"Wichtig für den Westen"
7. Dezember 2012Seit Beginn des Arabischen Frühlings vor zwei Jahren arrangiert sich die Europäische Union mit der wachsenden geopolitischen Bedeutung ihrer südlichen Nachbarn. Die EU bemüht sich, den Veränderungen gerecht zu werden und einen Strategierahmen zu entwickeln, der in Umfang und Zielsetzung mit der europäischen Nachbarschaftspolitik übereinstimmt. Europa zeigt sich entgegenkommend - das ändert aber nichts an der Tastsache, dass sich viele Probleme im Nahen Osten nicht ohne Unterstützung der USA lösen lassen.
Präsident Barack Obamas jüngst verkündeter "Schwenk nach Asien" wurde vielfach kommentiert und beschäftigt diesseits des Atlantiks etliche Außenministerien. Wie ernst meint es die wiedergewählte US-Regierung wirklich mit dem neuen außenpolitischen Strategierahmen?
Die Instabilität nimmt zu
Trotz aller europäischen Sorgen um die US-Wende sollte man die Fakten nicht außer Acht lassen: In ihrer dritten Präsidentschaftsdebatte haben sich Obama und Romney viel mehr mit etablierten Themen wie Libyen, Iran, Afghanistan und Syrien beschäftigt als mit China und Asien. Egal wie strategisch notwendig es momentan wäre, den Blick in den asiatisch-pazifischen Raum zu lenken - offensichtlich ist sich die US-Regierung darüber im Klaren, dass der Nahe Osten instabiler wird, während Europa (immer noch) nicht in der Lage ist, ohne die USA mit der wachsenden Dringlichkeit der Konflikte im Nahen Osten umzugehen.
Vorläufig werden sich wohl drei Schwerpunkte auf der außenpolitischen Tagesordnung der Amerikaner halten: Syrien, Iran and der israelisch-palästinensische Konflikt. Sowohl Europa als auch die USA haben nach wie vor ein grundlegendes Interesse an Stabilität im Nahen Osten. Aber nicht um jeden Preis, siehe Irakkrieg. Der Schlüssel zum Erfolg - und Erfolg bedeutet in diesem Fall Deeskalation und Zeitgewinn - liegt in der Auswahl der richtigen Verbündeten.
Das Syrische Rätsel
Beispiel Syrien: Der Nationalrat funktioniert nur schlecht, die westliche Unterstützung für diese Oppositionsbewegung schwindet. Es scheint, als sei die neu gegründete, ebenfalls oppositionelle Nationale Syrische Koalition breiter aufgestellt - und deshalb viel geeigneter für Hilfe aus dem Westen.
Natürlich muss US-Präsident Obama natürlich sehr vorsichtig vorgehen. Jede Form von finanzieller oder materieller Unterstützung der Nationalen Koalition könnte zu diesem Zeitpunkt schnell ausarten und die USA in die Lage bringen, den Aufstand militärisch unterstützen zu müssen. Eine offene Unterstützung Washingtons für die syrischen Rebellen ist im Moment daher sehr unwahrscheinlich.
Israelisch-Palästinensisches Patt
Die Knesset-Wahlen im Januar 2013 in Israel engen Obamas Möglichkeiten, den erstarrten Friedensprozess im Nahen Osten zu beeinflussen, weiter ein. Ein Entgegenkommen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erscheint unwahrscheinlich. Obamas Weigerung, Netanjahu während seines Besuchs in Washington im September zu treffen, war zwar ein deutliches Zeichen seiner Einschätzung der Politik Netanjahu, hat aber in Tel Aviv darüber hinaus keine Wirkung gezeigt.
Alle Versuche, politische Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern wieder in Gang zu bringen, scheinen auf Eis gelegt, zumindest bis zu den Wahlen im Januar. Mittlerweile wächst jedoch auch aus Europa der Druck auf die israelische Regierung, trotz des uneinheitlichen Wahlverhaltens kürzlich in der UN Vollversammlung. Daher könnten die USA mit den europäischen Partnern eine informelle Allianz eingehen, um Israel in Richtung einer konstruktiveren Haltung zu bewegen.
Iran bleibt kompromisslos
Das heikelste Problem für Obama und seine europäischen Partner ist und bleibt aber das iranische Atomprogramm. Das vorrangige Ziel ist es hier, Zeit zu gewinnen und den Vorgang so gut wie möglich zu verlangsamen. Auch in Teheran stehen Wahlen an, die des Präsidenten im Juni 2013. Und auch hier könnten sich die Beziehungen bis dahin weiter verhärten. Auch in der arabischen Welt selber ist der Umgang mit dem Iran eine zunehmend brisante Angelegenheit. Das allerdings könnte es Europa und den Vereinigten Staaten erleichtern, andere Länder der Region in ihre diplomatische Strategie einzubinden.
Die Golfstaaten, die Türkei, Ägypten - die gesamte Nahostregion bleibt wichtig den Westen. US-Präsident Barack Obama ist der Führer eines Landes, dessen Hilfe in vielen Krisenregionen immer noch sehr gefragt ist,. Aber auch die Europäer werden sich in Zukunft außenpolitisch noch viel mehr einbringen müssen.
Olaf Böhnke leitet das Berliner Büro des European Council on Foreign Relations (ECFR).