Neue Forschungsinstitute für Brasilien
10. Mai 2013David Carlos Domingos kam vor acht Jahren als Maschinenbau-Student aus Brasilien nach Deutschland. Heute bringt er Rezepte aus Deutschland zurück in seine Heimat, Rezepte um die Innovationskraft der dortigen Industrie zu stärken. Am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK Berlin, wo er inzwischen arbeitet, glaubt er das Geheimnis gelüftet zu haben, wie Deutschland seine Position als Exportweltmeister behauptet. "Anders als Brasilien, dessen Wirtschaft durch die Ausbeutung von Rohstoffen wächst, exportiert Deutschland Mehrwert“, bringt der 31-Jährige einen wichtigen Unterschied zwischen den beiden Länder auf den Punkt.
Und dieser Mehrwert entsteht, weil Erfinder immer wieder auf gute Ideen kommen: Es gibt eine enge Verbindung zwischen Universitäten, angewandter Forschung und Industrie. Dieses Modell wollen wir auch in Brasilien etablieren", sagt Domingos. Seit 2012 arbeitet er in einem Kooperationsprojekt zwischen der Fraunhofer-Gesellschaft, einer brasilianischen Unternehmerinitiative und der Regierung in Brasília mit.
Die Lücke verkleinern
Die Innovationsoffensive begann 2008 mit der Gründung der "Unternehmerischen Bewegung für Innovation" (MEI). Daran beteiligen sich die 50 größten brasilianischen Unternehmen. Der Interessenverband warb in Brasília für mehr Regierungsengagement für Forschungsprojekte, um den Bedarf der dortigen Industrie an technischen Neuerungen zu decken.
Schließlich bewilligte die brasilianische Regierung 1,8 Milliarden Real, derzeit rund 720 Millionen Euro. Das Geld fließt jetzt in die Modernisierung und den Ausbau bestehender Einrichtungen und in 23 neue Forschungsinstitute für Innovation im ganzen Land: In Amazonien im Norden soll ein Mikroelektronik-Zentrum entstehen, in Rio Grande do Sul ganz im Süden wird ein Institut zur Polymerforschung beheimatet sein.
2012 unterzeichneten die brasilianischen Partner und die deutsche Fraunhofer-Gesellschaft einen Partnerschaftsvertrag. Mitarbeiter deutscher Fraunhofer-Institute sollen die Arbeit der brasilianischen Innovationszentren betreuen, auswerten und zertifizieren. Einige der derzeit 66 Fraunhofer-Institute haben bereits Projekte in Brasilien entwickelt, beispielsweise im Schuh-, Textil- oder Automobilsektor.
Innovationswüste Brasilien
Auch heute schon hat Brasilien durchaus Hightech zu bieten: Der Flugzeughersteller Embraer gilt als Technologieführer für Maschinen, die um die 100 Passagiere befördern können. Die Automobilindustrie exportiert teilweise nach Europa und auch in der IT-Branche gibt es hochinnovative Unternehmen.
Insgesamt hapert es aber bei den Investitionen in technischen Fortschritt: Laut dem deutschen Statistischen Bundesamt flossen in Brasilien 2010 nicht einmal 1,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Forschung und Entwicklung; in Deutschland waren das im selben Jahr 2,8 Prozent. "Die brasilianische Regierung will diesen Anteil auf zwei Prozent erhöhen", erklärt Oliver Döhne, Brasilien-Repräsentant der deutschen Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing GTAI. "Deshalb bietet sie Unternehmen steuerliche Vorteile, wenn sie Geld in Innovation stecken und tatsächlich auch Patente anmelden."
Mittelstand unterstützen
Im Rahmen des nun aufgelegten Projekts können Firmen konkrete Forschungsanfragen vorlegen, damit die beteiligten Institute entsprechende Lösungen entwickeln. Das brasilianische Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Innovation glaubt, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen diese Unterstützung dringend benötigen. Auf diese Weise, hofft die brasilianische Regierung, soll sich auch der Wissenstransfers zwischen den Unternehmen sowie zwischen Hochschulen und Industrie verbessern.
Bisher betreiben brasilianische Universitäten vor allem Grundlagenforschung, die keine unmittelbare Anwendung im Markt findet. Das liegt auch daran, dass die großen, international aufgestellten Unternehmen in der Vergangenheit wenig Interesse zeigten, mit Universitäten in Brasilien Produkte zu entwickeln. "Nun sollen die Forschungsergebnisse der Universitäten an die Industrie übergeben werden", berichtet der Fraunhofer-Forscher David Domingos, der das Projekt von Berlin aus unterstützt.
Spitzenforschung erwünscht
Die Forschungsinstitute haben acht Jahre, um sich zu etablieren. Innerhalb dieser Zeit müssen sie die getätigten Investitionen zurückzahlen und zeigen, dass ihre Projekte langfristig zur Modernisierung der Industrie beitragen können.
David Domingos hofft, dass Brasilien auf diesem Wege die Innovationslücke zu Deutschland schließen kann: "Es reicht nicht, wenn Brasilien nur durch seine Rohstoffe wächst. Deshalb hoffen wir, dass es sein Wachstum in Zukunft auch aus innovativen und hochwertigen Produkten schöpft."