Pro und Kontra Kongo-Mission
10. Juli 2006Rund 2000 europäische Soldaten, davon 780 Deutsche, werden die bevorstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Demokratischen Republik Kongo absichern. Regierungsbeamte sehen die Stationierung der Mission als ein wichtiges Bestreben zur Gewährleistung des Friedens an. Trotzdem ist der Kongo-Einsatz für die meisten Experte eine rein symbolische Geste.
"12.000 Schulen oder 1400 Krankenhäuser - das ist, was man in der Demokratischen Republik Kongo mit dem 56 Millionen Euro (71,4 Millionen Dollar) bauen könnte, die Deutschland zur Absicherung des Wahlprozesses ausgibt", meint Rupert Neudeck, der Gründer des Wohlfahrtsverbandes Cap Anamur.
Zum Schutz der Wahlbeobachter
"Die internationale Gemeinschaft gibt nur vor, in dem Kongo tätig zu sein", schrieb Neudeck für die Süddeutsche Zeitung. "Als die UN um Truppen baten, waren sie nicht um die Kongolesen besorgt, sondern um internationale Wahlbeobachter, die das Land verlassen wollen, falls es während und nach den Wahlen zu Unruhen kommt." Deshalb sei auch die Bundeswehr da.
Rolf Hofmeier ist einer von 250 europäischen Wahlbeobachtern und kann im Fall von Unruhen und Ausschreitungen von der Präsenz der deutsche Truppen profitieren. Der Kongo-Experte und ehemaliger Direktor des Instituts für Afrikanische Studien in Hamburg schätzt seinen anstehenden Vier-Wochen-Besuch in Afrika zur Überwachung der Wahlen am 30. Juli als länger und riskanter als frühere Einsätze als Wahlbeobachter in Kenia und Burundi.
Hofmeier stimmt Neudeck zu: Die Kosten für die EU-Mission im Kongo seien immens. Im Vergleich zu den annähernd 500 Millionen Euro, die die internationale Gemeinschaft in die Ermöglichung und Vorbereitung der Wahlen investiert hat, sei die Summe aber gar nicht so groß.
Das kleinere Übel?
"Wenn man es so sieht, ist der militärische Einsatz einfach ein ergänzenden Aspekt", sagt Hofmeier. Er sehe die Mission als das kleinere von zwei Übeln - die Alternative wäre kein Einsatz von friedenserhaltenden Truppen, die die Wahlen In der Hauptstadt Kinshasa in den westlichen Teilen des Landes absichern.
Die deutsche Beteiligung und vor allem das Hauptquartier der Mission in Potsdam seien ein bisschen mehr als eine symbolische Geste gegenüber der französischen Regierung, die mit einem unilateralen Engagement in Afrika keinen Verdacht wecken wollte.
"Natürlich ist niemand von dem Einsatz begeistert. Aber wir haben jetzt die Rolle übernommen und wir müssen sie akzeptieren", sagte Hofmeier. Mit weniger als der Hälfte der 2000 einsatzbereiten EU-Soldaten und einem Großteil der deutschen Truppen, die im benachbarten Gabun stationiert sind, sei es unwahrscheinlich, dass die Truppen imstande seien, in der Sieben-Millionen-Stadt Kinshasa etwas zu bewegen und zu erreichen.
Strikte Neutralität?
Europäische Soldaten haben schon berichtet, dass die Einheimischen ein ausländerfeindliches Verhalten gezeigt hätten. "Zahlreiche Stimmen, die die Neutralität der Ausländer in Frage stellen, spitzen die Situation zu. Sie behaupten, dass die Mission nur den Sieg von Josef Kabila sichern soll", sagt Hofmeier. Die Deutschen stehen den Wahlen neutral gegenüber, während die Franzosen, die Belgier und die USA Interesse daran hätten, dass Kabila siegt.
Kein Scheitern akzeptieren
Denis M. Tull, Kongo-Expert am Deutschen Institut für internationale und Sicherheitsangelegenheiten in Berlin und unabhängiger Berater des Deutschen Parlaments und der Regierung, gibt zu, dass die begrenzten Möglichkeiten der Mission eine Schwachstellen darstellt. Tull fügt aber hinzu, dass er in der Mission mehr als nur rein symbolische Geste der EU sieht. "Es ist ein starkes Signal, dass die internationale Gemeinschaft kein Scheitern der Wahlen akzeptieren will", sagt Tull. Relativ kleine bewaffnete europäische Einheiten könnten effektiv handeln und Milizen zurückhalten.
Jason Stearns, ein in Kenia ansässiger Kongo-Experte der Organisation "International Crisis Group", sagt, dass der Einsatz von militärischen Truppen nicht die beste Lösung für städtische Konflikte wie Randalen, Demonstrationen und gezielte Attentate seien, die es in Kinshasa geben könnte.
"Das ist Aufgabe der Polizei", sagt Stearns, der von 2002 bis 2004 für die UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo gearbeitet hat. "Wozu dienen einsatzbereite Truppen, wenn sie keine Erfahrung mit städtischen Unruhen haben?"
Länger als versprochen
Stearns bestätigt, dass die EU-Soldaten eine entscheidende Rolle spielen können, falls es zu Putschversuchen oder Militäraufständen kommen sollte, besonders im unwahrscheinlichen Fall, dass Kabila die Wahlen verliert.
Hofmeier sagt, dass er bereit wäre, ein zweites Mal in den Kongo zu gehen, um die Wahlen zu überwachen. Und während deutsche Regierungsbeamte einschließlich Verteidigungsminister Franz Josef Jung weiter behaupten, dass die Truppen in vier Monaten zurückkehren würden, ist die Entscheidung des Bundestages, den Zeitraum der Mission zu begrenzen, von keinerlei Bedeutung, falls die Situation eskaliert und eine längere Präsenz der europäischen Truppen erforderlich ist. "Jeder stellt sich darauf ein, länger zu bleiben", sagt Hofmeier.