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Gabriel bleibt Parteichef

Sabine Kinkartz, z. Zt. Leipzig14. November 2013

Sigmar Gabriel ist erneut zum SPD-Vorsitzenden gewählt worden. Mit 83,6 Prozent Zustimmmung musste er einen Dämpfer hinnehmen. Zuvor hatte er für die Beteiligung der Sozialdemokraten an der künftigen Regierung geworben.

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Sigmar Gabriel nimmt Glückwünsche zu seiner Wiederwahl entgegen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Gabriel als SPD-Chef wiedergewählt

"Mitgliedervotum" steht mehrfach und in großen Buchstaben auf der roten Bühnenwand im Plenum, vor dem das Führungspersonal der SPD Platz genommen hat. Wer auf dem Parteitag am Rednerpult steht, ist von dem Begriff Mitgliedervotum praktisch eingerahmt. Das ist mehr als nur ein symbolischer Hinweis. Sehr viel wird davon abhängen, wie die SPD-Parteibasis im Dezember über eine Regierungskoalition mit der CDU/CSU abstimmen wird.

Das weiß niemand besser als Sigmar Gabriel, der am späten Nachmittag in Leipzig erneut zum SPD-Parteivorsitzenden gewählt wurde. 83,6 Prozent der Stimmen erhielt er, das sind acht Prozentpunkte weniger als bei der letzten Wahl vor vier Jahren. Gabriel sprach von einem "ehrlichen Wahlergebnis", das er angesichts der angespannten Stimmung in der Partei gut finde.

Vor 600 Delegierten warb der neue und alte Vorsitzende in einer rund eineinhalbstündigen Rede mit Nachdruck für eine Beteiligung der SPD an der kommenden Bundesregierung. "Die SPD kann in diesen Koalitionsverhandlungen viel für die Menschen in Deutschland erreichen", so Gabriel. Sie dürfe nicht zu einer Partei werden, die aus Angst vor den Mühen der Arbeit in einer ungeliebten Koalition die Chance verpasse, im realen Leben Dinge zum Besseren zu wenden.

Sigmar Gabriel, der SPD-Parteivorsitzende, während seiner Rede auf dem Parteitag in Leipzig. Foto: AFP PHOTO / JOHANNES EISELE
Muss noch viel Überzeugungsarbeit leisten: SPD-Parteivorsitzender GabrielBild: Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Große Skepsis

Bei vielen SPD-Mitgliedern stößt diese Aufforderung nach den Erfahrungen mit der großen Koalition zwischen 2005 und 2009 jedoch auf massive Bedenken. Nicht wenige Delegierte berichten auf dem Parteitag aus ihren Orts- und Kreisverbänden, dass es keine Mehrheit für eine Regierungsbildung mit CDU und CSU in Berlin geben werde. "Stellt euch vor, die Linkspartei bringt im Bundestag einen Gesetzentwurf ein, den wir als SPD von unserer Programmatik her eigentlich unterstützen müssten", ruft ein Delegierter dem Plenum zu. "Aus Koalitionsräson müssen wir aber dagegen stimmen. Dann werden wir so unglaubwürdig, dass wir bei der nächsten Bundestagswahl bei nur noch zehn Prozent landen." Selbst die Vize-Parteivorsitzende Manuela Schwesig meint, sie habe nicht nur Bauchschmerzen, wenn sie an eine große Koalition denke, sondern massive Magenkrämpfe.

Sigmar Gabriel weiß, dass er die Bedenken ausräumen muss, wenn er ein "Nein" der Partei im Dezember verhindern will. "Wir werden kein zweites Mal eine Politik betreiben, bei der die SPD wieder gegen ihr Selbstverständnis verstößt." Eine Regierungsbeteiligung der SPD komme nur dann infrage, wenn bestimmte Forderungen durchgesetzt würden. Dazu gehöre die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns von 8,50 Euro, die Bekämpfung der Altersarmut, die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft und die abschlagfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren.

Wer allerdings von der SPD-Verhandlungsgruppe in Berlin die Umsetzung von 100 Prozent des SPD-Wahlprogramms erwarte, der erwarte zu viel. "Frau Merkel ist über Nacht nicht zur Sozialdemokratin geworden", so Gabriel. So rechnet der Parteivorsitzende nicht mehr damit, dass die SPD Steuererhöhungen für Wohlhabende durchsetzen kann. Die Verhandlungsgruppe habe aber den Eindruck, "dass die Waagschale mit dem, was wir erreichen können, deutlich voller ist als die Waagschale mit den Forderungen, die wir nicht erreichen konnten".

Enttäuschendes Wahlergebnis

In seiner Rede analysierte der SPD-Vorsitzende auch die Gründe für die verlorene Bundestagswahl. Die Deutschen hätten Stabilität und Sicherheit gewählt und dabei der CDU mehr zugetraut als der SPD. Das gelte vor allem für die Fähigkeit, die wirtschaftliche Lage in Deutschland stabil und gut zu halten.

Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erhält am 14.11.2013 auf dem Bundesparteitag in Leipzig nach seiner Rede Applaus und Blumen. Der SPD-Bundesparteitag findet vom 14. bis zum 16. November statt. Foto: Hannibal/dpa
Rote Gerbera für Peer SteinbrückBild: picture-alliance/dpa

Mit der verlorenen Wahl beschäftigte sich in einer Rede auf dem Parteitag auch Peer Steinbrück, der als SPD-Kanzlerkandidat in den Wahlkampf gezogen war. Bei den Delegierten bedankte er sich "für einen couragierten und engagierten Wahlkampf". Es habe nicht an der Partei gelegen, dass die SPD ihr Ziel, "auf dem Fahrersitz der Regierung" Platz zu nehmen, nicht erreicht habe. Den Hauptteil der Verantwortung für das "enttäuschende Wahlergebnis" trage der Spitzenkandidat – "also ich".

Steinbrück forderte seine Partei auf, die Koalitionsverhandlungen mit Selbstbewusstsein zum Erfolg zu führen. Das Wesen der Demokratie sei der Kompromiss, allerdings nicht um jeden Preis. Für die Zukunft müsse die SPD mehr Überzeugungskraft entwickeln. Es reiche nicht aus, wenn die Partei an sich selbst glaube. Die SPD müsse die Bürger davon überzeugen, dass sie auf der Höhe der Zeit sei.

Nach der Wahlniederlage hat sich Steinbrück aus dem Führungszirkel der Partei zurückgezogen. Das sei aber kein Abschied, versicherte er den Delegierten, die seine Rede stehend mit lang anhaltendem Applaus honorierten. Die SPD werde sich, solange er lebe, auf seine Solidarität verlassen können. "Für unsere gemeinsamen Ziele gilt: Die Pferde meiner Kavallerie bleiben gesattelt."