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Pilotprojekt: Mit Corona-Test ins Theater

Elizabeth Grenier
22. März 2021

Kulturveranstalter wollen endlich wieder ihre Pforten öffnen. In Berlin soll ein Pilotprojekt helfen: Rein kommt nur, wer einen negativen Corona-Test hat.

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Publikum sitzt mit Masken im Berliner Ensemble.
Lachen unter Masken: Die Vorfreude aufs Theater ist trotzdem großBild: Annegret Hilse/Reuters/dpa/picture alliance

"Als ob man ins Berghain rein will - nur noch schlimmer", scherzen zwei junge Mädchen, die bei eisiger Kälte in der Schlange auf Einlass warten. "Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so aufgeregt bei einem Theaterbesuch", sagt ein Mann in sein Telefon.

Und ein älteres Ehepaar erzählt der DW, dass es schon Entzugserscheinungen hätte. Drei bis vier Mal im Monat hat das Paar kulturelle Veranstaltungen besucht - bevor die Pandemie kam. Es geht ihnen wie vielen Leuten, die an diesem Abend vor dem Berliner Ensemble Schlangen stehen: Ihr letzter Besuch eines Live-Events liegt ein Jahr zurück.

Längst schlittert Deutschland in die dritte Welle der Corona-Pandemie. Wie lange wird ein echter Theaterbesuch jetzt wohl noch möglich sein, bevor alles wieder dicht gemacht wird?

Menschenschlange vor dem Berliner Ensemble
Das Publikum wartet auf Einlass: Die meisten waren seit 12 Monaten nicht mehr im TheaterBild: Elizabeth Grenier/DW

Das mittlerweile ungewohnte Live-Event vor Publikum ist Teil eines Pilotprojekts in der deutschen Hauptstadt. Ziel ist es, die Theater und Konzerthallen wieder regelmäßig öffnen zu können - mit einem ausgeklügelten Sicherheitskonzept, um Ansteckungen mit dem Coronavirus zu vermeiden.

Den Anfang machte das Berliner Ensemble mit gleich zwei Aufführungen des autobiografischen Stücks "Panikherz" von Benjamin von Stuckrad-Barre, in dem es um dessen Drogenabhängigkeit geht. "Es ist schon komisch, dass sie zu diesem Anlass eine Geschichte gewählt haben, in der die Gesundheit auf dem Spiel steht", scherzt der Autor, der am Ende als Überraschungsgast auf die Bühne kam.

Einlassticket reicht nicht

Einen Theaterbesuch in Berlin musste man schon vor der Pandemie gut planen, wenn man ein Stück mit guten Kritiken sehen wollte. Die Tickets waren immer ratzfatz ausverkauft. Trotzdem konnte man auch spontan am Abend der Vorführung zum Theater gehen - in der Hoffnung, eine zurückgegebene oder nicht abgeholte Karte zu ergattern. 

Mit dem neuen Pandemie-Konzept wird das nicht mehr möglich sein. Denn jetzt muss jede Besucherin und jeder Besucher einen Corona-Schnelltest vorweisen, der nicht älter als zwölf Stunden ist. Den muss das Publikum dann zusammen mit dem personalisierten Ticket und den Personalausweisen beim Einlass vorzeigen.

Im Theater wird ein Hinweisschild aufgestellt. Besucher müssen neben dem Ticket einen negativen Corona-Test vorlegen.
Ticket und Test: Wer ins Theater will, muss einen negativen Corona-Test vorlegenBild: Annegret Hilse/Reuters/dpa/picture alliance

Aber auch diese Auflagen konnten den Enthusiasmus nicht schmälern, endlich mal wieder eine Live-Veranstaltung besuchen zu können. "Es gibt eine Sehnsucht nach Kultur", sagte Intendant Oliver Reese, bevor sich der Vorhang im Berliner Ensemble hob. Mit Blick auf die wenigstens zum Teil besetzten Zuschauerreihen sagt er: "Sie sind heute Abend der beste Beweis dafür, denn sie sind diejenigen, die in den ersten vier Minuten Karten gebucht haben. Danach war alles ausverkauft."

Wegen des vorgeschriebenen Mindestabstands war nur jeder zweite Platz besetzt, so dass gerade mal 350 Zuschauer kommen konnten. Auch die insgesamt 1000 verfügbaren Tickets für ein Konzert der Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko am nächsten Tag waren in Rekordzeit ausverkauft.

Neue Routine

Getestet zu werden, war kein Problem, sagten verschiedene Theaterbesucher vor der Veranstaltung. Einige hatten ihren Termin sogar so gelegt, dass sie auf dem Weg zum Theater in einem Testzentrum vorbeischauten. Als alle anderen schon hineingelassen waren, wartete ein Mann noch auf sein Ergebnis, das innerhalb einer halben Stunde nach dem Test über einen QR-Code abgerufen werden kann.

Noch vor nicht allzu langer Zeit war es manchmal schwierig und teuer, sich auf Corona testen zu lassen. Jetzt wird es für die Berliner immer mehr zur Routine: Seit dem 8. März können sie sich einmal pro Woche kostenlos einem Schnelltest unterziehen - und es wird sogar offiziell empfohlen, dies zu tun.

Eine Mitarbeiterin einer Corona-Teststation hält einen Schnelltest in der Hand.
Sicher ist sicher: Die Deutschen können sich einmal wöchentlich kostenlos testen lassenBild: Elizabeth Grenier/DW

Die dritte Welle

Die Pilotstudie startet, während in Deutschland die Zahl der Corona-Infizierten wieder rapide ansteigt. Die Veranstaltungsreihe zum Projekt ist zwar vorerst nicht abgesagt worden, aber die Anfang März geplante schrittweise Lockerung der Einschränkungen steht schon wieder auf der Kippe.

Der Plan sah ursprünglich vor, dass die Theater wieder öffnen dürfen, wenn die Neuinfektionsrate 14 Tage hintereinander unter 50 Neuinfektionen wöchentlich pro 100.000 Einwohner bleibt.

Für Theaterdirektor Oliver Reese ist dieser Plan, der alle an einer Show Beteiligten in Bereitschaft halten würde, nicht sehr realistisch. Das Ziel des Pilotprojekts ist es, besser vorausplanen zu können, während alle sicher bleiben, aber: "Wir können nicht von heute auf morgen einen Theaterplan erstellen", so Reese.

Auf Abstand gehalten: Künstler in Plastikblasen

Konzerthäuser und Theater haben mit ausgefeilten Hygienekonzepten kreativ auf die Krise reagiert, dennoch mussten ihre Programme im vergangenen Jahr mehrfach verworfen werden.

Verschiedene wissenschaftliche Studien haben herausgefunden, dass das Infektionsrisiko bei Veranstaltungen in gut belüfteten Räumen mit fester und distanzierter Bestuhlung - auch "Schachbrett"-Sitzanordnung genannt - sehr gering ist, erst recht, wenn alle Gäste während der Vorstellung eine medizinische Maske tragen und vor der Veranstaltung getestet werden.

Kritiker argumentieren, dass Menschen, die sich für eine Aufführung versammeln, automatisch ihre Kontakte erhöhen, unter anderem durch die Anreise zum Veranstaltungsort, wodurch das Risiko von Übertragungen steigt.

Doch es gibt noch andere Faktoren. "Wir müssen gesund durch diese Pandemie kommen, nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Und ich bin überzeugt, dass das Theater dafür ein sehr gutes Instrument sein kann", sagt Theaterdirektor Reese.

Der Saal des Berliner Ensembles ist halb gefüllt.
Sitzen im "Schachbrett": Das Publikum sitzt versetzt und mit Masken im TheatersaalBild: Annegret Hilse/Reuters/dpa/picture alliance

Herzhaftes Lachen

Live-Aufführungen bieten offensichtlich etwas, das Live-Streaming nicht ersetzen kann, und das stellen die Darstellerinnen und Darsteller des Berliner Ensembles wieder einmal unter Beweis.

In einer Szene des Stücks - einem Klassentreffen - beginnen zwei der Darsteller auf verschiedene Personen im Publikum zu zeigen und sie humorvoll als alte Klassenkameraden zu bezeichnen. Die anfänglichen Reaktionen sind zurückhaltend, wahrscheinlich auch wegen der Gesichtsmasken. Aber das Duo geht in den Improvisationsmodus über und treibt die Witze voran, bis es gelingt, dem Publikum herzhafte Lacher zu entlocken.

Einer der Schauspieler bricht sogar kurz aus seiner Rolle aus: "Oh Mann, es ist so schön, wieder im Theater zu sein!" Der Beifall ist groß.

Adaption aus dem Englischen: Suzanne Cords und Torsten Landsberg