Sind Populisten populär?
12. April 2010Europa wächst zusammen und mehr Menschen pendeln über Staatsgrenzen hinweg als je zuvor. Viele Bürger sehen sich heute genauso sehr als Europäer wie als Bürger ihrer Nationalstaaten. Doch gewinnen ausländerfeindliche und rechtspopulistische Parteien an Zulauf. In den letzten Monaten haben sie in mehreren EU-Staaten spektakuläre Gewinne erzielt.
Bei den Parlamentswahlen am Sonntag (11.04.2010) in Ungarn gelang einer rechtsextremen Partei erstmals der Einzug ins Parlament. In Frankreich konnte die rechtsextreme Nationale Front von Jean-Marie Le Pen in den Regionalwahlen deutliche Zugewinne verbuchen. In Italien festigte die populistische und ausländerfeindliche Lega Nord ihre Position, und in den Niederlanden steigt die Popularität des Islam-Kritikers Geert Wilders.
Rechtsextremismus und Populismus haben viele Facetten
Der Rechtsextremismus-Experte beim Westdeutschen Rundfunk, Wolfgang Kapust, sieht europaweit viele Gemeinsamkeiten bei den Rechtspopulisten, so etwa, dass sie gerade in Krisenzeiten versuchten, die Ängste der Wähler für sich zu instrumentalisieren, wobei sie auf die Unzufriedenheit ihrer Anhänger setzten. Kapust betont: "Sie bieten einfache Antworten auf komplizierte Probleme: die wirtschaftliche Situation, Arbeitslosigkeit oder soziale Verunsicherung. Sie wollen dann vor allem die Ausländer und 'die Anderen' loswerden, abschieben, rausschmeißen oder auch 'heimführen' - wie sie es nennen."
Kapust erkennt aber auch viele Unterschiede zwischen den populistischen Bewegungen in den verschiedenen Ländern. So habe es steuerprotestierende Rechtspopulisten in Skandinavien gegeben oder Nationalisten in Osteuropa, die mit dem Fall der Mauer versuchten, neue Identitäten zu stiften: "Wir haben ganz verschiedene Ausprägungen, wie zum Beispiel schon lange in Frankreich mit Jean-Marie Le Pen oder auch mit der Bewegung in Österreich, die einst Jörg Haider angeführt hat," so Kapust.
Populisten bringen konservative Parteien in Zugzwang
Weil diese Bewegungen sich aber selbst vor allem durch Abgrenzung gegen das Fremde definieren, gelingt es ihnen schwer, über die Grenzen ihrer Nationalstaaten hinweg Kräfte zu bündeln. Das zeige sich auch im Europaparlament, wo es den Rechtsextremisten nicht gelingt, eine gemeinsame Fraktion zu bilden, so Kapust: "Sowohl Rechtsextreme als auch Rechtspopulisten haben ein Problem mit Europa. Sie kämpfen dagegen, sie wollen keine supranationale politische Einrichtung wie die EU. Sie wollen ein Europa der 'Vaterländer.' Sie wollen die Identität der eigenen Länder behalten."
Häufig bleiben Rechtspopulisten nur Protestparteien und werden nicht koalitionsfähig. Gleichzeitig üben sie aber einen Druck auf die konservativen Parteien der Mitte aus, das rechte Wählerpotential nicht aus dem Auge zu verlieren. Das zeigte sich auch in den Regionalwahlen in Frankreich im Februar, in denen sowohl die Sozialisten als auch die Front National starke Gewinne auf Kosten der Konservativen verbuchen konnten.
"Für die konservativen, am rechten Rand stehenden Wähler war die Regionalwahl die Möglichkeit, Sarkozy zu zeigen, dass sie von seiner Politik enttäuscht sind," meint Elisabeth Cadot, Frankreich-Expertin der Deutschen Welle. "In den letzten Präsidentialwahlen hatte Sarkozy es bereits geschafft der Front National das Wasser abgegraben, und viele hatten geglaubt, dass diese Partei damit am Ende sei - gerade weil Le Pen mit 81 Jahren auch nicht mehr der Jüngste ist. Aber nein, er hat erfolgreich seine Tochter ins Rennen geschickt, und viele von Sarkozys Politik Enttäuschte haben wieder Front National gewählt."
Selbsterklärte Saubermänner sind gegen Skandale nicht gefeit
Während nicht-etablierte und extremistische kleinere Protestparteien häufig schnell wieder von der Bildfläche verschwinden, wenn sie selbst in Finanz- oder andere Skandale verwickelt werden, gelingt es großen gemäßigt-rechtspopulistischen Volksparteien eher, solche Skandale zu überstehen. Viele Beobachter verblüfft es, dass die Popularität des italienischen Premiers Silvio Berlusconi, sogar seine zahlreichen Affären überdauert, wie sich bei den Regionalwahlen im März gezeigt hat. Dies liege vor allem an seiner geschickten Koalitionsbildung mit anderen Rechtspopulisten, meint Stefan Köppl, Italien-Experte an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing: "Berlusconis eigene Partei hat ja eher schwach abgeschnitten. Sie erreichte zwischen zwanzig und dreißig Prozent, je nach Region. Gewonnen haben aber nicht seine politischen Gegner, sondern seine Verbündeten, wie zum Beispiel die Lega Nord."
Hinzu komme ein Gewöhnungseffekt, meint Köppl: "Berlusconis Anhänger kennen seine Affären, Skandale, Ausrutscher etc. von ihm schon seit 15 Jahren. Wer ihm das schon vor 15 Jahren verziehen hat, ist jetzt für neue Vorwürfe auch nicht so empfänglich."
Eine Sonderstellung im rechtspopulistischen Spektrum nehmen die Bewegungen der Islam-Gegner ein. Der niederländische Abgeordnete Geert Wilders distanziert sich zum Beispiel deutlich von Antisemitismus oder anti-modernen Stereotypen, wie sie rechtsextreme Parteien häufig pflegen. Vielmehr inszeniert er sich als Exponent einer wehrhaften Demokratie.
Der Extremismusexperte Kapust sieht dennoch Parallelen zu anderen Bewegungen, die weniger Berührungsängste mit dem rechtsextremen Rand des politischen Spektrums zeigen: "Die Entwicklung in den Niederlanden steht durchaus in Verbindung zu dem Minarettverbot in der Schweiz und zu den Pro-Bewegungen in Deutschland, die auch den Anti-Islamismus auf ihre Fahnen geschrieben haben. Es besteht dazwischen eine Verbindung, und sie arbeiten auch sehr eng zusammen. Wissenschaftler sprechen bereits von einem 'anti-islamischen Rassismus', weil damit gezielt Angst geschürt wird und versucht wird, einen erkennbaren Gegner oder Feind aufzubauen."
Autor: Fabian Schmidt
Redaktion: Ursula Kissel