Netanjahu ist zurück
18. März 2015Viele Israelis waren erst am frühen Morgen mit dem richtigen Endergebnis der Wahl aufgewacht. Die Prognosen am Wahlabend hatten alle noch ein Patt zwischen Netanjahu's Likud und Herzog's Zionistischer Union vorhergesagt. Am Mittwoch morgen war klar: Netanjahu, der von vielen Israelis „Bibi“ genannt wird, hat gesiegt. Und das recht deutlich. "Ich bin um halb drei heute Nacht aufgestanden, und habe angefangen zu tanzen", sagt Nissim Armosa, seit Jahrzehnten Likud-Wähler und auf dem Weg zum Bäcker. "Möge Bibi noch 120 Jahre alt werden, er ist einfach nicht zu ersetzen." Ein anderer Passant ist in ähnlich guter Laune. "Ich bin froh, dass Bibi bleibt. Was nützt einem, wenn man ein Apartment kaufen kann, wenn keiner was gegen die Bedrohung aus dem Iran macht oder gegen die Hamas", sagt Benny Halimi, in Anspielung auf die Wahlkampf-Themen aus dem Herzog-Lager, das die hohen Lebenshaltungskosten und Mietpreise in den Fokus gestellt hatte.
Kaiser Bibi?
Dreißig der 120 Sitze kann die Likud-Partei von Benjamin Netanjahu für sich verbuchen – und damit deutlich mehr als Meinungsforscher ihr vor der Wahl vorhergesagt hatten. Lange schien eine Abwahl Netanjahus wahrscheinlich, doch der zum Teil erbittert geführte Wahlkampf bis zur letzten Minute hat sich für den 65-Jährigen offenbar ausgezahlt. "Es ist schwer zu sagen, wie es Netanjahu gelungen ist, doch noch so stark aufzuholen", sagt Tamir Sheafer, Politikwissenschaftler an der Hebräischen Universität in Jerusalem. "Am Ende haben die Themen, die Netanjahu zu seinen Schwerpunkten gemacht hat, etwa die innere Sicherheit, oder die Angst vor dem Iran, möglicherweise doch mehr Wähler überzeugt."
Eines steht am Tag nach der Wahl jedenfalls schon fest: Netanjahu hat wieder einmal bewiesen, dass er auch gegen alle Wahrscheinlichkeiten gewinnen kann – und geht deshalb gestärkt aus dieser Wahl hervor. "Vor längerer Zeit hat einen Zeitschrift 'König Bibi' getitelt, jetzt müsste sie wohl etwas neues erfinden, vielleicht 'Kaiser Bibi'?", fasst Tamir Sheafer die Situation zusammen.
Trotz aller Stärke: Für seine vierte Amtszeit ist Netanjahu auf die Unterstützung mehrerer Koalitionspartner angewiesen. Die beiden religiösen Parteien Shas und Vereinigtes Thora-Judentum dürfte Netanjahu dabei im Visier haben, ebenso wie die Partei "Jüdisches Heim" von Naftali Bennett und "Unser Haus Israel" des bisherigen Außenministers Avigdor Lieberman. Doch selbst mit deren Hilfe hat Netanjahu noch keine Mehrheit in der Knesset, dem israelischen Parlament. Um sich mindestens 61 der 120 Sitze zu sichern, braucht der Ministerpräsident einen weiteren Partner – die neugegründete Partei "Kulanu" von Moshe Kahlon. Der ehemalige Vertraute von Netanjahu hatte sich mit ihm noch zu Likud-Zeiten überworfen. Er wird nun von vielen Beobachtern als das Zünglein an der Waage gesehen.
Falsche Prognosen
Im mitte-links Lager herrscht dagegen Ratlosigkeit und Enttäuschung. "Es ist unglaublich, ich habe wirklich gedacht, Herzog hätte eine Chance Premierminister zu werden", sagt Amir Segal, ein junger Israeli auf dem Weg zur Arbeit. "Ich kann mir das Ergebnis wirklich nicht erklären." Ein anderer junger Mann, Dudu Kosher, spricht von einer Katastrophe: "Jetzt müssen wir endlich mal aufwachen und uns eingestehen, dass dieses Land gespalten ist. Die eine Hälfte redet über die soziale Lage, und trotzdem gewinnt jemand wie Bibi, der seit sechs Jahren keines dieser wichtigen Themen angepackt hat."
Der Sieg Netanjahu's kommt aber für einige Beobachter nicht ohne einen Preis. In seinem Wahlkampf hatte er einige umstrittene Aussagen gemacht, um unentschlossene Wähler aus dem rechten Lager zu mobilisieren. Am Wahltag selbst hatte er mit rassistischen Äusserungen über israelische Araber auf sich aufmerksam gemacht. Und noch am Montag hatte Netanjahu in einem Interview gesagt, das er einen Staat für die Palästinenser ablehne. Dies steht im Widerspruch zu seiner Grundsatzrede, die Netanjahu 2009 an der Bar-Ilan-Universität hielt. Darin hatte er sich zu einer Zwei-Staaten-Lösung bekannt, was auch von den USA und Europa seit vielen Jahren gefordert wird. Damit dürfte er sich zumindest international keine Freunde gemacht haben. "Er ist das 'Comeback Kid'", schreibt der israelische Journalist Nahum Barnea in der Tageszeitung Yedioth Ahronoth. Er merkt an, dass Netanjahus mögliche ultra-rechte Regierung sich weniger vor internationalem Druck schützen kann.