Rosa von Praunheims neuer Film
14. Januar 2015"Manche bezeichnen mich als den beliebtesten und manche als den unbeliebtesten schwulen Filmregisseur Deutschlands. Und dafür habe ich eine ganze Menge getan", heißt es auf der Homepage von Rosa von Praunheim. Auf jeden Fall dürfte er der fleißigste sein. Auf rund 80 Filme kommen seine Biografen, der Regisseur selbst listete schon einmal 140 eigene Werke auf und hat dabei wohl auch jene im Sinn, bei denen er nur vor den Kameras stand. Genau weiß das wahrscheinlich niemand mehr bei all den Spiel-und Dokumentarfilmen, bei Kurzbeiträgen fürs Fernsehen, den zahlreichen auf Video produzierten Werken.
Autobiografie und Dokument
Und Rosa von Praunheim ist ja auch viel mehr als ein Filmregisseur, der "nur" Filme über die Situation der Homosexuellen in Deutschland gedreht hat. "Praunheim Memoires" heißt ein Dokumentarfilm, der nach verschiedenen Festivalaufführungen im vergangenen Jahr nun regulär in den deutschen Kinos läuft. Es ist einer jener Filme, die typisch sind für den Regisseur, der Autobiografisches mit öffentlichem Leben verbindet, der mit nicht allzu großem Budget entstand, der zeigt, wie dieser Filmemacher einerseits verwurzelt ist in seiner Heimat, andererseits losgelöst von aller Provinzialität lebt.
"Praunheim Memoires" ist ein Film über ebenjenen Stadtteil Praunheim im Nordwesten Frankfurts, in den er im Alter von zwölf Jahren mit seinen Eltern zieht, dort entscheidende Jugendjahre verbringt - und den er später zu seinem Künstlernamen macht. Dass er eigentlich Holger Mischwitzky heißt, 1942 in Riga als Sohn einer kurz nach dem Krieg in der Psychiatrie verstorbenen Frau das Licht der Welt erblickte, in den Kriegswirren adoptiert wurde und mit seinen neuen Eltern nach Berlin ging - auch dieses schwierige Kapitel hat er filmisch aufgearbeitet.
Jugend im Frankfurter Viertel
Nun also der Rückblick auf die Jugend in Praunheim, dem Frankfurter Stadtteil, der sich einen Teil von Provinz-Atmosphäre und Vorort-Charme erhalten hat. Der Zuschauer begleitet den Filmemacher bei dessen ganz persönlichem Streifzug durch die Straßen von einst. Rosa von Praunheim spricht mit den Menschen, die heute im Haus der Eltern wohnen, trifft ältere Praunheimer, die sich erinnern an die Zeiten von damals. Menschen, die irgendwie stolz darauf sind, dass dieser ihnen eigentlich so fremde Regisseur, dessen schrille und tabubrechende Filme sie kaum kennen dürften, den Namen ihres Stadtteils so berühmt gemacht hat.
"Praunheim Memoires" ordnet sich ein in das Werk dieses rastlosen Filmemachers, der unermüdlich seit fast 45 Jahren ein ganz eigenes Bild der Bundesrepublik auf Video und Zelluloid gezeichnet hat, mit dem sich heute Studenten an Filmhochschulen beschäftigen und über das Bücher geschrieben werden. So wie es der Journalist und Filmemacher Julius Pöhnert mit dem gerade erschienenen Band "Provokation in Rosa - Typen, Tunten, Charaktere" getan hat.
Pöhnert sagt im Gespräch mit der Deutschen Welle, für Rosa von Praunheim sei Kino immer gleichbedeutend mit seinem Leben gewesen: "Film ist für ihn auch ein Überlebensmittel, er kann eigentlich gar nicht leben ohne Filme zu machen und auch deshalb hat er so viele Filme gedreht und gestaltet."
"Neben dem Thema Homosexualität habe ich Filme in und über New York gemacht und Filme mit älteren vitalen Frauen. Ich habe einige Filme über Aids gemacht und mich persönlich in der Aids-Krise fast zehn Jahre für Prävention engagiert", so fasst der Regisseur selbst die Themen seines Oeuvres zusammen. Ursprünglich wollte von Praunheim gar nicht Filmemacher werden, der junge Mann malte viel, inszenierte am Theater. Der Film war nur eine unter mehreren künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten.
Kino, Kunst und Öffentlichkeit
Doch er hat schnell gemerkt, dass er gerade mit diesem Medium zwei Dinge am besten verwirklichen konnte, die ihm am Herzen lagen. Zum einen die Möglichkeit, mit dem Kino und dem Fernsehen ein großes Publikum zu erreichen. Zum anderen das eigene Ich möglichst direkt und unmittelbar zu inszenieren und anderen mitzuteilen. Praunheim habe erkannt, dass der Film das Ausdrucksmedium sei, mit dem er die meisten Personen erreichen kann. Auch sei der Film das geeignete Medium für von Praunheim, verschiedene Arten von Kunst unter einen Hut zu bringen, so Pöhnert: "Der Film ist am besten geeignet, um sein Leben und seine Meinung publik zu machen, auch die Themen, für die er kämpft."
Ist Rosa von Praunheim mit diesem Hang, alles, selbst das Privateste, öffentlich zu machen, nicht auch ein Vorreiter der Generation YouTube und Facebook? In einer gewissen Weise sei er das, sagt Pöhnert, aber: "Natürlich ist es bei Rosa von Praunheim eine ganz andere Qualität, es ist nicht das rein Banale, das er ausstellt." Praunheim habe ja immer interessante Charaktere und Menschen gefunden, die er beobachtet habe mit seiner Kamera. "Seine Sujets sind sehr sorgfältig ausgewählt." Das könne man bei YouTube ja nicht unbedingt in dieser Breite behaupten.
Die rohe Form als Ausdrucksmittel
So ist es in erster Linie die Form, die in ihrer Ungeschliffenheit, mit ihrer unfertigen Ästhetik an die im weltweiten Netz abrufbaren Beiträge erinnert. Die Sujets, Homosexualität und Aids, starke Frauenpersönlichkeiten, auch Nationalsozialismus und immer wieder die Stadt New York zeugen dagegen von einer ganz spezifischen originären Künstlerpersönlichkeit. So wie "Praunheim Memoires", der über ein ganz normales Stadtviertel in einer deutschen Großstadt berichtet, dieses aber aus dem Blickwinkel einer einzigartigen Künstlerpersönlichkeit tut.
Julius Pöhnert: Provokation in Rosa - Typen, Tunten, Charaktere in Rosa von Praunheims Filmen, Mühlbeyer Filmbuchverlag, Frankenthal 2014, 210 Seiten, ISBN: 978-3-945378-12-0.