Kriegsverbrecherprozess gegen Ultranationalisten
4. Mai 2011Der Prozess gegen den Freischärlerführer Vojislav Seselj läuft nun mehr als acht Jahre. Immer wieder wurde dieser Prozess wegen Eskapaden des Angeklagten oder aus formalrechtlichen Gründen unterbrochen. Jedenfalls hat es Seselj, der Begründer und Vorsitzende der größten oppositionellen Serbischen Radikalen Partei, immer wieder geschafft, sich in den Vordergrund zu spielen und das Tribunal für nationalistische Hassreden zu missbrauchen. Den Antrag das Verfahren einzustellen, hat Seselj selbst eingereicht. Seselj begründete den Antrag darauf, dass die Ankläger seine Schuld in dem Beweisaufnahmeverfahren nicht bewiesen hätten. Dem zufolge müssten alle Anklagepunkte gegen ihn fallengelassen und er freigesprochen werden. Angeklagt ist der Freischärlerführer wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Nicht-Serben in Kroatien, Bosnien und Serbien während der Kriege in den 1990ern. Darüber hinaus forderte Seselj zehn Millionen Euro Schadenersatz für die acht Jahre in Untersuchungshaft.
Szene frei für Hatzreden
Die Anklage gegen Seselj wurde am 14. Februar 2003 erhoben. Zehn Tage danach stellte er sich freiwillig dem UN-Tribunal in Den Haag. Doch der Prozessauftakt verzögerte sich, weil der Angeklagte darauf bestand sich selbst zu verteidigen. Das Tribunal stellte ihm indes einen Pflichtverteidiger zur Seite. Die Anklage wurde am 27. November 2006 schließlich ohne den Angeklagten verlesen, weil er im Hungerstreik war und sich weigerte vor Gericht zu erscheinen, wenn er sich nicht selbst verteidigen dürfe. Das UN-Kriegsverbrechertribunal gab dem Begehren des Angeklagten nach. Ein Jahr später verlasen die Richter erneut die Anklagepunkte. Am 11. Dezember des gleichen Jahres wurde das Beweisaufnahmeverfahren aufgenommen. Unmittelbar vor dem Abschluss der Beweisaufnahme der Ankläger, am 11. Februar 2009, wurde die Verhandlung erneut vertagt. Diesmal seitens der Ankläger, weil Seselj über seine Rechtsberater Zeugen eingeschüchtert habe. Während des Prozesses machte Seselj immer wieder von sich reden, weil er Zeugenbefragungen dazu nutzte, rechtsradikale Ideen wie die eines Großserbien zu propagieren. Zudem beleidigte er häufig sowohl Zeugen als auch die Ankläger und sogar Richter aufs Gröbste.
Kein Ende in Sicht
Die Richter haben am Mittwoch (4.5.) den Antrag des Angeklagten, das Verfahren aus mangels an Beweisen einzustellen, zurückgewiesen. Nun wird das Beweisaufnahmeverfahren von der Verteidigung fortgesetzt und somit Seseljs Untersuchungshaft um mindestens weitere zwei Jahre verlängert. Nach dem erstinstanzlichen Urteil haben die Parteien das Recht auf Widerspruch. Doch dieses Verfahren wird wohl kaum beendet werden, bevor das UN-Tribunal seine Arbeit 2014 abschließt.
Zur Erinnerung: In den 15 Jahren Tätigkeit des UN-Jugoslawientribunals ist keinem Antrag auf Freispruch in mitten eines Prozesses entsprochen worden.
Autoren: Dzevad Sabljakovic / Mirjana Dikic
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