Nawalny-Arzt in Russland plötzlich tot
5. Februar 2021Ein russischer Arzt, der den Kremlkritiker Alexej Nawalny nach dessen Vergiftung im August behandelt hatte, ist tot. Der stellvertretende Chefarzt der Anästhesiologie und Reanimation, Sergej Maksimischin, sei im Alter von 55 Jahren "plötzlich" gestorben, teilte die Klinik in der sibirischen Stadt Omsk mit. Eine Todesursache wird nicht genannt. Maksimischin arbeitete demnach 28 Jahre lang in dem Krankenhaus.
Leonid Wolkow - ein Mitarbeiter Nawalnys, der im Ausland lebt - sagte dem US-Nachrichtensender CNN, der Mediziner sei zwei Tage lang für die Behandlung des Oppositionellen verantwortlich gewesen, bis dieser nach Deutschland ausgeflogen wurde. "Er wusste mehr als irgendjemand sonst über Alexejs Zustand." Daher könne er die "Möglichkeit eines Verbrechens" nicht ausschließen, erklärte Wolkow.
"Gefälschte Diagnose"
Im November war der Chefarzt derselben Klinik zum Gesundheitsminister der Region befördert worden. Alexander Murachowski hatte Nawalny im Sommer lediglich eine Stoffwechselstörung bescheinigt und erklärt, Hinweise auf eine Vergiftung gebe es nicht. Der Oppositionelle selbst sprach später von einer "gefälschten" Diagnose.
Alexej Nawalny ist der prominenteste Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er war am Dienstag zu knapp dreijähriger Haft in einer Strafkolonie verurteilt worden. Nach einem Giftattentat mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok in Sibirien war er im Sommer zunächst in Omsk behandelt und wenige Tage später zur Behandlung nach Berlin gebracht worden. Im Anschluss an eine mehrmonatige Genesungsphase kehrte er im Januar nach Russland zurück, wo er kurz nach der Landung festgenommen wurde. Die russischen Behörden werfen ihm vor, Meldeauflagen im Zusammenhang mit einer früheren Bewährungsstrafe verletzt zu haben.
An diesem Freitag muss sich Nawalny erneut vor Gericht verantworten. Diesmal geht es um die angebliche Verleumdung eines Weltkriegsveteranen. Die Justiz beschuldigt den 44-Jährigen "unwahrer" und "beleidigender" Äußerungen über den Mann. Der hatte sich in einem Video zugunsten des von Putin initiierten Verfassungsreferendums von 2020 ausgesprochen. Nawalny bezeichnete den ehemaligen Kriegsteilnehmer als "Verräter", "Menschen ohne Gewissen" und "Schande für das Land". Im Falle eines Schuldspruchs drohen ihm eine Geldstrafe und weitere Haft.
"Beziehungen auf einem Tiefpunkt"
Der EU-Außenbeauftrage Josep Borrell erklärte während eines Besuchs in Moskau, das Verhältnis der Europäischen Union zu Russland gestalte sich derzeit schwierig - und der Fall Nawalny markiere den Tiefpunkt. Nach einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow sagte Borrell, er habe die Freilassung des Oppositionellen verlangt. Das Gespräch sei "offen und intensiv" gewesen. In der diplomatischen Sprache verhüllt diese Formulierung üblicherweise eine harte Auseinandersetzung. Lawrow erklärte, jede weitere Verschlechterung der Beziehungen würde "unabsehbare Konsequenzen" haben.
Der Kreml hatte sich mit Blick auf Nawalny wiederholt eine Einmischung in "innere Angelegenheiten" verbeten. Vorwürfe des Oppositionellen, Putin und der Inlandsgeheimdienst FSB seien für seine Vergiftung verantwortlich, weist die russische Führung als gegenstandslos zurück.
jj/mak (dpa, afp)