Rumänische Rochade
7. Februar 2012Wird der designierte rumänische Regierungschef Mihai Razvan Ungureanu es schaffen, die anhaltenden sozialen Spannungen im Land abzubauen? Kann er dennoch die Stabilitätspolitik seines Vorgängers Emil Boc beibehalten? Ungureanu ist ein erfahrener liberaler Historiker, Universitätsprofessor und rumänischer Diplomat. Von 2004 bis 2007 war er Außenminister, seitdem Chef des Auslands-Geheimdienstes - aber ob er den jetzt nötigen politischen Spagat hinlegen kann, ist ungewiss.
Noch am Montag (6.2.2012) hat Präsident Basescu Ungureanu damit beauftragt, ein neues Kabinett zu bilden, und der designierte Regierungschef hat angekündigt, die bislang angestoßenen Reformen weiterzuführen.
Zuvor war der rumänische Regierungschef Emil Boc zusammen mit seinem gesamten Kabinett zurückgetreten. Er wolle "die politische und soziale Atmosphäre in seinem Lande entspannen“, so begründete der Chef der konservativen Regierung in Bukarest seine Entscheidung. Der Schritt erfolgte nicht unerwartet. Die dramatische Wendung kam nach wochenlangen, zum Teil gewalttätigen Protesten und Ausschreitungen gegen eine Regierung, die dem Land einschneidende Sparmaßnahmen beschert hatte.
Eine wachsende Unzufriedenheit
Die äußerst strenge Führung des öffentlichen Haushalts hatte im Ausland – beim Internationalen Währungsfonds, in Brüssel und auch in Berlin – für viel Lob gesorgt. Im Innern hingegen hatte dieser harte Sparkurs nicht nur wirtschaftliche Stabilität und ein gesundes Wachstum erzeugt, sondern auch enorme soziale Spannungen verursacht.
Die wachsende Unzufriedenheit hatte noch vor wenigen Wochen zu blutigen Straßenschlachten in Bukarest geführt. Auslöser waren angekündigte Kürzungen im Gesundheitsbereich. Der soziale Unmut spiegelte sich dann auch in den katastrophalen Umfrage-Ergebnissen für die Regierung und für Staatspräsident Basescu wieder. Die galoppierende Erosion der Sympathiewerte hat den Druck auf den Premierminister auch aus der eigenen Partei PDL massiv erhöht. Denn schon im Herbst 2012 wird in Rumänien ein neues Parlament gewählt.
Persönliche Animositäten und gegenseitiges Misstrauen
Die Opposition hatte die rumänische Regierung wiederholt zum Rücktritt aufgefordert. Doch jetzt sehen Beobachter die Stabilität des Landes in Gefahr. Ein Appell Emil Bocs an das Parlament, zügig einer Nachfolgeregierung das Vertrauen auszusprechen, hat kaum Chancen, umgesetzt zu werden. Zu groß sind persönliche Animositäten und gegenseitiges Misstrauen zwischen Regierenden und Opposition.
Dabei ist die Bilanz von Bocs Regierung gar nicht so schlecht: Mitten in der Krise hat es Rumänien, das einstige Sorgenkind der EU, geschafft, ein relativ stabiler finanzpolitischer Fels in der europäischen Brandung zu sein und sich sogar eines gewissen wirtschaftlichen Wachstums zu erfreuen.
Um den andauernden Protesten die Spitze zu nehmen, aber auch um seine eigene konservative Partei im Wahlkampf nicht stärker zu belasten, ist Boc nun zum Bauernopfer auf dem Altar des allgemeinen Unmuts geworden. Durch die schnelle Ernennung Ungureanus versucht der inzwischen heftig umstrittene Präsident Basescu, Ruhe in die gesamte politische, soziale und wirtschaftliche Szene zu bringen. Ob sich die rumänischen Konservativen dadurch mehr als nur eine Atempause verschafft haben, bleibt abzuwarten.
Autor: Peter Janku
Redaktion: Robert Schwartz/ Thomas Latschan