Künstliches Nashorn
18. August 2015Man könnte ihr Labor eine Fälscherwerkstatt nennen. An den drei Prototypen haben Matthew Markus und George Bonaci monatelang gearbeitet. Der erste Prototyp ist braun, erinnert an eine schrumpelige Karotte. Der zweite ist glatt, dunkel, ohne Spitze, der dritte ein hellgrauer spitzer Kegel. Es sind die ersten Mini-Nashörner, die der Biologe und der Biochemiker in ihrem Labor hergestellt haben. "Die Idee ist schon fast 20 Jahre alt", sagt der 41-jährige Matthew Markus, "doch erst jetzt ist es technisch möglich und bezahlbar, Horn synthetisch herzustellen."
Nashorn aus dem Labor? Die beiden Wissenschaftler glauben, dass das die Rettung ist für die letzten noch lebenden Rhinozerosse. Deren Horn ist in manchen Teilen Asiens mehr wert als Gold - mit Schwarzmarktpreisen von bis zu 100.000 Dollar pro Kilo. Das heizt die Wilderei immer weiter an - vor allem auf das schwarze Nashorn.
Die Zahl der getöteten Tiere steigt jedes Jahr, 2014 waren es allein in Südafrika 1200. Das sind 9000 Prozent mehr als 2007. Weltweit gibt es nur noch 23.000 Tiere in Freiheit. Schon bis jetzt wurden 2015 fast 600 Nashörner getötet, es könnte ein neues trauriges Rekordjahr werden.
Im Labor zusammenmischen
Klassischer Naturschutz scheint versagt zu haben. Vielleicht ist die Idee eines künstlichen Horns deshalb so interessant: Synthetisches Horn lässt sich einfach im Labor herstellen, kein Tier muss dafür sterben, sagen Matthew Markus und George Bonaci. Sie gründeten 2014 ihr Unternehmen Pembient und wurden in diesem Jahr in das Förderprogramm IndieBio in San Francisco aufgenommen, wo sie Gemeinschaftlabors nutzen, und außerdem Mentoren und eine Finanzierung über 100.000 US-Dollar bekommen haben. Ein Naturkundemuseum in Seattle hat ihnen ein echtes Rhinozeroshorn zur Verfügung gestellt, aus dem sie Nashorn-DNA gewannen.
Damit hatten sie alles, was sie brauchten. Im Labor begann die Arbeit von George Bonaci: Er vermischt den Grundstoff Keratin und die DNA mit anderen Mineralien, Metallen und Eiweißen zu einer Flüssigkeit. Die wird getrocknet, und aus der festen Substanz mahlt er ein Pulver: Hornpulver. "Absolut identisch mit Naturhorn", betont der Biochemiker. "Das ist richtiges Horn. Nur es ist viel sauberer. Es enthält vieles nicht, das die Hörner von Tieren in der Natur aufnehmen: etwa Giftstoffe wie Blei oder Pestizide." Das könnte eines der besten Verkaufsargumente für das junge Unternehmen sein.
Sabotage im Schwarzmarkt
Seit Wochen ist Matthew Markus mit Investoren und potenziellen Kunden in Kontakt - meist chinesische Unternehmen wie Hersteller von Medikamenten, Getränken, Schmuck, die Horn als Zusatzstoff brauchen. In China und Vietnam wächst die Nachfrage nach solchen Produkten. Offiziell nutzen die Firmen das Horn von Wasserbüffeln. Doch der Schwarzmarkt für Nashorn boomt trotzdem. "Unser Horn soll 7000 Dollar pro Kilogramm kosten, nur etwa ein Achtel des üblichen Marktpreises", sagen die Jungunternehmer. Damit wäre Naturhorn auf dem Markt nicht mehr konkurrenzfähig. So zumindest die Theorie.
Sie planen auch, das Angebot an Horn in Afrika zu erhöhen und damit dem illegalen Handel die Preise zu verderben. Sie wollen mit Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten: Sie könnten ihr Hornpulver in einem 3-D-Drucker zu einem realistisch aussehenden Nashorn pressen, das dann in Südafrika, Kenia und Tansania unter das Volk gebracht wird und in den Lieferketten des Nashornhandels verschwinden könnte und den Preis drückt. "Dann würde es sich nicht mehr lohnen, Nashörner zu jagen, weil Wilderer immer weniger daran verdienen, während sie weiter Kosten haben - Schmiergelder an Offizielle etwa."
Nicht jeder ist überzeugt
Wird künstliches Nashorn die Wilderei auf die bedrohten Rhinozerosse eindämmen? Tierschützer glauben nicht daran. Sie befürchten, dass es eher die Nachfrage ankurbelt und damit zwangsweise noch mehr Tiere getötet würden. Susie Ellis, Direktorin der International Rhino Foundation, sagt: "Das suggeriert doch, dass Nashorn wirklich einen medizinischen Wert hat. Den hat es aber nicht. Die Menschen werden kein synthetisches Horn kaufen, wenn sie sich das Echte leisten können." Und das können immer mehr Menschen in der aufstrebenden Mittelschicht asiatischer Länder, etwa in Vietnam.
Mit billigem falschem Horn lasse sich kein sozialer Status demonstrieren. Steven Broad von der Naturschutzorganisation Traffic sieht das am Beispiel des Gallensafts von Bären bestätigt. "Der Markt für diesen Gallensaft bleibt in Vietnam stabil - und damit auch die Wilderei. Es hat sich parallel dazu ein eigener Markt für künstlichen Gallensaft entwickelt, von dem allerdings die Hersteller nicht so viel verkaufen wie erwartet. Sie mussten sich sich neue Produkte einfallen lassen, wie Shampoos mit Gallensaft zum Beispiel. Produkte, die traditionell gar nicht üblich waren."
Noch mehr Ideen
Matthew Markus und George Bonaci hatten nicht mit Gegenargumenten gerechnet. Manchmal schmerze es, sagen sie. Ihre Argumente hätten sie schon Dutzende Male formuliert. Künstliches Nashorn sei unendlich reproduzierbar: Wenn der Bedarf wächst, kann das Angebot mitwachsen. Echte Felle seien in der Bekleidungsindustrie doch auch immer seltener, seit Kunstfelle salonfähig geworden sei. Vor allem aber: Man könne den Menschen Traditionen nicht einfach verbieten, wie es die Naturschutzorganisationen tun. Und seien sie noch so umstritten. Man müsse Alternativen bieten.
Sie wollen sich in Zukunft auch an die Herstellung von Haifischflossen wagen; auch Tigerknochen und Elfenbein sind möglich. Trotz des Gegenwinds, der ihnen entgegenschlägt, nimmt man ihnen ab, dass sie an ihre Idee glauben.