Ein deutscher Pazifist in türkischer Haft
18. Juli 2017Es klingt paradox: Peter Steudtners Beruf ist die gewaltfreie Lösung von Konflikten. Er war als Leiter eines Seminars zum Thema Informationsmanagement und Umgang mit Stress und Trauma in die Türkei gereist. Am 5. Juli, dem vierten Tag des Workshops, verhafteten türkische Polizisten alle zehn Teilnehmer. Für sechs von ihnen, darunter der Deutsche Peter Steudtner und die türkische Direktorin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International Idil Eser, ist nach zweiwöchiger Frist ohne Anklage Untersuchungshaft angeordnet worden. Der Vorwurf der türkischen Justiz lautet: "Unterstützung des Terrors". Peter Steudtner ist der zehnte Deutsche, der seit dem Putschversuch im vergangenen Jahr festgenommen wurde.
"Absurd", nennt die Lebensgefährtin von Peter Steudtner die Vorwürfe. "Es war kein politischer Workshop", betont Magdalena Freudenschuss gegenüber der DW. Sie könne sich nicht erklären, wie die Vorwürfe zustande kommen. Seit seiner Festnahme konnte Freudenschuss nur ein einziges Mal persönlich mit dem Vater ihrer beiden Kinder sprechen. Die Nachricht, dass Steudtner inhaftiert bleibt, hat sie tief getroffen. "Ich mache mir Sorgen. Auch weil ich nicht verstehe, wie das türkische Rechtssystem funktioniert."
"Peter ist Pazifist!"
"Als langjähriger Freund und Kollege von Peter Steudtner bin ich schockiert, dass der Vorwurf der Unterstützung bewaffneter Terrororganisationen aufrechterhalten und er nun in Untersuchungshaft überführt wurde", sagt Jochen Neumann, Geschäftsführer der Kurve Wustrow, einer Bildungsstätte, die sich als Teil der Friedensbewegung versteht. Dort ist Steudtner seit Jahren unter anderem Leiter eines dreiwöchigen Anti-Gewalt-Trainings für Menschenrechtsaktivisten. "Die Vorwürfe sind so absurd", sagt Neumann, "Peter ist ein Pazifist!" Er glaube an die Kraft der Gewaltfreiheit und lebe danach - privat und beruflich.
Steudtner hat viel Zeit in afrikanischen Ländern verbracht. In Mosambik hat er geholfen, Kindersoldaten in die Gesellschaft zu reintegrieren. Bevor er zur Kurve Wustrow in Niedersachsen kam, arbeitete er außerdem für den evangelischen Entwicklungsdienst Brot für die Welt. Mit der Türkei hat ihn wenig verbunden, zuletzt war er vor anderthalb Jahren dort - vor dem Putschversuch also.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan allerdings rückt Steudtner, den anderen Leiter des Workshops und die acht Teilnehmer in die Nähe der Putschisten vom 15. Juli 2016. Beim G20-Gipfel in Hamburg sprach Erdogan davon, die Versammlung habe in ihrem Charakter einer "Fortsetzung des 15.Juli" entsprochen.
Gemeinsam mit Steudtners Kollegen von der Kurve Wustrow hat seine Partnerin Magdalena Freudenschuss einen Krisenstab gegründet. Kurve-Wustrow-Geschäftsführer Jochen Neumann gibt die Hoffnung nicht auf: "Wir werden alles tun, um Peter und die neun anderen Menschenrechtsaktivisten frei zu bekommen."