Kunst gegen Anti-Homosexuellen-Gesetz
23. August 2013In seinem Theaterstück "Der Stein" verwebt Marius von Mayenburg 60 Jahre deutscher Geschichte zu einem spannenden Krimi, beleuchtet die Zeit des Nationalsozialismus bis hin zu Gründung und Zerfall der DDR. "Der Stein" des deutschen Theaterregisseurs wird im September 2013 am Moskauer Theater der Nationen aufgeführt, im Rahmen des internationalen Festivals "Territorija". Das Festival soll zeigen, wie es in Russland um die Freiheit der Kunst steht. Es wird von der russischen Präsidialverwaltung unterstützt, nicht zuletzt, um Offenheit zu demonstrieren. Doch Theaterregisseur Marius von Mayenburg sagte nun seinen Besuch in Moskau zur Erstaufführung seines Stückes ab. "Ich will ehrlich sein: Der Hauptgrund ist das sogenannte Gesetz gegen Homosexuellen-Propaganda. Ich arbeite regelmäßig mit vielen homosexuellen Künstlern, mit denen ich befreundet bin und denen ich mich verbunden und verpflichtet fühle", heißt es in seinem Brief an das Festivalteam. Gleichzeitig habe er keine Ambitionen "sich in Russland als Aktivist aufzuspielen", begründet er seine Absage.
Museum für gleichgeschlechtliche Liebe
Neben den Sportlern der Leichtathletik-WM in Moskau möchten auch internationale Künstler auf die Homophobie in Russland aufmerksam machen. Auch in Deutschland setzt sich die Kunstszene für die Rechte Homosexueller ein. "Kunst leistet allgemein einen wichtigen Beitrag: Museen, Galerien, Theater oder Kino können die Menschen für das Thema sensibilisieren", sagt Dr. Birgit Bosold, Vorstand des Schwulen Museums in Berlin.
Das Schwule Museum pflegt seit Jahren den Kontakt zu homosexuellen Aktivisten und Aktivistinnen in anderen Ländern, darunter auch Russland. Unter anderem steht das Museum mit der Aktivistinnengruppe "Quarteera – queer auf russisch" in Kontakt. Gemeinsam beraten sie, wie sie mittels Kunst und Kultur ein Zeichen gegen die Homosexuellenfeindlichkeit in Russland setzen können. Zum Beispiel präsentierten sie in einer Ausstellung den 1989/1990 entstandenen Dokumentarffilm "Isgoi" (Die Ausgestoßene) in Zusammenarbeit mit Julia Dorf und Natalja Scharandak über die Situation Homosexueller in der Sowjetunion. Künstler können die Öffentlichkeit in einer anderen Weise erreichen, meint Bosold. "Das Thema wird über die Medien verbreitet und berührt die Herzen der Menschen. Wenn wir in Deutschland eine Ausstellung zeigen, die Schwule und Lesben aus diesen Ländern betrifft, dann ist das auch ein Zeichen der Solidarität."
Das Anti-Homosexuellen-Gesetz
Das Gesetz sorgt seit der Einführung in Russland international für Proteste. Das landesweite Gesetz, das öffentliche Äußerungen über 'nicht-traditionelle sexuelle Orientierungen' bestraft, wurde 2013 vom russischen Parlament verabschiedet. Im Gesetzestext heißt es, wer gleichgeschlechtliche Liebe attraktiv erscheinen lasse sowie russischen Kindern und Jugendlichen vermittele, solle bestraft werden. Seit Einführung des Gesetzes versuchen Verbände, aber auch bekannte Prominente, Sportler oder Künstler auf die Situation in Russland aufmerksam zu machen.
Die Reaktion von Theaterregisseur Marius von Mayenburg erregte in den deutschen Medien Aufsehen. Der Boykott sei zwar eine Strategie, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Doch das sei nicht immer sinnvoll, sagt Markus Ullrich, Pressesprecher vom Lesben- und Schwulen-Verband in Deutschland (LSVD): "Grundsätzlich sollte das Thema lieber offen verhandelt werden, anstatt den Dialog abzubrechen. Russische Aktivisten vor Ort sehen keinen Sinn in einem Boykott."
Dialog statt Boykott
Der LSVD arbeitet eng mit russischen Homosexuellenverbänden zusammen. In Deutschland gibt es über 90 Städtepartnerschaften zwischen Russland und Deutschland, der LSVD nutzt sie, um die Homophobie in Russland zu bekämpfen. Absagen wie die von Marius von Mayenburg sieht Ullrich eher kritisch. Künstler sollten jetzt erst Recht in Russland Präsenz zeigen und ihre Meinung kundtun: "Sie haben als internationale Gäste einen anderen Stand, können das Land jederzeit verlassen, ohne dafür belangt zu werden."
Schwulen- und Lesbenbewegung in Deutschland
In Deutschland können homosexuelle Paare seit 2001 eine Lebenspartnerschaft eingehen und werden gesetzlich vor Diskriminierung geschützt. Gerade die Künstler in Deutschland sind Wegbereiter der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung in der Bundesrepublik Deutschland gewesen. Einer der prominentesten Vertreter ist der Filmregisseur Rosa von Praunheim.
Birgit Bosold vom Schwulen Museum hält jede Reaktion der Künstler für einen wichtigen Beitrag im Kampf für die Gleichberechtigung von Bi, Trans- und Homosexuellen. Auch, wenn eine Kunstaktion nur in Deutschland stattfinde, könne diese einen Effekt haben: "Über das Internet und die Sozialen Netzwerke werden unsere Informationen schnell verbeitet und erreichen die jeweilige Region. Es ist wichtig, dass andere Länder sehen, dass wir an dieser Stelle an sie denken und das Thema bei uns präsent ist."