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Petry: "Keine schnelle Lösung im Südsudan"

Eric Topona, Hilke Fischer16. Dezember 2014

Mitte Dezember 2013 markierte ein mutmaßlicher Putschversuch den Beginn des Bürgerkriegs im Südsudan. Ein Jahr später haben viele die Hoffnung auf Frieden verloren, sagt Entwicklungsexperte Martin Petry im DW-Interview.

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Südsudan Bentiu UN-Soldat Massaker
Bild: Reuters

DW: Herr Petry, vor einem Jahr begann nach einem angeblichen Putschversuch die Gewalt im Südsudan. Sie sind seitdem dreimal im Land gewesen, zuletzt im November. Was sind Ihre Eindrücke von vor Ort?

Martin Petry: Die Situation ist nach wie vor beunruhigend. Niemand weiß, wie es weitergehen wird. Auch in früheren Bürgerkriegen war es so, dass es die größten Schlachten und Zusammenstöße immer zwischen Dezember und April gab: Dann sind die Böden trocken, die Kämpfer können sich mit ihren Pick-ups bewegen - es ist einfacher, Krieg zu führen. Viele Menschen haben Angst, dass es in den kommenden Monaten wieder zu schweren Auseinandersetzungen kommen wird. Die Enttäuschung ist groß: Es gab so viele Bestrebungen, so viele Initiativen, so viele runde Tische und Gespräche. Jeder hatte gehofft, dass es eine Waffenruhe und dann auch irgendeine Form von Abkommen geben würde. Bislang ist das aber nicht erreicht worden. Viele Menschen haben die Hoffnung auf eine Verhandlungslösung inzwischen verloren.

Wie bewerten Sie die Bemühungen der Konfliktparteien, aber auch der internationalen Gemeinschaft, für eine Lösung des Konflikts?

Die Menschen im Südsudan wollen diesen Krieg nicht. Sie wollen, dass ihre Machthaber Frieden möglich machen. Das wissen die beiden Fraktionen auch ganz genau. Zusätzlich ist die internationale Gemeinschaft nach wie vor dabei, den Druck zu erhöhen, damit verhandelt wird. Es sind vor allem Initiativen von Ländern in der Region wie Tansania, Uganda, Kenia und Äthiopien, die versuchen, mit beiden Konfliktparteien ins Gespräch zu kommen. Aber offensichtlich gibt es wirklich schwer überbrückbare Gräben zwischen den Fraktionen.

Martin Petry Experte für Entwicklungshilfe EINSCHRÄNKUNG
Martin Petry, Berater von EntwicklungsorganisationenBild: Petry

Südsudans Präsident Salva Kiir ist Dinka, sein Kontrahent Riek Machar ist Nuer. Der Konflikt verläuft entlang dieser ethnischen Linien. Ist die Rivalität beider Völker der eigentliche Grund für die Auseinandersetzungen oder ist es ein politischer Konflikt?

Es ist auf jeden Fall ein Konflikt um Macht von mehreren starken Gruppen innerhalb der Regierungspartei SPLM. Zwischen den führenden Mitgliedern der Partei gab es auch in der Vergangenheit immer schon viele Konflikte und da ist vor einem Jahr ein Machtkampf ausgebrochen. Man weiß immer noch nicht genau, was am 15. Dezember 2013 passiert ist, dass es so eskaliert ist. Aber diese Eskalation hat bewirkt, dass es sehr viele Zusammenstöße zwischen Kämpfern der Nuer auf der einen und Kämpfern der Dinka auf der anderen Seite gegeben hat. Dadurch hat dieser Konflikt natürlich auch eine ethnische Note bekommen. Beide Seiten versuchen, ihre ethnischen Gruppen zu mobilisieren und ziehen auch andere Völker mit hinein.

Anfang November hatten die Konfliktparteien ein Waffenstillstandsabkommen ausgehandelt, wenige Tage später wurde es bereits wieder gebrochen. Glauben Sie, dass es bald eine Lösung in dem Konflikt geben wird?

Es wird keine schnelle Lösung geben. Und selbst wenn es in den nächsten Monaten zu einem Waffenstillstandsabkommen und später zu einer Art Friedensvertrag kommen wird, kann es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis diese Nation Frieden findet. Es geht jetzt nicht darum, ganz schnell ein Abkommen zu unterzeichnen, sondern es geht darum, wie man langfristig die Menschen im Südsudan dabei unterstützt, eine Nation zu werden, dass sie zusammen finden, dass sie einen Versöhnungsprozess beginnen. Für all diese Dinge gibt es Initiativen und die brauchen eine sehr langfristige Perspektive.

Südsudan - Abkommen
Präsident Salva Kiir (links), Kontrahent Riek Machar und ein geistlicher Vermittler: Versöhnungsversuche gibt es, schnelle Lösungen aber nichtBild: Reuters

Von daher ist es gar nicht unbedingt wünschenswert, dass es in den kommenden Wochen schnell zu einem Friedensabkommen kommt. Das Land braucht zunächst einen Waffenstillstand, damit es nicht zu weiteren Brutalitäten kommt und damit man Zeit hat, um zu verhandeln und ein tragfähiges Abkommen zu entwickeln. Nach so einem Abkommen braucht diese Nation auf jeden Fall einen längerfristigen Prozess, in dem sich die Menschen mit diesen Fragen auseinandersetzen müssen: Was verbindet uns als Nation, als Südsudanesen? Wie gehen wir mit den Brutalitäten der Vergangenheit um? Wie können wir Gerechtigkeit schaffen? Wie können wir einen Versöhnungsprozess voranbringen?

Martin Petry ist Berater für verschiedene Entwicklungshilfe-Organisationen. Im Südsudan arbeitet er regelmäßig für das niederländische katholische Hilfswerk Cordaid.

Das Interview führte Eric Topona.