Portugals Defizitziele in Gefahr?
20. Juni 2016Es will einfach nichts werden mit dem vielbeschworenen Aufschwung in Portugal: Die Staatsausgaben werden nicht wirklich weniger, die Einnahmen nicht wirklich mehr. Die Bank von Portugal warnt: Statt der erwarteten 1,8 Prozent wird die Wirtschaft bestenfalls 1,3 Prozent wachsen und jetzt brechen auch noch die Exporteinnahmen weg. Nur die Regierung und der Staatspräsident reden sich die Lage schön. "Die internationale Lage ist schlecht. Und wenn unsere Exportmärkte in der Krise stecken, können wir keine Wunder vollbringen", erklärte Marcelo Rebelo de Sousa kürzlich. Da rücken die der EU versprochenen Defizitziele in weite Ferne.
"Unsere bisher erfreuliche Handelsbilanz bricht ein, es wird eng für die Regierung", stellt Aurora Teixeira aus Porto fest. Obendrein trage auch die Abkehr von der früheren Sparpolitik zur Verschlechterung bei. Früher oder später - so befürchtet die Wirtschaftsprofessorin – könnte wieder eine Troika das Sagen haben. Die Anzeichen zumindest stehen auf Sturm: Die Zinsen für Portugal steigen wieder und ein wirtschaftlicher Aufschwung, der kommen sollte, weil die Portugiesen inzwischen wieder ein bisschen Geld mehr in der Tasche haben, lässt weiter auf sich warten.
Weltlage bremst Exporte
Einerseits hat Präsident Rebelo de Sousa natürlich Recht: Wegen der Krise in Angola, einem der portugiesischen Haupthandelspartner, sind die Exporte um fast die Hälfte eingebrochen. Weil China wackelt, fielen die Exporte dorthin - vor allem Autos, Wein sowie Olivenöl - sogar um 60 Prozent. Die leichten Zuwächse beim EU-Export konnten das bei weitem nicht ausgleichen, die Gesamtexporte sanken um 2,5 Prozent. Die Tendenz gehe weiter abwärts, warnt Aurora Teixeira: "Spanien und Frankreich, unsere Hauptabnehmer, werden auf absehbare Zeit wegen der Wirtschaftslage dort nicht zulegen, eher das Gegenteil ist zu erwarten."
Auch der demonstrativ zur Schau getragene Dauer-Optimismus des sozialistischen Regierungschefs António Costa kann über die Misere nicht hinwegtäuschen: Außer dem von Costa und den ihn im Parlament unterstützenden Linksparteien verkündeten Ende der Austerität hat sich in Portugal wenig getan: Neben Schuhen, Textilien und vor allem von Volkswagen im Land gebauten Autos hat das Land keine neuen attraktiven Exportgüter zu bieten, um Geld einzunehmen. Stattdessen wurde die 35-Stunden-Woche im Staatsdienst wieder eingeführt, werden frühere Lohnkürzungen zurückgenommen, gestrichene Feiertage wieder eingeführt. "Wir wissen nicht, wie Regierung das alles bezahlen will", gibt Aurora Teixeira zu bedenken.
Keine Verbesserung ohne Reformen
Die aber setzt weiter auf weniger sparen, auch weil sie die Unterstützung der Kommunisten und des Linksblocks im Parlament braucht. Sie hofft auf ausländische Investoren und dadurch wachsende Exporte. Finanzminister Mário Centeno versuchte erst kürzlich wieder, denen den Standort Portugal anzudienen: Die Portugiesen hätten die längsten Arbeitszeiten Europas und kosteten nur ein Drittel von französischen Arbeitskräften.
Die Wirtschaftsspezialistin Aurora Teixeira jedoch glaubt, das diese Rechnung nicht aufgehen wird: "Ohne tiefgreifende Reformen und Kürzungen werden wir unseren Haushalt nie in Ordnung bringen." Das angestrebte Schuldendefizit von 2,2 Prozent, an dem die Regierung offiziell noch immer fest hält, dürfte also nicht mehr zu erreichen sein. Die Bank von Portugal spricht inzwischen von 2,7 Prozent - zumindest ein Wert, der noch unter der EU-Obergrenze von drei Prozent liegt. Ein Wert auch, der Marcelo Relebo de Sousa noch nicht die gute Laune verdirbt: Das wäre immer noch das beste Ergebnis seit vielen, vielen Jahren, scherzte der Präsident, als er die neuen Prognosen hörte.