Schiiten-Allianz ist der Sieger
13. Februar 2005
Die zentrale irakische Wahlkommission gab am Sonntag (13.2.05) in Bagdad die Zahlen bekannt: Die Liste 169, die "Vereinigte Irakische Allianz", erhielt knapp 48 Prozent der Stimmen - deutlich weniger als erwartet. Das Wahlbündnis ist ein Block von maßgebenden schiitischen Parteien. Die Kurdenliste belegt mit rund 26 Prozent den zweiten Platz vor dem Bündnis von Übergangsministerpräsident Ijad Allawi mit gut 13 Prozent. Offiziell wird das Wahlergebnis, wenn die dreitägige Beschwerdefrist abgelaufen ist.
Wie entscheiden sich die Schiiten?
Anders als in den westlichen Ländern, wo mit einer Parlamentswahl die Weichen für die nächste Legislaturperiode gestellt werden und danach eine gewisse politische Ruhe eintritt, geht im Irak das Gerangel jetzt erst richtig los: Zwar werden die 275 Abgeordneten der Nationalversammlung auch eine neue, weitere Übergangsregierung bestimmen. Doch was noch wichtiger ist: Sie müssen eine endgültige Verfassung ausarbeiten, das politische Gesicht des Iraks bestimmen. Wird der Irak eine Demokratie oder aber ein vom islamischen Recht Scharia dominierter Staat?
So einheitlich, wie sich die Schiiten vor der Wahl präsentierten, dürfte es jetzt nicht mehr zugehen: Die Erfahrungen, die einige von ihnen aus dem iranischen oder westeuropäischen Exil mitgebracht haben, weisen in unterschiedliche Richtungen.
So verbrachte Ibrahim Jaafari, der als potenzieller nächster Premierminister gehandelt wird, einige Zeit in London. Die Dawa-Partei, deren Vorsitzender der 58-Jährige ist, hat sich einen reformierten Islam auf die Fahne geschrieben und will die religiösen Institutionen modernisieren.
Ein weiteres starkes - aber politisch gegensätzliches - Mitglied der Allianz ist der SCIRI (Oberster Rat der Islamischen Revolution), der von Iran unterstützt wird. Dessen Vorsitzender, Abdul Asis el Hakim, will zwar keinen Gottesstaat der Ajatollahs im Irak einführen, die Scharia müsse aber in die künftige Verfassung Eingang finden, forderte er im irakischen Fernsehen.
Kurden mit Bestimmungsrecht
Außerdem geht nichts ohne die Kurden, die mit etwa einem Viertel der Stimmen den zweitgrößten Wähleranteil verbuchen konnten und sich rechtzeitig ein Vetorecht für die Verfassung ausbedungen haben. "Einen Scharia-Staat werden wir nicht hinnehmen", ist sich Mamo Farhan Othman sicher. Der Übergangsminister für den Aufbau der Zivilgesellschaft im Irak hat 23 Jahre in Berlin gelebt und den deutschen Föderalismus kennen gelernt. Er und die Mehrheit seiner kurdischen Ministerkollegen sowie die Führung der beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK streben das bundesrepublikanische Modell an, "angepasst an die irakische Kultur". Dies sei die einzige Lösung, um den Irak vor einem Auseinanderbrechen zu bewahren, sagte Othman der Deutschen Presse Agentur. Die Kurden entscheiden außerdem, wer auf dem Sessel des Ministerpräsidenten Platz nehmen wird.
Ijad Allawi: der unglückliche Dritte
Mit nur knapp 14 Prozent der Stimmen blieb Allawis Bündnis weit hinter den Erwartungen zurück, obwohl der säkulare Schiit alles dafür tat, um für sich und seine "Irakische Liste" zu werben. Kein anderes Gesicht war so oft im staatlichen Fernsehen zu sehen wie seines. Gerüchte über Wählerbestechung und Einflussnahme bei den Stammesvorsitzenden machten die Runde. Jetzt ist der noch geschäftsführende Premier für sein politisches Überleben auf die Gnade der Kurden und weiterer Parteien angewiesen.
Aus dem schiitischen Lager kann er wegen seiner früheren Zugehörigkeit zur Baath-Partei nicht mit Unterstützung rechnen. Wie aber werden sich die Sunniten verhalten? Offiziell hatten alle ihre Parteien und religiösen Organisationen zum Wahlboykott aufgerufen, und der wurde auch größtenteils befolgt. Trotzdem stimmten rund 22.000 Wahlberechtigte für die "Islamische Partei Iraks", die größte Sunnitenpartei des Landes – die nur deshalb noch auf dem Wahlzettel vermerkt war, weil sie sich ursprünglich bei der Kommission hatte registrieren lassen. In den Gebieten der Sunniten war die Wahlbeteiligung sehr gering - in einer Provinz lag sie bei lediglich zwei Prozent. (arn)