Jemens Rolle rückwärts
14. Februar 2015Das Auswärtige Amt wählt deutliche Worte: "Dringend" warnt die Behörde vor Reisen in den Jemen. "Deutsche, die sich gegebenenfalls dort noch aufhalten, werden aufgefordert, aus dem Jemen auszureisen", heißt es auf ihrer Internetseite. Am Freitag hat Deutschland auch seine Botschaft in der Hauptstadt Sanaa vorübergehend geschlossen – wie die USA, Großbritannien, Frankreich und Italien. Die Lage im Jemen sei ausgesprochen instabil, heißt es zur Begründung.
Politischer Umsturz
Vergangene Woche hatten die schiitischen Huthi-Rebellen aus dem Nordwesten des Landes die Macht in Sanaa vollständig übernommen. Sie erklärten Übergangspräsident Abed Rabbo Mansur Hadi für abgesetzt und lösten das Parlament auf. Ein politischer Umsturz, mit dem viele Jemeniten nicht einverstanden sind. Im Gegenteil: Zahlreiche Sunniten protestieren lautstark gegen das Vorgehen der Huthi, bewaffnen sich und verbünden sich mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warnte, der Jemen breche vor den Augen der Welt zusammen. Die monatelangen Vermittlungsbemühungen der Vereinten Nationen zumindest scheinen endgültig gescheitert zu sein.
Tatsächlich hat der Jemen mit zahlreichen Problemen gleichzeitig zu kämpfen. Der 25-Millionen-Einwohner-Staat gehört zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Die Bevölkerung wächst schnell, ein großer Teil leidet unter Armut. Analphabetismus und Arbeitslosigkeit sind weit verbreitet, die Wasserknappheit nimmt mittlerweile dramatische Ausmaße an. Seit dem erzwungenen Rücktritt des langjährigen Machthabers Ali Abdullah Saleh im Jahr 2012 wird der Jemen von Gewalt und schweren politischen Unruhen erschüttert. Die Regierung des Übergangspräsidenten Hadi wird von Saudi-Arabien unterstützt, doch ihr ist die Kontrolle über das Land immer weiter entglitten. Anfang 2014 haben die Huthi-Rebellen eine Offensive gestartet, die Hauptstadt eingenommen und ihre Kontrolle über das Land Richtung Süden ausgedehnt.
Kampf um Beteiligung
Die Huthi kämpfen um eine Beteiligung an der Macht. Seit dem Bürgerkrieg in den 60er Jahren fühlen sich die Schiiten von der sunnitischen Mehrheit an den Rand gedrängt. Zwischen 2004 und 2010 haben sich die Huthi zum Teil monatelange Kämpfe mit den Regierungstruppen von Präsident Saleh geliefert. Anschließend gab es immer einen Waffenstillstand. Doch im Zuge des so genannten Arabischen Frühlings verbündeten sich viele Stämme mit den Huthi, mit Teilen der Armee, mit zahlreichen sunnitischen Islamisten und protestierenden Jugendlichen gegen den damaligen Präsidenten – zumindest vorübergehend. Saleh verlor das Präsidentenamt. Doch er blieb im Jemen und konnte einen Teil seiner Anhängerschaft im Militär und bei den Stämmen halten.
Bei den folgenden Verfassungsverhandlungen wurden die Interessen der Huthi und des ehemals unabhängigen Südens nicht ausreichend berücksichtigt. Statt dessen setzt sich die islamistische Islah-Partei durch. Doch Islah verlor die Unterstützung der Saudis, die sich gegen die Muslimbruderschaft gewendet hatten, die wiederum den Kern der Islah bildet. Die schiitischen Huthi dagegen werden vom Iran unterstützt - ein Schreckensszenario für die sunnitisch dominierten Golf-Staaten.
Sehnsucht nach Saleh
Die Huthi nutzen nun die Schwäche ihrer Gegner und schaffen mit ihrem Vordringen in Richtung Süden für klare Verhältnisse. Unterstützt werden sie inzwischen vom ehemaligen Präsidenten Saleh, der sich mit seinem Nachfolger und Parteifreund Hadi überworfen hat. Saleh will wieder an die Macht - oder zumindest seinen Einfluss wahren. 33 Jahre lang stand er an der Staatsspitze. In dieser Zeit hat sich die Situation im Jemen kontinuierlich verschlechtert. Doch vor dem Hintergrund des momentanen Chaos' wünschen sich manche Jemeniten mittlerweile wieder Ali Abudallah Saleh zurück.