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Rittner: "Neuer Anlauf zum großen Ziel"

Andreas Sten-Ziemons18. April 2015

Die deutschen Tennis-Damen kämpfen in Russland um den Finaleinzug im Fed-Cup. Im DW-Interview spricht Teamchefin Barbara Rittner über Erwartungen, ihre Damen und darüber, was sie manchmal traurig macht.

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Tennis Fed Cup - Deutschland - Australien
Bild: picture-alliance/dpa/B. Weißbrod

DW: Barbara Rittner, haben Sie sich darüber gefreut, dass Maria Scharapowa für die Russinnen nicht spielen kann?

Barbara Rittner: Auf der einen Seite steigen natürlich vermeintlich unsere Chancen, denn natürlich sind die Russinnen ohne die Nummer zwei der Welt vermeintlich schwächer besetzt. Nichtsdestotrotz haben die Russinnen starke Spielerinnen, vor allem Swetlana Kusnezowa und Anastasia Pawljutschenkowa [Anm. d. Red.: Nummer 24 und 38 der Weltrangliste]. Natürlich haben die hier vor heimischem Publikum eine Jetzt-erst-recht-Einstellung. Allerdings: Wenn wir uns selber gut vorbereiten und unser bestes Tennis spielen, sind wir wieder in der Favoritenrolle. Und wenn wir das Halbfinale am Ende gewinnen, ist es mir aber egal, gegen wen. Wir wollen einfach das Finale erreichen.

Wie hilfreich ist ein Turniersieg wie der von Angelique Kerber kurz vor dem Fed-Cup?

Normalerweise hilft so ein Turniersieg ungemein - für das Selbstvertrauen von Angelique sowieso, die eine schwierige Phase überstanden hat - und meistens überträgt sich so etwas auch auf das ganze Team. Jetzt ist es aber so, dass dieser Sieg am Sonntag in Charleston in den USA war und Angelique anschließend um die halbe Welt gereist ist. Sie ist sehr müde und kaputt mitten in der Nacht zu Mittwoch in Sotschi angekommen. Dazu fehlte auch noch ihr Gepäck. Also, wir hatten mit einigen Widrigkeiten zu kämpfen. Deswegen bin ich froh, dass Sabine Lisicki und Julia Görges schon ein bisschen länger hier sind und sich mit der Zeitumstellung auseinandersetzen konnten.

Tennis ist eher eine Einzelsportart, in der Eigenschaften wie Ehrgeiz, Durchsetzungsvermögen und auch ein Maß an Egoismus hilfreich sind, wenn man etwas erreichen möchte. Beim Fed Cup tritt man aber als Mannschaft an. Wie erleben Sie es: Sind ihre Spielerinnen eher eine Zweckgemeinschaft oder - übertrieben formuliert - vier Freundinnen, die gemeinsam Sport treiben und ein großes Ziel verfolgen?

Vier Freundinnen, das wäre illusorisch. Sie sind untereinander schon auf eine Art befreundet und kommen gut miteinander klar. Aber es ist natürlich schon eine Zweckgemeinschaft. Wir haben alle das gleiche große Ziel: Wir wollen zeigen, welche Qualität in diesem Team steckt. Wir haben vier tolle Spielerinnen am Start und sind als Team auch zusammengewachsen. Ich betreue diese Spielerinnen seit ihrer späten Jugend. Ich bin Bundestrainerin geworden, als sie 15 oder 16 Jahre alt waren. Seitdem begleite ich die Spielerinnen, die alle schon seit einigen Jahren im Fed Cup spielen. Wir haben gemeinsam einige Krisen überstanden, sind abgestiegen und wieder aufgestiegen, waren im vergangenen Jahr im Finale. Es tat weh, dass wir dort verloren haben, weil wir nicht unsere beste Leistung gebracht haben. Jetzt ist es ein neuer Anlauf auf das gemeinsame große Ziel. Da muss jeder auch ein bisschen zurückstecken, seinen Egoismus hintenan stellen und für die Mannschaft denken. Ganz wichtig ist, dass die beiden, die erst mal nicht spielen, die anderen, die auf dem Platz stehen, total unterstützen. Das war bisher unsere große Stärke.

Tennis Fed Cup - deutsche Tennis-Damen posieren mit deutscher Fahne (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)
Rittner (r.) und ihr Team: Julia Görges, Sabine Lisicki, Andrea Petkovic und Angelique Kerber (v.l.n.r.)Bild: picture-alliance/dpa/B. Weißbrod

Wie sehen Sie Ihre Rolle gegenüber den Spielerinnen?

Ich bin das ganze Jahr über eine Art Beraterin im Hintergrund. Also jemand, der jeder einzelnen Spielerin versucht, von außen Ratschläge zu geben - was sie dann damit machen, ist ihnen überlassen. Hier beim Fed Cup bin ich auch eine Art Teammanagerin, die aus den Individualistinnen ein Team bildet, das in den vergangenen Jahren zusammenwachsen ist. Gleichzeitig bin ich jemand, bei dem sich die Spielerinnen auch mal ausheulen oder mit dem sie Klartext reden können. Wir haben ein großes Vertrauensverhältnis untereinander. Man sagt sich auch mal die Meinung. Ich bin immer offen für Kritik und sage: "Kritisiert mich! Ich mache auch Fehler." Man muss einfach offen und respektvoll miteinander umgehen. Bisher klappt das ganz gut.

Sind Sie auch Fan ihrer Spielerinnen?

Ja, oft bin ich auch Fan. Wenn ich beispielsweise zurückdenke an ein Match zwischen Julia Görges und Sabine Lisicki in Miami, wo beide tolles Tennis gezeigt haben und ich versucht habe, auf der Tribüne relativ neutral zu sein. Ich bin Fan des deutschen Damentennis'. Ich finde beeindruckend, was die Damen leisten, wie viel sie dafür hergeben und was sie tagein, tagaus an Disziplin aufbringen. Ich versuche, die Teams um die einzelnen Spielerinnen so gut es geht zu unterstützen. Natürlich bin ich hier beim Fed Cup die Trainerin und gebe während der Matches auch taktische Anweisungen. Aber - und das will ich gerne betonen - die Hauptarbeit machen die Heim- und Privattrainer, zu denen ich wirklich eine Standleitung habe, die teilweise auch zu den Fed-Cup-Matches kommen und mit denen ich auch bei den Turnieren eng zusammenarbeite.

Tennis Fed Cup Viertelfinale: Deutschland - Australien, Barbara Rittner mit Anweisungen an Angelique Kerber (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)
Rittner: Beraterin, Teammanagerin und FanBild: picture-alliance/dpa/B. Weißbrod

Jetzt stehen sie mit ihrem Team, nachdem es im vergangenen Jahr bis ins Finale des Fed-Cups ging [1:3 gegen Tschechien], erneut im Halbfinale. Dennoch wird das Duell gegen die Russinnen "nur" im TV-Spartenkanal SAT 1 Gold übertragen, der normalerweise Serien und deutsche Fernsehfilme zeigt. Wünschten Sie sich nicht etwas mehr Aufmerksamkeit?

Natürlich wünsche ich mir das, und es ist für mich auch manchmal traurig zu sehen. Es ist ein kleiner Teufelskreis. Es ist schade, dass die öffentlich-rechtlichen Sender sich nach den großen Zeiten mit Boris Becker, Steffi Graf, Michael Stich und Anke Huber so sehr vom Tennis verabschiedet haben. Damals wurde Tennis fast rund um die Uhr gezeigt. Heute haben sich die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Deutschland von allen Grand Slams nahezu komplett zurückgezogen. Es wird nur noch sehr wenig Tennis gezeigt, und dadurch ist Tennis ziemlich aus der Öffentlichkeit verschwunden. Das wird den Erfolgen, die vor allem die deutschen Damen in letzter Zeit feiern, nicht gerecht. Das tut mir wahnsinnig leid, weil ich finde, sie hätten es verdient, einmal eine größere Bühne zu bekommen.

Erleben Sie das in anderen Ländern anders? Sind die deutschen Damen dort größere Stars als hier in Deutschland?

Ja, das denke ich schon. Ich werde oft von anderen Verbänden angesprochen: "Mensch, ihr habt so tolle Spielerinnen! Wie macht ihr das?" Der Respekt gegenüber unserer Leistung ist dort riesig groß. Aber das nützt uns natürlich in Deutschland erst mal nichts. Hier müssen wir uns die Anerkennung hart erkämpfen und das geht nur über Erfolg. Die Messlatte ist unheimlich hoch durch die erfolgreichen Zeiten mit Becker und Graf. Es zählt nur noch der Sieg. Wenn die Damen heute mal einen Erfolg haben, flackert nur kurz etwas auf. Man kann halt nicht ständig einen Boris Becker oder eine Steffi Graf produzieren. Man kann nur sein Bestes geben. Aber ich weiß, dass meine Damen das tun.

Tennis Fed Cup - Finale 1992, Mannschaftsfoto mit Barbara Rittner und Steffi Graf (Foto: Kai-Uwe Wärner/dpa)
Andere Zeiten: 1992 gewann Rittner (l.) unter anderem gemeinsam mit Steffi Graf (2.v.l.) den Fed CupBild: picture-alliance/dpa/K.-U. Wärner

Glauben Sie, dass ein Titelgewinn im Fed Cup daran etwas ändern würde?

Das ist schwer zu sagen. Mit Sicherheit würde es einen Schub geben, wenn wir nochmal das Finale erreichen würden. Das fände dann nämlich in jedem Fall in Deutschland statt - entweder gegen Tschechien oder Frankreich. Eine noch größere Aufmerksamkeit würden wir bekommen, wenn wir es schaffen würden, zu gewinnen. Aber im Grunde muss man dauerhaft erfolgreich sein - und das sind die Damen eigentlich auch. Aber ein Grand-Slam-Sieg oder ein Sieg im Fed Cup sind eben etwas ganz Besonderes, und die kann man nicht herzaubern. Das wichtigste wäre daher, dass die öffentlich-rechtlichen Sender wieder ein wenig mehr Tennis zeigen und sich nicht so sehr daran festbeißen, in 99,9 Prozent der Fälle statt anderer Sportarten Fußball zu zeigen.

Barbara Rittner, Jahrgang 1973, ist seit 2005 Kapitänin des deutschen Fed-Cup-Teams. Als Profi errang sie zwei WTA-Einzeltitel und siegte als Juniorin beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon. Ihre beste Platzierung in der Weltrangliste war im Februar 1993 der 24. Rang. 1992 gewann Rittner gemeinsam mit Steffi Graf, Anke Huber und Sabine Hack den Federations Cup.

Das Gespräch führte Andreas Sten-Ziemons.