Schlappe für Herzegowina-Kroaten in Bosnien
8. Oktober 2018Die Wahl des dreiköpfigen Staatspräsidiums in Bosnien-Herzegowina hat den Kroaten in der Herzegowina eine schwere Niederlage beschert. Statt ihres jahrelangen Führers Dragan Covic werde der Kroate Zeljko Komsic ins höchste Amt des Balkanstaates einziehen, teilte die staatliche Wahlkommission in Sarajevo mit. Der Unterlegene kündigte an, jetzt sei "eine nie gesehene Krise" möglich.
Ein Vertreter aller drei Nationen
Schon im Wahlkampf hatte der Nationalist Covic angekündigt, im Falle einer Niederlage wolle seine Nation die politischen Gremien im ganzen Land lahmlegen. In Bosnien-Herzegowina machen die muslimischen Bosniaken rund die Hälfte der Bevölkerung aus. Die orthodoxen Serben stellen ein Drittel, die katholischen Kroaten als kleinstes Volk rund 15 Prozent. Im Staatspräsidium muss jeweils ein Vertreter aller drei Nationen vertreten sein.
Zwar hätten fast alle Landsleute für ihn gestimmt, begründete Covic seine Position. Doch hätten die Bosniaken den aus Sarajevo stammenden Kroaten Komsic durchgesetzt, der als moderat gilt. "Ihr könnt für die Kroaten nicht ihren Präsidenten wählen", sagte Covic mit Blick auf die Bosniaken. Für die Muslime werde Sefik Dzaferovic ins Präsidium einziehen, berichtete die Wahlkommission weiter. Er gehört der größten muslimischen Partei SDA an. Die Serben sind danach in Zukunft mit ihrem langjährigen Führer Milorad Dodik vertreten.
Während diese beiden Spitzenpolitiker für die Rechte ihres jeweiligen Volkes kämpfen tritt der Sozialdemokrat Komsic für einen bürgerlichen Staat ein. Für ihn steht der Einzelne im Mittelpunkt und nicht die Nation. Folgerichtig sagte er am Wahlabend: "Ich werde allen Bürgern dienen, auch wenn sie mich nicht gewählt haben."
Obwohl nur etwas mehr als die Hälfte der 3,4 Millionen Wähler an der Abstimmung teilgenommen hatte, dauerte es mehr als fünf Stunden nach Schließung der Wahllokale, bis die Wahlkommission erste Ergebnisse mitteilte.
Gescheiterter Staat
Bosnien-Herzegowina gilt durch den jahrzehntelangen Dauerstreit von muslimischen Bosniaken, orthodoxen Serben und katholischen Kroaten als gescheiterter Staat. Seit Jahren versuchen die EU und die USA mit einem Heer an Diplomaten und Experten sowie Milliarden Finanzhilfen, das Balkanland aus der Sackgasse zu führen. Ohne Erfolg.
Die führende Menschenrechtlerin in der Region, Sonja Biserko, analysiert: "Die drei politischen Eliten sind objektiv gar nicht an Reformen interessiert, die notwendig sind für einen EU- und NATO-Beitritt. Die drei Eliten arbeiten gemeinsam daran, dass der Status quo erhalten bleibt." Und diese augenblickliche Lage ist alles andere als zukunftsträchtig, demokratisch, reformorientiert oder gesellschaftlich akzeptiert.
Das Land liegt nach dem Bürgerkrieg der drei Völker (1992-1995) mit mehr als 100.000 Toten und mehr als zwei Millionen Flüchtlingen am Boden. Die eine Landeshälfte wird von den Serben kontrolliert, die zweite von Bosniaken und Kroaten. Beide Teile sind fast unbegrenzt selbstständig und arbeiten nach Kräften gegeneinander.
jmw/wa (dpa, ap, afp)