Serbien und Kosovo nähern sich weiter an
19. März 2023"Wir haben einen Deal", erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach einem zwölfstündigen Verhandlungsmarathon im nordmazedonischen Ohrid. Doch die Unterschriften unter einem Abkommen zwischen beiden Ländern fehlen weiter.
Zuvor hatten der serbische Präsident Aleksandar Vucic und der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti um ein neues Abkommen gerungen, das die Beziehungen zwischen den beiden verfeindeten Balkanstaaten grundlegend regeln soll. Borrell spielte bei den Verhandlungen eine Vermittlerrolle.
"Abkommen gilt als angenommen"
"Das Abkommen und sein Anhang gelten als angenommen", meinte der EU-Vermittler nach Abschluss der Gespräche. Zugleich räumte er ein, dass die beiden Seiten den "ambitiöseren Vorstellungen" der EU-Vermittler nicht gefolgt seien.
Auch die EU hat in dem Grundsatzabkommen Verpflichtungen übernommen: Sie soll in den kommenden Monaten eine Geberkonferenz für Finanzhilfen für Serbien und das Kosovo organisieren.
Bei einem ersten Treffen am 27. Februar in Brüssel hatten beide Seiten dem Entwurf des Grundsatzabkommens verbal zugestimmt, das die EU auf der Basis eines deutsch-französischen Vorschlags vorgelegt hatte und das die Unterstützung der USA genießt. Bei den Verhandlungen in Nordmazedonien ging es nun um konkrete Fristen im Anhang des Abkommens, innerhalb derer die einzelnen Punkte umgesetzt werden sollen.
Kosovo erklärte sich 2008 unabhängig
Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo spaltete sich 1999 mit NATO-Hilfe von Serbien ab und erklärte sich 2008 für unabhängig. Serbien erkennt dies bis heute nicht an. Das geplante Abkommen sieht vor, dass Belgrad das Kosovo zwar nicht völkerrechtlich anerkennt, aber die Eigenstaatlichkeit seiner ehemaligen Provinz zur Kenntnis nimmt. Insbesondere soll es die Reisepässe, Kfz-Kennzeichen und Zollpapiere des Kosovos anerkennen. Das Kosovo soll seinerseits die Rechte der serbischen Volksgruppe im Land institutionell absichern.
Rechtsradikale drohten Vucic mit "heißen" Protesten
Wie schon in Brüssel, wollte Vucic auch diesmal die erzielte Übereinkunft nicht unterschreiben. "Ich habe heute nichts unterschrieben", erklärte er vor Journalisten in Ohrid. "Wir haben auf jeweils unterschiedliche Weise aufgezeigt, wo für uns die jeweiligen roten Linien sind." Die Atmosphäre der Gespräche bezeichnete er als "konstruktiv".
Für den serbischen Nationalisten stellt jede Aufweichung der harten Haltung gegenüber Pristina ein politisches Risiko dar. Rechtsradikale in Serbien drohten mit "heißen" Protesten, sollte Vucic in Ohrid "kapitulieren".
Kurti will keine starken serbischen Vetorechte
Der kosovarische Ministerpräsident Kurti ist wiederum dem Druck der kosovo-albanischen Bevölkerung und Wählerschaft ausgesetzt, die Zugeständnisse an die serbische Volksgruppe ablehnt. Artikel 7 des Abkommens sieht aber vor, dass den Serben im Kosovo "ein angemessenes Ausmaß an selbständiger Regelung ihrer Angelegenheiten" zusteht. Im Kosovo befürchtet man, dass zu starke Vetorechte für einen künftigen serbischen Gemeindeverband den Staat blockieren könnten.
2008 erklärte sich die ehemalige serbische Provinz Kosovo für unabhängig. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, haben das unabhängige Kosovo anerkannt - fünf EU-Mitgliedsländer, darunter Spanien und Griechenland, nicht. Das Verhältnis des jüngsten europäischen Staates zu Serbien blieb ungelöst. Diplomatische Bemühungen des Westens führten in den vergangenen Jahren zu keiner wesentlichen Normalisierung der Lage.
Moskau nutzt Schwachstellen
Im vergangenen Jahr waren die Spannungen erneut eskaliert: Es gab Straßenblockaden und Zwischenfälle, bei denen geschossen wurde. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gewann die Beilegung des Kosovo-Konflikts für den Westen wieder an Bedeutung. Moskau nutzt Schwachstellen in der politischen Ordnung verschiedener Balkanstaaten für Einflussnahme aus. Belgrad ist abhängig von Russland, weil die östliche Großmacht mit ihrem Veto im UN-Sicherheitsrat die Aufnahme des Kosovos in die Weltorganisation verhindert. Serbien trägt als einziges Land der Region die EU-Sanktionen gegen Russland nicht mit.
nob/gri (dpa, afp, rtr)