Die USA und der Klimagipfel in Warschau
19. November 2013Neben dem Podium ist eine amerikanische Flagge aufgestellt, daneben stellen Experten ihre Erkenntnisse darüber vor, in welchem Ausmaß der Klimawandel dem Energiesektor der Vereinigten Staaten schaden kann. Zahlreiche Gäste haben auf Klappstühlen Platz genommen und verfolgen die Diskussion.
Es ist nur eine von zahlreichen Veranstaltungen, die das U.S. Center in der zweiten Etage des Warschauer Nationalstadions im Rahmen der Klimakonferenz ausrichtet. Direkt gegenüber dem großen, offenen Raum liegen die Büros der US-amerikanischen Delegation. Diese darf man nicht ohne Weiteres betreten - und dennoch ist die Delegation leichter ansprechbar als noch im vergangenen Jahr in Doha.
Neue Offenheit
Das Land, das zu den größten Treibhausgas-Verursachern der Welt gehört, das das Kyoto-Protokoll zur verbindlichen Reduzierung von Treibhausgasen seitens der Industrieländer nie unterschrieben hat - dieses Land gibt sich in Warschau offen, zugänglich und vorausdenkend. Eine Offenheit, die sich nicht auf Podiumsdiskussionen und Interviewanfragen zu beschränken scheint, sondern sich auch in den Verhandlungen bemerkbar macht.
"In der Vergangenheit war es ja manchmal so, dass die USA eine richtig blockierende Rolle in diesen Verhandlungen gespielt haben", sagt Lou Leonard, Vizepräsident der Umweltschutzorganisation WWF in den USA. "Das hat vor allem daran gelegen, dass die US-Unterhändler sich nie sicher sein konnten, ob sie daheim Rückhalt für das hatten, was sie auf der Klimakonferenz versprachen." In Warschau sei dies anders.
Mehr Ansehen durch Aktionsplan des Präsidenten
Verändert hat sich die Lage durch den Klima-Aktionsplan, denUS-Präsident Barack Obama im Juni vorgestellt hat. Teile des Plans: Schritte zur Reduktion der heimischen Treibhausgase ebenso wie ein Bekenntnis zu einem ehrgeizigen - für 2015 geplanten - globalen Klima-Abkommen.
"Andere Verhandlungsteilnehmer haben uns immer vorgeworfen, dass die USA nichts tun", sagt ein hochrangiges Mitglied der US-Delegation, das nicht namentlich genannt werden möchte.
"Deshalb hat die Tatsache, dass der Präsident in einer großen Rede dargelegt hat, was wir bereits in Sachen Klimaschutz erreicht haben, was wir in der Angelegenheit noch vorhaben und dass wir die in Kopenhagen festgelegten Klimaschutzziele einhalten werden, unsere Stellung hier bei der Konferenz auf jeden Fall verbessert."
Obama handelt selbstständig
Einfach selber machen - das ist die Devise Obamas, nachdem er im Sommer 2010 mit einem Klimaschutzgesetz im Senat gescheitert war. Statt in der von der gegnerischen Partei der Republikaner dominierten Kongresskammer weiter um Unterstützung zu werben, hat Obama Initiativen auf den Weg gebracht, die keiner parlamentarischen Zustimmung bedürfen.
So besteht das zentrale Element des Plans bezüglich der Reduktion von Treibhausgasen in strengeren Grenzwerten für Kohlekraftwerke. "Diese neuen Auflagen sind wirklich wichtig", sagt Lou Leonard, "weil der Energiesektor mit 40 Prozent zu den Gesamt-Emissionen der USA beiträgt." Wenn durch die Auflagen Kohle unwirtschaftlich würde und effektiv aus dem Energiemix rausfiele, würden die Emissionen drastisch sinken können.
Selbstsichere Delegation dank Obamas Klarheit
Den US-amerikanischen Unterhändlern in Warschau haben die Entscheidungen des Präsidenten Rückenwind gegeben. "Es ist sehr hilfreich, ein solch klares und eindeutiges Signal von ihm zu haben", heißt es aus der Delegation. "Ich glaube zwar nicht, dass es je Zweifel daran gegeben hat, dass der Präsident den Klimaschutz für ein wichtiges Thema hält. Aber die Entscheidungen geben mehr Klarheit - auch uns, wenn wir in die Verhandlungen gehen."
Ein Verhandlungsthema, bei dem sich die klarere und vorantreibendere Rolle der USA bemerkbar macht: die sogenannten Schäden und Verluste aus dem Klimawandel, auf Englisch "loss and damage". Ein für die Inselstaaten und die ärmsten Entwicklungsländer wichtiges Thema, das noch im vergangenen Jahr bei der Klimakonferenz in Doha bei den USA noch so ganz und gar nicht ankam:
Den ersten Vorschlägen, etwas Konkretes zu diesem Thema in das Abkommen aufzunehmen, hatten sich die USA in Doha heftig widersetzt. Schließlich hatten sie - unter massivem Druck - in die abschließende Formulierung eingewilligt, dass in Warschau ein "institutionelles Arrangement" gefunden werden sollte, das sich mit den Schäden und Verlusten aus dem Klimawandel beschäftigt.
Schäden und Verluste: Ein wichtiges Thema für USA
In Warschau sind deutlich weniger Vorbehalte der USA gegenüber diesem Thema zu spüren als in Doha. "Das ist ein wichtiges Thema, an dem wir hart arbeiten", gab US-Chef-Unterhändler Todd Stern gegenüber der Presse zu Protokoll.
Mehr als nur leere Worte, meint Lou Leonard vom WWF. "Die USA haben selbst einen Textvorschlag in die Verhandlungen eingebracht, der zeigt, wozu sie bereit wären", sagt er, "und es gibt eine Bereitschaft, eine neue Struktur innerhalb der Klima-Rahmenkonvention einzurichten, die sich mit den Schäden und Verlusten beschäftigt."
Immerhin tut sich etwas
Auf einer Linie mit den Entwicklungsländern sind die USA deshalb noch lange nicht. Sie stellen sich - ebenso wie die EU - vor, dass bestehende Institutionen im Bereich der Anpassung an den Klimawandel einfach um eine neue Funktion erweitert werden könnten.
Die Entwicklungsländer hingegen fordern eine gänzlich neue Institution. Aber wenn sich US-Unterhändler in Warschau tatsächlich - wie sie sagen - "alle Argumente anhören, die in den Verhandlungen vorgebracht werden", dann spielen sie bereits eine deutlich vorantreibendere Rolle als die USA das in der Vergangenheit getan hat.