donald Trump neu ausgehandelte und im Sommer 2020 in Kraft getretene Freihandelsabkommen United States-Mexico-Canada Agreement, kurz USMCA.

Viele Unternehmen verlagern die Produktion

"Das Besondere ist, dass die Firmen hier in Mexiko produzieren", sagt Schuh. Viele siedeln sich in Zentralmexiko oder in den grenznahen Regionen im Norden, wie dem Bundesstaat Nuevo León an, der aufgrund seiner Nähe zu Texas und wegen der verfügbaren Infrastruktur als gute Option gilt.

Im März kündigte der US-Elektroautobauer Tesla den Bau eines neues Montagewerks in Nuevo León an und will dafür in den kommenden Jahren rund fünf Milliarden US-Dollar ausgeben. Der US-Software-Konzern Microsoft wiederum investiert Hunderte Millionen US-Dollar in ein Rechenzentrum im zentralmexikanischen Querétaro.

Santa Catarina in der Nähe von Monterrey (im Bild) ist möglicher Standort der geplanten Tesla-Fabrik
Santa Catarina in der Nähe von Monterrey (im Bild) ist möglicher Standort der geplanten Tesla-FabrikBild: Daniel Becerril/REUTERS

"Es kommen aber auch viele chinesische Firmen, die dann hier in Mexiko für den US-Markt produzieren", sagt Schuh. Er nennt als Beispiel den Elektronikkonzern Hisense, der derzeit eine zweite Fabrik in Mexiko baut. Aber auch Firmen aus Japan, Südkorea oder Taiwan siedeln nach Mexiko, "um zum einen näher an den Absatzmarkt USA heranzukommen", erzählt Schuh. "Zum anderen aber auch wegen des Konflikts zwischen China und Taiwan. Die Unternehmen wollen das Risiko minimieren, falls sich der Konflikt zuspitzt."

Mittlerweile hätten die Firmen Probleme, freie Industrieflächen zu bekommen, wo Strom- und Wasseranschlüsse vorhanden sind, sagt er. "Im Norden Mexikos sind die Flächen in den Industrieparks zu über 95 Prozent voll. Die Regierung plant, einen neuen Industriepark in Sonora zu bauen."

Deutsche Automobilbauer stark in Mexiko

Aus Deutschland siedeln sich vor allem Automobilfirmen und Zulieferer in Mexiko an. Durch das Freihandelsabkommen NAFTA wurde Mexiko zu einem der weltweit wichtigsten Standorte der Automobilindustrie. Ein bedeutender Teil der US-Autoproduktion ist nach Mexiko ausgelagert; auch für deutsche Autobauer wie VW, Audi, BMW oder Daimler ist Mexiko zu einem wichtigen Produktionsstandort geworden. Seit USMCA - dem NAFTA-Nachfolgeabkommen -  gibt es zudem höhere Auflagen für die Autobauer für die Wertschöpfung in Nordamerika selbst, d.h. den Pflichtanteil der in der Region hergestellten Teile, was zum Ausbau der Produktion beiträgt. "Die meisten Unternehmen sind schon hier, aber bauen ihre Produktion in Mexiko eben noch aus", sagt Schuh. Zudem gebe es einen "Trend zum Umstieg auf Elektromobilität".

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Mexiko (September 2022)
Auch Wirtschaft auf der Tagesordnung: Bundespräsident Steinmeier führte im September 2022 Gespräche in Mexiko Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Anfang Februar erst kündigte der deutsche Autokonzern BMW eine Investition von mehr als 800 Millionen US-Dollar in Mexiko an, um sein Werk in San Luis Potosí in sein globales Netzwerk für Elektromobilität zu integrieren. Auch Audi kündigte ein Projekt zur Produktion von Elektrofahrzeugen in Mexiko an; Volkswagen wiederum investiert mehr als 700 Millionen US-Dollar, u.a. in den Bau einer neuen Lackieranlage am Standort Puebla. Auch die mit 25.000 Angestellten größte deutsche Firma in Mexiko, der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen, investiert kräftig.

"Sicherheitslage ein Problem" 

Doch es gibt auch Probleme: In Mexiko herrscht seit Jahren ein brutaler Drogenkrieg; ganze Landstriche werden von Drogenbanden kontrolliert. "Die Sicherheitslage ist ein Problem", sagt Schuh. Es gebe Bundesstaaten im Norden, wie Tamaulipas, "die schon ein bisschen No-Go-Area sind", wegen der Drogenkartelle dort. So verlagert ein deutscher Automobilzulieferer gerade seine Fabrik von Tamaulipas in den benachbarten Bundesstaat Nuevo León, denn in Tamaulipas könnten sich die Manager nur in Begleitung schwerbewaffneter Sicherheitsleute bewegen. In Tijuana wiederum gibt es laut Schuh deutsche Firmen, deren Führungspersonal zum Teil in San Diego wohnt und jeden Tag über die Grenze zur Arbeit fährt, "wegen Erpressungs- oder Entführungsversuchen".

Ein anderes Thema sind die Arbeitskräfte, so der GTAI-Direktor. Es sei schwierig, qualifiziertes Personal zu finden. Die Firmen hätten oft selbst Ausbildungsprogramme oder mit der CAMEXA, der Deutsch-Mexikanischen Industrie- und Handelskammer, zusammen. "Mitarbeiter aber sind knapp. Nicht selten werben die Firmen sich auch gegenseitig Leute ab, wenn die mit der Ausbildung fertig sind", erzählt Schuh.

Das Werk des Autobauers Audi in San Jose Chiapa
Das Werk des Autobauers Audi in San Jose ChiapaBild: Mao Carrera/Audi

Mangel an Wasser und erneuerbaren Energien

Gerade im Norden hat Mexiko zudem große Probleme mit Dürre und akutem Wassermangel, der sogar eine Rationierung des Wasserverbrauchs und Einschränkungen für wasserintensive Industrien nötig machte. So wäre das Tesla-Werk in Nuevo León beinahe am Veto des Präsidenten gescheitert. Einem Getränkehersteller annullierte die Regierung López Obrador die von früheren Regierungen erteilte Genehmigung für eine neue Brauerei im nordmexikanischen Mexicali wegen Wasserknappheit.

Darüber hinaus gibt es Probleme mit der Stromversorgung, vor allem bei der Bereitstellung von Strom aus erneuerbaren Energien hake es, sagt Schuh. Das sei deshalb ein Problem, "weil die deutschen Firmen sich vom Mutterhaus in Deutschland zu Energiezielen verpflichten, also dass sie bis 2030 einen bestimmten Prozentsatz weltweit aus erneuerbaren Energien beziehen wollen. Wenn sie das in Mexiko nicht erfüllen können, ist das eben ein Problem für das Unternehmen weltweit." In Mexiko müssten die Firmen den Strom von CFE, dem staatlichen Stromversorger, abnehmen. Und CFE hat hauptsächlich Gas- und Kohlekraftwerke. Präsident López Obrador setzt statt Energiewende lieber auf die fossile Brennstoffe.

Beim Besuch in Sonora war das kein Thema, sagt Schuh, aber generell sei es das schon. „ Denn es macht wenig Sinn, Elektroautos mit Strom aus Kohlekraftwerken. Zum Teil hätten die Unternehmen Probleme, Genehmigungen zu bekommen, auf dem Fabrikgelände mehr Solarpanels aufzustellen. "Die Firmen kommen aber trotzdem", sagt Schuh. "weil Mexiko eben trotz allem sehr viele Vorteile bietet."