Nach Ebola: Überlebende kämpfen mit Folgeerkrankungen
18. November 2015"Ich sehe immer verschwommen, als wäre Tau auf meinem Gesicht. Wenn ich etwas sehr lange fokussiere, fangen meine Augen an zu tränen." So beschreibt Morris Kallon aus Liberia seine Beschwerden, nachdem er sich von seiner Ebola-Erkrankung erholt hat. Augenentzündungen, Sehschwäche, in manchen Fällen sogar Erblindung, Gelenkschmerzen, teilweise so stark, dass sie arbeitsunfähig machen: Wer Ebola überlebt hat, ist nicht automatisch vollständig geheilt.
Morris Kallon macht für seine Augenprobleme das Chlor verantwortlich, das zur Desinfektion versprüht wurde. Siana Jackson ist Ärztin am JFK Krankenhaus in Liberias Hauptstadt Monrovia. Sie sagt, das Chlor sei nicht die Ursache: "Die Augenprobleme werden vom Ebola-Virus selbst verursacht, denn der Virus führt zu Entzündungen in jeder Zelle, in jedem Gewebe und jedem Organ des menschlichen Körpers - von Kopf bis Fuß." Jackson untersucht mit einer Gruppe von Wissenschaftlern, wie sich Ebola auch nach der Heilung auswirkt.
Ebola-Viren können im Körper überleben
Auch wenn Patienten die Krankheit offiziell überstanden haben, können sich Viren in Körperflüssigkeiten in entlegene Körperteile zurückziehen. "Das Immunsystem braucht länger, um diese Orte zu erreichen und das Virus auszuschalten", erklärt Daniel Bausch, Virologe bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Bekannte Rückzugsorte seien die männlichen Hoden, das zentrale Nervensystem im Gehirn und Rückenmark und möglicherweise Gelenke und Augen. Vor einem Monat haben Forscher nachgewiesen, dass sich auch neun Monate nach der Genesung noch Teile des Ebola-Virus im Sperma befinden können. Was allerdings nicht heiße, dass auch infektiöse Viren vorhanden seien, betonen die Forscher.
Nach Angaben der WHO sind allein in Liberia in den vergangenen zwei Jahren 4.800 Menschen an Ebola gestorben, mehr als 10.600 haben überlebt. Die Ärztin Siana Jackson aus Monrovia schätzt, dass in ihrem Land die Hälfte der Überlebenden an einer Hirnhautentzündung erkrankt. Die WHO nennt die Folgeerkrankungen sogar einen "Notfall innerhalb des Notfalls".
Keine Behandlung aus Angst vor Stigmatisierung
So auch im Nachbarland Guinea: Dort seien weniger als 30 Prozent betroffen, schätzt Mamoudou Arouna Dingarey von der WHO in Guinea. Für ihn aber "eine verschwindend kleine Zahl". Und: "Keine der geheilten Personen wird momentan in Nachsorge betreut. Alle geheilten Personen gelten nachweislich als geheilt."
Ebola-Überlebende müssen nicht nur mit den körperlichen Folgen klar kommen, auch psychisch haben viele zu kämpfen: Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen und soziale Ausgrenzung. Menschen, die Ebola überlebt haben, werden oft von der Gemeinschaft gemieden - auch wenn sie nicht mehr ansteckend sind.
Mohamaed Koné arbeitet bei der staatlichen Stelle zur Ebola-Bekämpfung in Guinea. Für ihn ist die Stigmatisierung einer der Gründe, warum in dem Land niemand, der als geheilt entlassen wurde, zurückkommt und zugibt noch Symptome zu haben. "Es ist ihre Angst, sich nicht wieder in die Gesellschaft integrieren zu können."
Wie schon bei der Impfstoffentwicklung gegen den Ebola-Virus hinken die Wissenschaftler auch diesmal hinterher: Die Folgeerkrankungen sind bisher kaum erforscht. Bei früheren Ausbrüchen mit weniger Opfern hatten Wissenschaftler nicht genug Überlebende mit auffälligen Symptomen finden können, um eine ausreichend große Kontrollgruppe aufzustellen. Das ist diesmal anders. Doch die Wissenschaft steht wieder ziemlich am Anfang.
Mitarbeit: Moustapha Keita