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Riga: Kaum Perspektiven

Barbara Wesel, z.Zt. Riga22. Mai 2015

Das Gipfeltreffen in Riga sollte die Position der EU zu den sechs Ländern am östlichen Rand Europas neu definieren. Doch die Erwartungen wurden enttäuscht. Aus Riga berichtet Barbara Wesel.

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Gruppenbild EU-Gipfel in Riga (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/J. Skarzynski

Die kleine Gruppe von Demonstranten vor dem Gipfelgebäude in Riga hält die blaue Europaflagge in die Kameras der angereisten Presse. "Wir wollen Reisefreiheit" und "Ukraine = Europa" ist auf Schildern zu lesen, die sie hoch halten. "Die Ukraine ist doch ein Teil Europas", sagt Nikolaj Pavlyuk von der Vereinigung der in Lettland lebenden Ukrainer. Die Ukraine müsse so schnell wie möglich Mitglied in der EU werden. "Wir müssen uns Russland entgegenstellen und keine Angst haben", fordert er. Präsident Petro Poroschenko nimmt sich ein paar Minuten Zeit, um mit den Demonstranten zu sprechen. Ihre Forderungen liegen ganz auf seiner Linie.

Kaum Zusagen für die Ukraine

Der Vorsitzende des Europäischen Rates macht am Ende des Treffens deutlich, warum er die Ukraine hier enttäuschen muss. "Wir müssen ganz klar sein in unseren Versprechen", erklärte Donald Tusk. Das Ostpartnerschaftsprogramm sei nicht automatisch ein Weg in die EU. So wird das Wort "Beitrittsperspektive" in der Gipfelerklärung nicht einmal erwähnt. Es gehe lediglich um die "Ambitionen und Wünsche" für eine europäische Annäherung im jeweiligen Tempo der östlichen Partnerländer. In der Abschlusserklärung macht die EU deutlich, dass die ehemals kommunistischen Länder erst Reformen umsetzen müssen, bevor sie sich für eine Aufnahme qualifizieren können. "Angesichts der geopolitischen Situation in der Region ist dies das Maximum dessen, was wir erreichen konnten", erklärt Tusk.

Zu den wenigen konkreten Ergebnissen gehört ein weiteres mittelfristiges Darlehen von 1,8 Milliarden Euro für die Ukraine. Das Land steht am Rande des Staatsbankrotts und braucht dringend Geld. Die EU-Regierungschefs wollten weder die Georgier noch die Ukrainer politisch mit ganz leeren Händen nach Hause schicken: Daher prüft die Die EU-Kommission Ende des Jahres erneut, ob sie die Voraussetzungen für die Einführung des visafreien Reiseverkehrs erfüllen. Der könnte dann Anfang 2016 in Kraft treten und würde eine konkrete Erleichterung für die Bürger beider Länder bringen.

Angela Merkel mit Alexis Tsipras beim EU-Gipfel in Riga (Foto: AFP)
Unterschiedliche Ansichten: EU und GriechenlandBild: Getty Images/AFP/A. Jocard

Streit um Kritik an Russland

Bis zum Gipfel-Ende herrschte allerdings Uneinigkeit über die Kritik an Russland in der gemeinsamen Erklärung. Die EU erinnert in ihrem Kommuniqué an die Verurteilung der "illegalen Annexion der Krim und von Sewastopol". Zunächst wollten weder Armenien noch Weißrussland den Text mittragen, am Ende blockierte Aserbaidschan. Der Kompromiss ist eine diplomatische Formulierung: Bei genauerer Betrachtung werden die Länder nicht eindeutig an der Kritik an Moskaus Politik miteinbezogen - ein Triumph der Konsensbildung auf Kosten der politischen Substanz. Erhalten blieb zumindest das Bekenntnis zur territorialen Integrität der östlichen Nachbarländer.

Gipfel der Zweckentfremdung

Die griechische Dauerkrise zog einmal mehr alle Aufmerksamkeit auf sich. Am Rande des Gipfels kam es auch zum Krisentreffen mit Griechenlands Premier. Aber nach über zwei Stunden ging man auseinander, ohne konkrete Fortschritte. "Vor einer Einigung gibt es noch eine ganze Menge zu tun", dämpfte Angela Merkel schließlich die Erwartungen. Auch dieser neue Versuch endete, wie bisher jede Gesprächsrunde: Die griechische Seite behauptet, man sei einer Lösung diese Mal wirklich ganz nahe - und die EU dementiert. Unterdessen malte der Regierungssprecher in Athen einmal mehr das Gespenst der Zahlungsunfähigkeit an die Wand. Aber das Rätselraten geht weiter, auch Riga brachte keine Klärung. Ein neues Sondertreffen der Eurogruppe Anfang Juni gilt als wahrscheinlich, bevor Griechenland am 5. Juni eine weitere Rückzahlung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) leisten muss.

Auch Cameron nutzt Gipfel als Bühne

Der britische Premier David Cameron kam einen Tag zu spät und funktionierte den Gipfel gleich für seine Zwecke um. Er nutze das Treffen, um erste Gespräche über die von ihm geforderte EU-Reform zu führen und thematisierte die geforderten Ausnahmeregeln vor dem geplanten Referendum 2017.

London wolle einen besseren Deal im Verhältnis zu Europa. “Die Gespräche werden nicht leicht werden“, warnte der Premier. Er fand allerdings wenig Gehör: "Das war hier nicht Thema", beschied ihn der französische Präsident kurz. Und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker scherzte: "Nächste Woche bin ich nach Chequers (Anmerkung d. Redaktion: Gästehaus der Regierung) eingeladen, da werde ich dann mit David Cameron meditieren."

Im Laufe der kommenden Woche wird der britische Premier auch in Paris und Berlin erwartet, wo er seine Ideen über das britische Verhältnis zur EU vorstellen wird.