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Die Hauptstadt der Kinder

Karin Jäger9. Februar 2014

Ein Netzwerk von Stadt, Kirchen, Schulen und Vereinen unterstützt in Monheim Kinder aus sozialen Brennpunkten und deren Familien. Das Ziel: Alle sollen die gleichen Zukunfts- und Bildungschancen haben.

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Kinder Symbolbild Multikulti
Bild: picture-alliance/chromorange

"Mo.Ki" steht in großen Buchstaben auf den bodentiefen Fensterscheiben des Gebäudes. Mo.Ki steht für Monheim für Kinder. Hinter den Scheiben sieht es aus wie in einer großen Wohnküche. Kinderwagen stehen kreuz und quer, Säuglinge krabbeln durch den Raum, während ihre Mütter sich am Büffet bedienen und an Tischen frühstücken. Viele tragen Kopftuch. Gülendam Yilmaz begrüßt jede angekommene Besucherin mit ein paar persönlichen Worten.

Projekt Mo.Ki Monheim für Kinder
Leitet das Mo.Ki-Café: Gülendam YilmazBild: DW/K. Jäger

Die Leiterin und Übersetzerin des Mo.Ki-Cafés ist ebenfalls Muslimin. "Die Frauen sollen hier nicht nur Kaffee trinken, sie sollen etwas für ihr Leben mitnehmen", sagt sie. Die gebürtige Türkin weiß um die Probleme der Migrantinnen. Sie weiß, dass es sie Überwindung kostet, sich aus der sicheren Wohnung hinaus zu bewegen, sich mitzuteilen, um Hilfe zu bitten. Deshalb gab Gülendam Yilmaz ihren Job als Steuerfachgehilfin auf, um sich hier im Café in Teilzeit unbürokratisch und unkonventionell um die Belange der Frauen zu kümmern. Sie animiert die Frauen immer wieder, Deutsch zu lernen. Sie reicht Kindern und Müttern, die glauben, es sich nicht leisten zu können, frisches Obst und Gemüse: "Wenn die Eltern sehen, dass ihre Kleinen das mögen, dann achten sie auch zu Hause auf gesunde Ernährung", sagt Gülendam Yilmaz mit einem Augenzwinkern.

Toleranz und gelebte Integration

Farida Charif ist eine der Musliminnen, die regelmäßig herkommen. Die Mutter von drei Kindern genießt es, zwangslos zu reden: "Mit unseren Kopftüchern fallen wir auf, aber hier treffen sich auch viele Polinnen, Russlanddeutsche und Deutsche". Farida Charif war neun Jahre alt und sprach nur Arabisch, als sie ihrem Vater aus Marokko nach Deutschland folgte. Ihr Ziel war es von Anfang an, selbstständig zu leben. "Es war ein schwieriger und doch ein schöner Weg", sagt sie rückblickend in sehr gutem Deutsch. Gerade sucht sie einen Betreuungsplatz für ihr jüngstes Kind. Ein anderes Mal wollte sie einen Antrag auf Nachhilfe stellen oder wissen, wie man staatliches Kindergeld beantragt. Eines ihrer Kinder besucht die Monheimer Modell-Musikschule Mo.Mo, erzählt sie stolz. Dort erhalten schon Erstklässler Unterricht in Gesang und Instrumenten - kostenlos.

Projekt Mo.Ki Monheim für Kinder
Farida Charif (li.) und Sozialarbeiterin Corinna Hartmann beim gemeinsamen FrühstückBild: DW/K. Jäger

Ziel: Die Hauptstadt der Kinder werden

Das Mo.Ki-Projekt startete 2002. Damals hieß es "Vorbeugende Maßnahmen zur Armutsprävention". Daraus entstand eine kommunale Gesamteinrichtung - getragen von der Arbeiterwohlfahrt (AWO), den Kirchen und dem Jugendamt der Stadt Monheim, erklärt Projektleiterin Inge Nowak: "Wir unterscheiden uns von anderen Kommunen, weil wir für jede Altersstufe Konzepte haben, die ineinander übergreifen. Das ist unsere Stärke. Wir fragen Eltern gezielt nach ihren Bedürfnissen, um ihrem Kind ein Wachstum in Wohlergehen zu ermöglichen."

Projekt Mo.Ki Monheim für Kinder Inge Nowak
Mo.Ki-Projektleiterin Inge NowakBild: DW/K. Jäger

Die soziale Fürsorge sei politischer Wille und werde entsprechend unterstützt. Monheim will selbst ernannte "Hauptstadt für Kinder" werden. Jedes Kind soll eine optimale Förderung bekommen und so gute Zukunftschancen haben. "Unser Ziel ist es, unsicheren Familien Möglichkeiten zu bieten, um in ihrem Lebensumfeld sicher zu werden, damit sie nicht in Krisen geraten. Weil Krisen sich immer auf die Kinder auswirken. Und die Kleinen sollen doch die besten Chancen haben", erklärt Inge Nowak.

Zu der "Mo.Ki-Präventionskette" gehören Begrüßungsbesuche bei Eltern zur Geburt, Begegnungsstätten wie Elterncafés an Schulen, der U-21-Treff für junge Mütter, Kurse über gesunde Ernährung, für Sport und Kultur. In einem Modellversuch wird "Soziale Kompetenz" als Unterrichtsfach in einer Schule angeboten.

Animation zum Deutschlernen

Die Mütter und Kinder nehmen die Angebote der Stadt gerne an. Gäbe es das Mo.Ki-Café nicht, müssten sie sich zu Hause treffen, aber niemals so spontan. Die Wohnungen seien so klein, sagt eine Mutter: "Wir leben hier Integration. Vorurteile werden abgebaut, denn wenn die Deutschen erst einmal merken, wie gut wir Deutsch sprechen, haben sie auch keine Vorurteile mehr."

Wer die Sprache nicht so gut beherrscht, wird von Anderen ermutigt, einen Deutschkurs zu besuchen. So wie Tugba Adigüzel. Vor zehn Jahren kam sie zum Heiraten nach Deutschland. Sie kannte nur ihren Mann und die Schwiegereltern, fühlte sich unglücklich, bis jemand sie mitnahm ins Mo.Ki-Café. Dort suchte man gerade Übungsleiterinnen für Trampolinkurse: "Ich habe in der Türkei Volleyball gespielt, auf Sport hatte ich Lust. Aber ich konnte kaum Deutsch sprechen."

Ermutigt von der Aussicht, Trampolin-Kurse in Kindergärten und Schulen zu geben, begann sie, die neue Sprache zu lernen. "Ich bin einen riesigen Schritt gegangen und bin nun endlich angekommen", sagt sie selbstbewusst - und fügt hinzu: "Ich liebe Deutschland."

Projekt Mo.Ki Monheim für Kinder Tugba Adigüzel
Wagt große Sprünge in Deutschland: Tugba AdigüzelBild: DW/K. Jäger

Netzwerk für Kinder und Eltern

In einem Nebenraum des Cafés laufen die Fäden der Mo.Ki-Fachleute zusammen. Hier teilen sich Café-Leiterin Gülendam Yilmaz, die städtische Hebamme und die Bildungsberaterin ein Büro. "Viele Eltern sind unsicher, haben Fragen zum Wickeln, Füttern, bei Krankheiten oder bei der Erziehung. Ich kann sie beraten, helfen, ihnen Sicherheit im Umgang mit Neugeborenen geben", sagt Sandra Pantuschky.

Ihre Kollegin Miriam Heckmann hilft Eltern bei der Suche nach einer Krabbelgruppe, Musikunterricht oder Sprachkursen oder sie macht Eltern Angebote, gemeinsam etwas mit ihren Kindern zu unternehmen. Seit vor Jahren ein Kind im Rhein ertrank, führt Mo.Ki Schwimmkurse durch. Um muslimischen Müttern die Scheu zu nehmen, bieten die Mo.Ki-Mitarbeiter Führungen ins städtische Schwimmbad an. So können sich die Frauen langsam in unbekanntes Terrain wagen.

Kein Kind wird allein gelassen

Corinna Hartmann arbeitet für Mo.Ki als Sozialarbeiterin an einer Grundschule. Sie habe grundsätzlich eine wohlwollende Haltung gegenüber Eltern, Kindern und Lehrern, sagt Corinna Hartmann: "Viele brauchen Unterstützung, wenn sie Probleme haben oder sich in einer Lebenskrise befinden. Wenn Eltern mal die Hand ausrutscht oder Kinder sich prügeln, dann frage ich: ‘Was brauchst Du, damit das nicht noch mal passiert?‘"

Projekt Mo.Ki Monheim für Kinder
Ausgelassene Stimmung: Frauen und Kinder im Mo.Ki-CaféBild: DW/K. Jäger

Weil der Bedarf an Angeboten so groß ist, wünschen sich viele Eltern und Kinder ein eigenes Mo.Ki-Haus als Begegnungsstätte. Es wäre ein weiterer Baustein auf dem Weg, kinderfreundlichste Stadt Deutschlands zu werden.