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Annäherung mit Hindernissen

Silke Ballweg4. September 2013

Zehn deutsche Schriftsteller reisen gemeinsam nach China. Sie treffen dort mit chinesischen Schriftstellern zusammen. Ein schwieriger Dialog in einem kulturpolitischen Minenfeld.

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Fotografin : Silke Ballweg , 1.9. in Peking.
Kulturaustausch im PraxistestBild: DW/S. Ballweg

Da steht er also, Mo Yan, Chinas umstrittener Literaturnobelpreisträger. Er ist salopp gekleidet, in Hose und Hemd. In der Pekinger Akademie der Sozialwissenschaften diskutiert er über die Rolle von Autoren in einer globalisierten Welt.

Mo Yan ist nicht der einzige namhafte Autor im Raum: Zehn deutsche Schriftsteller, darunter Volker Braun, Ursula Krechel und Marcel Beyer treffen sich in Peking mit chinesischen Kollegen, mit Jia Pingwa, Li Er oder Fang Fang. "Jenseits kultureller Stereotype wollen wir ein Bild des wirklichen China bekommen", betont Ulrich Janetzki, Geschäftsführer des Literarischen Colloqiums Berlin, das die Veranstaltung gemeinsam mit der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften organisiert hat. "Der Kontrast zwischen Wandel und Kontinuität des modernen China macht seinen besonderen Reiz aus." Dem will die deutsche Seite nachspüren.

Mo Yan: Literaturnobelpreisträger und Globalisierungsskeptiker Fotografin : Silke Ballweg
Mo Yan: Literaturnobelpreisträger und GlobalisierungsskeptikerBild: DW/S. Ballweg

Die Globalisierung - Mo Yans Albtraum

Drei Tage lang diskutieren die Autoren über die Rolle der Literatur in einer globalisierten Welt. Es ist eine Entwicklung, die für Mo Yan durchaus ambivalent ist: "Die Globalisierung bedeutet einerseits Vielstimmigkeit, weniger Schranken. Gleichzeitig ist sie für mich aber auch ein Albtraum", sagt der Literaturnobelpreisträger aus dem Jahr 2012. "Alles wird immer uniformer, die Unterschiede verschwimmen. Auch Sprachen und die Kulturen verlieren ihre Einzigartigkeit, das muss man verhindern, man muss sie beschützen."

Die Begegnung findet an verschiedenen Orten in Peking statt. Ihr Höhepunkt: eine große Abendveranstaltung in einer ehemaligen Pekinger Fabrikhalle. Das Gebäude wurde 1956 von deutschen Bauhaus-Architekten als Industrieanlage errichtet. Heute dient es als Ausstellungsraum im Pekinger Kunstbezirk 798 und schlägt somit nicht nur eine Brücke zwischen dem alten und neuen China, sondern auch zwischen Deutschland und der Volksrepublik.

Jahr der Sprache

Mit dem literarischen Großereignis würdigen die beiden Nationen ihre engen Beziehungen, auch im kulturellen Bereich. Gleichzeitig bildet die Veranstaltung den Auftakt für das sogenannte "Jahr der Sprache". Es ist ein Schwerpunktprogramm, mit dem die beiden Länder das Erlernen der jeweils eigenen Sprache im anderen Land werben wollen. So soll etwa die Ausbildung von Sprachlehrern intensiviert werden.

Die Annäherung zwischen den Autoren während der dreitägigen Begegnungen verläuft mitunter jedoch eher schleppend. Die Unterschiede zwischen beiden Kulturen bleiben groß - trotz der von Mo Yan thematisierten Globalisierung. Dazu kommen die sehr unterschiedlichen Arbeitsbedingungen für Autoren. In der Volksrepublik werden Bücher schon einmal verboten, unliebsame Künstler hinter Gitter gesteckt. Müssen Chinas Autoren dazu nicht eindeutig Stellung beziehen? Die Frage steht immer mal wieder im Raum, sie müsste ausgesprochen werden. Doch auch die deutschen Autoren wagen nicht, sie zu stellen. Die Gäste scheinen nicht recht zu wissen, wie sie sich in der Volksrepublik zu verhalten haben, wollen wohl auch ihre chinesischen Kollegen nicht in Gefahr bringen.

Teilnehmer und Besucher des chinesisch-deutschen Schriftstellerforums in Peking. Fotografin : Silke Ballweg
Vorsichtige Wortwahl auf offener BühneBild: DW/S. Ballweg

Die chinesischen Schriftsteller wiederum operieren routiniert hinter der Mauer der Selbstzensur. Der ostdeutsche Schriftsteller Volker Braun, der mit seinen Büchern in der DDR immer wieder aneckte, erzählt schließlich von den Erfahrungen in der DDR: "Dadurch, dass die offiziellen Medien oft so affirmativ waren und die Gesellschaft feierten, musste die Literatur unwillkürlich dagegen halten", sagt der 74-Jährige, der auch von der Stasi bespitzelt wurde. "Wir dachten: Da muss man mal das sagen, was sonst nicht gesagt wird."

Schwierige Annäherung

Es ist einer der wenigen Momente, in denen klar wird: Die Bedingungen, unter denen die Schriftsteller in der DDR lebten, ähneln denen der chinesischen Kollegen heute. Doch der offene Dialog über das Schreiben in einem repressiven Staat bleibt aus. Vielleicht darf man bei solch einer hochoffiziellen Veranstaltung nichts anderes erwarten. Wenn die Schriftsteller unter sich sind, so kann man wenigstens hoffen, kann auch über heikle Themen gesprochen werden.