Obama macht Ernst
23. Januar 2009Präsident Obama macht Ernst. Als Präsidentschaftskandidat hat er versprochen, das US-Militärgefängnis Guantanamo zu schließen. Als Präsident hat er dieses Versprechen an seinem zweiten Tag im Amt umgesetzt. Es ist der Akt, auf den die Welt gewartet hat. Seine symbolische Bedeutung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Guantanamo steht neben der menschenrechtswidrigen Behandlung von Gefangenen in Abu Ghraib für die Abkehr amerikanischer Politik von Recht und Gesetz. Es machte die USA in den Augen der Welt moralisch unglaubwürdig. Extremisten nutzten es, um Hass zu schüren. Die Schließung des Militärgefängnisses ist daher auch eine Anti-Terrormaßname.
Zurück zum Gesetz
Mit der Schließung von Guantanamo begeben sich die USA wieder auf den Pfad der Gesetzestreue, so, wie Präsident Obama es an seinem ersten Tag im Amt verkündet hat. Der temporäre Stopp aller Verfahren und die Überprüfung der Haftgründe der verbliebenen 245 Gefangenen, das Verbot der Folter auch für die Geheimdienste sowie eine generelle Überprüfung von Verhaftungsmethoden durch US-Militärs und Geheimdienste untermauern das Bestreben, sich wieder an international anerkannte Rechtsstandards zu halten.
Doch alle diese Anordnungen sind nur der Anfang eines langen, komplizierten Prozesses. Die Schließung von Guantanamo ist nicht über Nacht zu bewerkstelligen. Denn in einem soll man sich nicht täuschen. In Guantanamo sitzen Männer, von denen zumindest einige schwere Verbrechen begangen haben. Sie einfach zu entlassen, ist nicht möglich. Ihre zukünftige Unterbringung und Strafverfolgung ist problematisch. Folter und andere rechtswidrige Behandlungen der Gefangenen werden sich hier als Bumerang erweisen. Jedes ziviles Gericht wird Beweise ablehnen, die unter solchen Umständen erbracht wurden - selbst, wenn sie stichhaltig sind.
Internationale Anstrengung nötig
Präsident Obama hat dies berücksichtigt, indem er differenzierte Anordnungen traf und unter anderem eine Arbeitsgruppe ins Leben rief, die sich mit der Frage beschäftigen soll, was mit den Häftlingen geschehen kann. Ein Jahr hat Präsident Obama seinen Juristen, Militärs und Diplomaten Zeit gegeben, um die vielen Probleme zu lösen. Denn hinter den "Problemen" stehen Menschenschicksale – wie die der 17 Uiguren, die nachweislich unschuldig sind, aber nicht nach China zurückschickt werden können, weil sie dort gefoltert werden würden.
Hier sind jetzt die Länder gefragt, die seit Jahren die Schließung des Gefangenenlagers fordern. Bei ihrem Treffen in der nächsten Woche in Brüssel könnten die EU-Außenminister den Wechsel in der US-Politik unterstützen. Sie könnten ein Zeichen setzen, dass sie bereit sind, selbst Verantwortung zu übernehmen. Denn im Kampf gegen den internationalen Terrorismus ist gemeinsames Vorgehen notwendig. Der erste, der entscheidende Schritt jenseits des Atlantiks ist getan.