May fordert "neue Kultur des Respekts"
6. November 2017Am Montagabend einigte sich Theresa May mit den Chefs der Oppositionsparteien darauf, ein einheitliches Beschwerdeverfahren für Opfer sexueller Übergriffe im Parlament einzuführen. Neben telefonischer Beratung sollten Opfer sexueller Übergriffe in Zukunft auch die Möglichkeit bekommen, direkt mit einem Ansprechpartner in Kontakt zu treten. Diese Linie hatte die britische Premierministerin bereits im Vorfeld auf der Jahrestagung des Britischen Industrieverbandes (CBI) in London skizziert.
May: Jeder braucht eine sichere Umgebung
In ihrer Rede vor ranghohen Wirtschaftsvertretern hatte May eine "neue Kultur des Respekts" gefordert. Jeder sollte in einer sicheren Umgebung arbeiten, sagte die 61-Jährige. Beschwerden müssten vorgebracht werden können, ohne Nachteile zu befürchten. Gleichzeitig müsste darauf geachtet werden, dass Karrieren nicht durch unbegründete, online verbreitete Gerüchte zerstört werden.
Bereits in der vergangenen Woche hatte May erste Maßnahmen ergriffen und einen überarbeiteten Verhaltenskodex für ihre Partei, die konservativen Tories, vorgestellt. Für die Opfer wurde eine Beschwerde-Hotline eingerichtet.
Weiterer Konservativer zurückgetreten
Unterdessen weitet sich der Skandal weiter aus, inzwischen ist nicht nur die regierende Tory-Partei betroffen, sondern auch die oppositionelle Labour-Partei und die Schottische Nationalpartei (SNP). Das Spektrum der Vorwürfe reicht von anzüglichen Nachrichten bis hin zu Vergewaltigung.
Mit Christopher Pincher sah sich ein weiterer prominenter Konservativer nach Belästigungsvorwürfen zum Rücktritt von seinem Amt gezwungen. Pincher war als sogenannter Whip ("Einpeitscher") für die Fraktionsdisziplin der Torys bei Abstimmungen im Unterhaus verantwortlich. Pincher wird von einem Parteikollegen, dem früheren Olympia-Ruderer Alex Story vorgeworfen, ihn 2001 sexuell bedrängt zu haben.
"Was auch immer geschah oder nicht geschah oder gesagt wurde, war offensichtlich viele Jahre, bevor ich Parlamentarier wurde", sagte Pincher, der sich nach eigenen Worten nicht an das Treffen mit Story erinnern kann. Er werde die Vorwürfe von der Polizei prüfen lassen.
Auch Mays Vize unter Druck
Vize-Premier Damian Green steht ebenfalls im Fokus des Skandals und soll im Rahmen einer regierungsinternen Untersuchung befragt werden. Ein Ex-Polizist hatte berichtet, dass auf einem von Greens Computern im Parlament im Jahr 2008 "extreme Pornografie" entdeckt worden sei. Zudem hatte eine Journalistin den Kabinettschef beschuldigt, sie begrapscht und ihr eine anzügliche Nachricht geschickt zu haben.
Der 61-Jährige streitet alles ab. Die Vorwürfe des früheren Scotland-Yard-Mitarbeiters bezeichnete Green als politische Hetzkampagne. Der Mann habe schon zuvor versucht, ihn in Verruf zu bringen. Über die Vorwürfe der Frau zeigte sich Green enttäuscht: Er habe sie nie sexuell belästigt und sei davon ausgegangen, ein freundschaftliches Verhältnis zu ihr zu haben.
Falls ihr Stellvertreter zurücktreten sollte, wäre das ein weiterer schwerer Schlag für May. Denn bereits in der vergangenen Woche hatte sie mit Verteidigungsminister Michael Fallon einen langjährigen Unterstützer verloren. Frauen hatten ihm "widerwärtige" Bemerkungen und sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Er erklärte daraufhin seinen Rücktritt.
ww/rb (afp, dpa)