Plastikflut: Lösen Müllfänger das Problem?
28. Oktober 2019"Die höchste Priorität zur Lösung ist die Vermeidung von Plastik", sagt Melanie Bergmann, Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Institut. Parallel dazu könne man über begleitende Maßnahmen wie die neuentwickelten Abfangvorrichtungen für Plastikmüll in Flüssen "nachdenken".
Die gemeinnützige niederländische Organisation "The Ocean Cleanup" hatte am Wochenende Abfangschiffe vorgestellt, die die Einleitung von Plastikmüll in die Weltmeere über Flüsse auf ein Minimum begrenzen sollen. Die ersten zwei Schiffe seien bereits in Indonesien und Malaysia im Einsatz, das dritte soll im Mekong-Delta in Vietnam, das vierte in der Dominikanischen Republik eingesetzt werden.
Die Pioniere verfolgen das Ziel, innerhalb der nächsten fünf Jahre an 1000 stark verschmutzten Flüssen der Welt diese Abfangvorrichtungen zu installieren und so die Plastikschwemme in die Weltmeere um rund 80 Prozent zu reduzieren.
Müllfänger lösen Grundprobleme nicht
Experten warnen vor Illusionen. Die Reduzierung von Plastikmüll mit technischen Hilfsmitteln in den Flüssen seien zwar hilfreich, die grundsätzlichen Probleme würden damit aber nicht gelöst. "Wir müssen Plastik vermeiden wo es nur geht. Plastik muss recycelt werden, und Plastik ist kein Wertstoff, den man rumliegen lässt. Aus diesem Grund brauchen wir Verbote von Einmalplastik und geschlossene Kreisläufe", sagt Nadja Ziebarth, Leiterin vom Meeresschutzbüro der Umweltorganisation BUND im Gespräch mit der DW.
Bergmann stimmt zu. Hilfreich wären Verbote in möglichst vielen Ländern, alternative Verpackungen, Pfandsysteme und das Recyling von sortenreinen Kunstoffen. "Freiwillige Selbstverpflichtungen funktionieren nicht", betont Bergmann. Politiker, die darauf setzten, "möchten eigentlich nichts ändern".
Derzeit seien zudem die verwendeten Kunstoffverpackungen ein großes Problem: "Durchsichtige Verpackungen können aus zwölf verschiedenen Kunststoffen bestehen. Solche Verpackungen sind für ein Recycling im Kreislauf unbrauchbar. Das können wir uns nicht mehr erlauben. Wir brauchen Kunststoffe, die wirklich recycelt werden können", sagt Melanie Bergmann.
Ein weiteres Problem seien dem Plastik zugefügte Zusatzstoffe wie Weichmacher, Pigmente oder Flammschutzmittel. Diese lösen sich zum Teil auf und gelangen in den menschlichen Körper. Ein Beispiel sei der Weichmacher Bisphenol A (BPA): "Die Forschung hat BPA im menschlichen Blut festgestellt, und es wird vermutet, dass dies zu erhöhten Raten von Brustkrebs führt und die männliche Fruchtbarkeit beeinträchtigt", so Bergmann.
Aus Plastik wird Mikroplastik
Die von Ocean Cleanup entwickelten Müllfänger an den Flussmündungen könnten zwar einen großen Teil des Plastikmülls aus den stark belasten Flüssen entfernen. Das Problem von Mikroplastik im Meer könnte so aber nur zum Teil reduziert werden.
Ein großer Teil von Mikroplastik entsteht vor allem durch den Abrieb von Reifen und Straßen, bei der Abfallbeseitigung und durch die Wäsche von Textilien mit Kunststofffasern. Als Staub wird dieser Abrieb durch Wind weltweit verteilt. Ein Teil des Plastikstaubs landet in den Böden, ein größerer Teil direkt oder über Flüsse in den Weltmeeren.
Laut einer Studie von Fraunhofer Umsicht werden durch den Abrieb von Plastik in Deutschland pro Person rund 5,4 Kilogramm Mikroplastik im Jahr freigesetzt und entsprechend verteilt. Die Fraunhofer-Forscher empfehlen zum Schutz von Mensch und Umwelt, die Belastung drastisch zu reduzieren, um 96 Prozent in Deutschland auf jährlich 200 Gramm.
Schutz durch Drosselung der Plastikproduktion
Die Experten sind sich einig: Mit weniger Plastik ließe sich die Belastung für Umwelt und Mensch reduzieren, zugleich wäre es praktischer Gesundheitsschutz. "Die Entlastung der Meere durch Müllfänger in den Flüssen ist besser als nichts, aber auch nicht die Lösung", fasst Zielbarth zusammen. Die grundsätzlichen Probleme durch Verwendung von Plastik würden damit aber nicht gelöst. Helfen würde vor allem eine weltweit starke Drosselung der Plastikproduktion.