Vjosa Osmani: Präsidentin mit Prinzipien
16. September 2021Geboren wurde Vjosa Osmani am 17.05.1982 in Mitrovica als Kind Kosovo-albanischer Eltern. Damals gehörte die Stadt am Fluss Ibar wie ganz Kosovo noch zu Jugoslawien. Noch vor Ende des Vielvölkerstaates 1991 errichteten serbische Nationalisten unter Führung von Slobodan Milosevic in Kosovo ein Apartheidsregime, in dem die albanische Mehrheitsbevölkerung unterdrückt wurde.
Den Krieg 1999, der die serbische Herrschaft in Kosovo beendete, erlebte Vjosa Osmani als Teenager. Nach dem Ende der Kämpfe übernahm die UN die Verwaltung des Landes. Die junge Frau zog in die Hauptstadt Pristina, um Rechtswissenschaften zu studieren. Im Jahr 2005 schloss sie ihr Studium mit einem Mastertitel an der Universität von Pittsburgh in den USA ab, wo sie zehn Jahre später auch promovierte. Thema ihrer Doktorarbeit: Das UN-Recht und der Status Kosovos.
Zudem engagierte sich Vjosa Osmani früh als Aktivistin der Partei Demokratische Liga Kosovos (LDK). Im August 2009 wurde sie Stabschefin des damaligen Präsidenten Fatmir Sejdiu, des Nachfolgers des 2006 verstorbenen ersten Präsident Kosovos, Ibrahim Rugova. Der Intellektuelle und Schriftsteller wurde im Mai 1992 bei Untergrund-Wahlen zum Präsidenten der von unterdrückten Albanerinnen und Albanern ausgerufenen Republik gewählt. Rugova wird aufgrund seines prinzipiell gewaltlosen Widerstandes als "Gandhi des Balkans" bezeichnet.
Die studierte Juristin beriet Präsident Sejdu nicht nur in rechtlichen, sondern auch in außenpolitischen Fragen. Sie brachte das Unterfangen ihres politisches Vorbilds Rugova - die Unabhängigkeit Kosovos von Serbien - zu einem erfolgreichen Abschluss, indem sie in einem Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Rechtmäßigkeit der Unabhängigkeit ihres Landes erfolgreich verteidigte.
Konflikt mit der alten Garde
Je länger die LDK und andere kosovarische Nachkriegsparteien mit Helden aus dem Krieg 1999 an der Spitze an der Macht waren, umso mehr Kritik an Korruption und Nepotismus kam aus der Bevölkerung. Vjosa Osmani schloss sich dieser Kritik an. Ihr politischer Berater Vehbi Miftari sagt: "Sie hat viele politische Auseinandersetzungen erlebt, sowohl innerparteilich, als auch mit anderen Parteien. Dabei hat sie immer Rugovas Grundsätze eingehalten und eine hohe Belastbarkeit und Verlässlichkeit bewiesen."
Der Konflikt mit der alten Garde der LDK war nur eine Frage der Zeit. 2014 kritisierte Osmani zum ersten Mal öffentlich ihren damaligen Parteichef Isa Mustafa. Sie konnte es sich leisten: Bei der Parlamentswahl, die kurz zuvor stattgefunden hatten, erreichte sie mit 39.911 Stimmen die höchste Zustimmung aller Bewerber im 1,8-Millionen-Einwohnerstaat Kosovo.
Kampf gegen Korruption
Bei der Wahl 2019 stellte die LDK Osmani als Kandidatin für das Amt der Premierministerin auf. Im Wahlkampf punkte sie vor allem mit den Themen Kampf gegen Korruption und Wirtschaftsreformen - verlor die Abstimmung jedoch gegen den Vorsitzenden der linken Anti-Establishment-Partei Selbstbestimmung (Vetevendosja), Albin Kurti.
Angesichts des Wahlerfolges von Vetevendosja kritisierte Vjosa Osmani ihren Parteivorsitzenden erneut öffentlich - und widersetzte sich dessen Entscheidung, eine Koalition mit Kurtis Partei scheitern zu lassen. Daraufhin wurde sie als stellvertretende LDK-Vorsitzende abgesetzt und trat aus ihrer Partei aus.
Die Präsidentin
Aufgrund der vielen Stimmen, die Osmani bei der Wahl erhalten hatte, war sie bereits zuvor zur Sprecherin des Parlamentes von Kosovo gewählt worden. Wer diese Position inne hat, vertritt laut Verfassung den Staatspräsidenten bei Abwesenheit. Als das Kosovo-Sondertribunal in Den Haag im November 2020 Anklage gegen den damaligen Amtsinhaber, Hashim Thaci, erhob, trat dieser zurück. Damit war Vjosa Osmani amtierendes Staatsoberhaupt.
Nachdem die erste Regierung Kurti nach nur 50 Tagen gescheitert war, setzte Präsidentin Osmani eine Neuwahlen für den 14.02.2021 an. Sie trat mit einer eigenen Initiative namens "Guxo" (Trau dich!) an. Insbesondere beim Thema Kampf gegen die Korruption sympathisierte Osmani bereits im Wahlkampf klar mit Kurtis Vetevendosja.
Beide Parteien errangen erdrutschartige Siege. Osmanis Ex-Partei LDK verlor bei der Wahl die Hälfte ihrer Parlamentsmandate. Parteichef Mustafa trat von seinem Amt zurück. Seit dem 22.03.2021 gestaltet Guxo zusammen mit Vetevendosja die Politik in Kosovo. Premierminister ist Albin Kurti. Vjosa Osmani wurde am 4.04.2021 zum fünften Staatsoberhaupt Kosovos gewählt.