Paketdienste: Stress, Beschwerden, Druck
4. Dezember 2017Mehr als acht Millionen Pakete werden in Deutschland jeden Tag verschickt. Im Gesamtjahr 2016 wurde erstmals die Drei-Milliarden-Marke geknackt, der Bundesverband Paket und Express Logistik zählte insgesamt 3,16 Milliarden Paket-, Express- und Kuriersendungen.
Besonders stark - um 13,2 Prozent - wuchs das sogenannte B2C-Geschäft, dass sind Sendungen von Geschäften an Kunden (Business to Consumer), als Folge des boomenden Online-Versandhandels.
Der hat das Paketgeschäft durcheinandergewirbelt. DHL, der zur Deutschen Post gehörende Marktführer in Deutschland, und Konkurrenten wie UPS, Hermes, DPD und GLS haben Schwierigkeiten, das enorme Wachstum abzudecken.
Starkes Wachstum durch Onlinehandel
"Die Sendungsmengen wachsen jährlich um sechs bis zwölf Prozent", sagt Uwe Speckenwirth, Fachbereichsleiter Post der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi im Bundesland NRW. "In dem Ausmaß wird mit Sicherheit nicht eingestellt. So würden die Zustellbezirke größer und größer, zugleich wachse der Krankenstand - "ein Knochenjob", sagt Speckenwirth.
Nach Angaben des Bundesverbands beschäftigte die Branche im vergangenen Jahr rund 219.000 Menschen. Nach Branchenschätzungen fehlen derzeit bundesweit knapp 6000 Zusteller - und im Weihnachtsgeschäft wächst das Zustellvolumen noch einmal kräftig.
Allein DHL stellt in den Tagen vor Weihnachten rund sieben Millionen Pakete zu - gegenüber vier Millionen an Durchschnittstagen. Das Unternehmen hat daher rund 10.000 zusätzliche Aushilfskräfte für die Weihnachtszeit eingestellt.
Nach Ansicht der Gewerkschaft ist der Arbeitsmarkt in der Paketdienstbranche zweigeteilt. "Nur zwei der fünf großen Paketdienste in Deutschland arbeiten überwiegend mit eigenen, fest angestellten Zustellerinnen und Zustellern. Sie haben sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und werden nach Tarif bezahlt", teilte Verdi mit. "Ansonsten wird ausschließlich mit Subunternehmen gearbeitet."
Prekäre Arbeitsbedingungen
Dort aber seien die Arbeitsbedingungen vielfach prekär. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) berichtete nach einer groß angelegten verdeckten Recherche vor kurzem von illegalen Praktiken, bei denen Subunternehmen Arbeiter aus Osteuropa weit unter Mindeslohn beschäftigten. Die Recherchen lösten einen Razzia von Zoll und Polizei aus.
Gerade ausländische Beschäftigte kennen oft ihre Rechte nicht oder fordern diese aus Angst vor dem Arbeitsplatzverlust nicht ein, so die Gewerkschaft Verdi. Oft würden die Kosten für die Unterbringung noch vom Salär abgezogen.
Verdi fordert schon länger, prekären Beschäftigungsverhältnissen gesetzlich zu verbieten. "Wer Arbeit auslagert, muss dafür verantwortlich bleiben", sagte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis. Illegalen Machenschaften könne man nur ein Ende bereiten, wenn auch Subunternehmen in der Paketbranche mit "einer umfassenden Nachunternehmerhaftung" verpflichtet würden, Sozialabgaben zu zahlen und Arbeitsstandards einzuhalten. "Hier ist der Gesetzgeber gefordert", so Kocsis.
Unzufriedene Kunden
Unterdessen nehmen Beschwerden von Online-Kunden zu. Sie beklagen beschädigte oder verschwundene Pakete, verspätete Lieferung, einfach im Hausflur abgestellte Pakete oder Benachrichtigungskarten im Briefkasten, die Sendung selbst abzuholen, obwohl jemand zu Hause ist.
"Schief geht es fast immer auf den letzten Metern", sagt Iwona Husemann von der Verbraucherzentrale NRW. Unter dem Stichwort "Paket-Ärger" hat die Organisation knapp zwei Jahre lang ein Beschwerdeportal geführt und in dieser Zeit rund 21.000 meist wütende Emails von verärgerten Kunden erhalten.
Auch die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde für die Postzustellung rechnet in diesem Jahr mit rund 5000 Beschwerden - fast ein Viertel mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Schlichtungsanträge in Streitfällen sollen sich sogar verdreifachen. Allerdings sind die Mittel der Aufsichtsbehörde begrenzt: Sie kann Stellungnahmen der Unternehmenanfordern, die Beseitigung von Mängeln anmahnen und Schlichtungen anbieten - aber keine Bußgelder verhängen. "Ein zahnloser Tiger", sagt ein Branchenkenner.
Paketdienste suchen nach Auswegen
Einige Paketdienste überlegen daher, die Endkunden - als die Besteller der Waren - mehr zu belasten. "In Zukunft kann es so kommen, dass die Paketdienste standardmäßig an den Paketshop liefern und die Lieferung zur Haustür (den Kunden) dann zum Beispiel 50 Cent kostet", sagte Boris Winkelmann, Geschäftsführer des Paketdiensts DPD, der Zeitschrift Wirtschaftswoche.
DPD-Konkurrent Hermes sieht das ähnlich. "Was wir dringend brauchen, sind große Paketshops oder Mikrodepots in den urbanen Räumen, die alle Paketdienste nutzen können", sagte Hermes-Geschäftsführer Frank Rausch der Zeitschrift.
Der Paketdienstleister Hermes, der für dieses Jahr das mengenstärkste Weihnachtsgeschäft der Unternehmensgeschichte erwartet, will zudem zudem mit Online-Händlern in besonders belasteten Regionen erstmals Obergrenzen aushandeln. Sind die erreicht, nimmt Hermes keine weiteren Lieferungen mehr an und verzichtet auf das Geschäft. Auch DPD verabredet mit Händlern, auf welche Paketmengen sich das Unternehmen in einem bestimmten Zeitraum einzustellen hat. Allerdings sind das laut DPD "keine starren Obergrenzen."
"Uber für Paketzustellungen"
Sämtliche Paketdienste stehen unter Druck, ihre Leistungen so günstig wie möglich anzubieten, wenn sie von großen Kunden Aufträge erhalten wollen. Online-Platzhirsch Amazon erhöht den Druck zusätzlich, indem seine eigene Logistik ausbaut.
Auch der Lieferdienst "Amazon Flex" wird jetzt in Deutschland eingeführt. In den USA und Großbritannien gibt es den Dienst schon, dort werden Pakete zum Teil auch an Sonntagen geliefert.
Weil bei "Amazon Flex" Privatpersonen die Pakete dabei im eigenen Fahrzeug ausliefern, gesteuert per App, wird der Dienst auch als das "Uber für Paketzustellungen" bezeichnet. Auf einer Webseite sucht das Unternehmen nach "Lieferpartnern" und hofft, Sendungen in Ballungsgebieten so schneller ausliefern zu können.