Rückkehr des starken Mannes?
17. Juni 2005Es werden häufig Superlative gebraucht, um Akbar Haschemi Rafsandschani zu beschreiben. Schmeichelhaft sind sie selten. "Der am meisten verhasste Politiker im Land" ist so einer - deutlicher geht es wohl kaum.
Dennoch sehen die meisten Experten Rafsandschani vorn, wenn es bei der Wahl am Freitag (17. Juni 2005) darum geht, wer in den nächsten vier Jahren Präsident der Islamischen Republik Iran sein soll. Denn der 71-Jährige könnte von der Enttäuschung unter den Reformanhängern und den Rangeleien im zerstrittenen konservativen Lager, das mit mehreren Kandidaten antritt, profitieren.
"Eine der schwersten Entscheidungen"
Anfang Mai gab Rafsandschani seine Kandidatur offiziell bekannt, nachdem er sich zunächst monatelang geziert hatte. Als "eine der schwersten Entscheidungen" seines Lebens hatte er die Entscheidung zur nochmaligen Kandidatur in einer Erklärung ans Volk bezeichnet - getroffen, um dem Land bei der Lösung seiner gegenwärtigen Probleme zu helfen. Dass er das den anderen Kandidaten nicht zutraut, verhehlt er nicht.
Rafsandschani, soviel steht fest, ist ein Politiker mit großer Erfahrung. Er war bereits Innenminister, Parlamentspräsident, Staatspräsident und führte während des Krieges gegen den Irak die Streitkräfte. Momentan ist er Vorsitzender des mächtigen "Vermittlungsausschusses".
Ausbildungsjahre bei Ajatollah Chomeini
1934 wurde er in Bahreman bei der mitteliranischen Stadt Rafsandschan als Sohn einer wohlhabenden Pistazienhändler-Familie geboren. Als einziger seiner Brüder entschied er sich für eine theologische Ausbildung und ging in der heiligen Stadt Qom unter anderem beim späteren Revolutionsführer Ajatollah Chomeini in die Lehre, dessen politischer Gefolgsmann er Ende der 1950er Jahre wurde.
Als dieser 1964 ins Exil musste, schloss sich Rafsandschani den Anti-Schah-Aktivisten an und wanderte dafür drei Jahre ins Gefängnis. Nach seiner Entlassung arbeitete er als erfolgreicher Immobilienhändler und setzte im Untergrund seine politischen Aktivitäten fort. "Chomeinis Bankier" wurde er seit dieser Zeit genannt, da er vor allem für die Beschaffung von Finanzmitteln zuständig war.
Hoffnungen bei erster Amtszeit
Nach dem Sturz des Schahs im Februar 1979 wurde Rafsandschani Mitglied des Revolutionsrats und bekleidete danach andere wichtige Ämter. Nach dem Tod Chomeinis 1989 und der Übernahme der religiösen Führung durch Ali Chamenei, war das Präsidentenamt frei. Rafsandschani wurde im Juli mit rund 95 Prozent der Stimmen gewählt. Sein Amtsantritt weckte im westlichen Ausland zunächst Hoffnung auf eine Neuorientierung des Irans. Das erste Jahr seiner Regierung brachte dann auch einige außenpolitische Erfolge. So reiste Rafsandschani etwa in die Sowjetunion, sein Außenminister besuchte Frankreich, und die diplomatischen Beziehungen zum Irak wurden wieder aufgenommen.
Dennoch wurde die iranische Glaubwürdigkeit und auch die Rafsandschanis immer wieder erschüttert: Nachweislich unterstützte der Iran internationale Terrorakte und Anschläge auf iranische Oppositionelle. So sieht es ein Berliner Gericht als erwiesen an, dass Rafsandschani einer der Drahtzieher des Anschlags im Berliner Lokal "Mykonos" war, bei dem 1992 vier iranische Oppositionelle ermordet wurden.
Der ersehnte starke Mann?
Rafsandschani - politischer Taktierer und schwerreicher Geschäftsmann. Sein Einfluss im Iran gilt als gefestigt. An wichtigen Schaltstellen im Staat sitzen enge Vertraute von ihm, und der Rafsandschani-Clan - darunter die fünf Kinder - kontrolliert wichtige Teile der iranischen Wirtschaft.
Beobachter sprechen von einer "tiefen Agonie", in der sich der Iran seit den manipulierten Parlamentswahlen vor rund einem Jahr befindet. Die Reformregierung Chatami und das von Konservativen beherrschte Parlament blockieren sich gegenseitig. Außenpolitisch sorgt die Auseinandersetzung um das iranische Atom-Programm für Schwierigkeiten. Viele - Freunde und Feinde - sehen in Rafsandschani den starken Mann, der die geeigneten Maßnahmen ergreifen kann, um das erlahmte Land jetzt wieder anzutreiben. Denn bei all seinen vielen Gesichtern galt Rafsandschani auch immer als eins: als nüchterner Pragmatiker.