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Strafzölle gegen chinesische Billig-Solarmodule

Gero Rueter5. Juni 2013

Die EU beschließt trotz vieler Proteste Strafzölle gegen Solarprodukte aus China. Solaranlagen könnten nun teurer werden. Außerdem befürchten Experten und Umweltschützer Jobverluste und ein Abbremsen der Energiewende.

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Ein Panel mit einer durchgestrichenen Aufschrift «Trade Protection» halten am 23.05.2013 Mitarbeiter einer Solarfirma in einem Konferenzraum in einem Hotel in Peking. (Foto: Stephan Scheuer/dpa )
Konflikt um Strafzölle für chinesische SolartechnikBild: picture-alliance/dpa

Trotz des Widerstands aus Deutschland und anderen EU-Staaten verhängt die EU-Kommission vorläufige Strafzölle gegen Solarprodukte aus China. Nach Schätzung der Kommission liegt der faire Marktpreis für Solarmodule um 88 Prozent höher als der derzeit verlangte. Allerdings werden die Zölle anfangs deutlich niedriger ausfallen als ursprünglich angenommen. Nach Angaben von EU-Handelskommissar Karel de Gucht betragen sie für die Monate Juni und Juli durchschnittlich 11,8 Prozent. Damit will De Gucht eine Verhandlungslösung zwischen China und der EU erleichtern. Sollte es zu keiner Einigung kommen, soll der Strafzollsatz ab August durchschnittlich 47 Prozent betragen.

Das Importvolumen chinesischer Solarprodukte nach Europa wird auf 21 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Damit ist dieses Anti-Dumping-Verfahren das mit Abstand größte der EU.

Angestoßen wurde es von Milan Nitzschke, Sprecher des Solarkonzerns SolarWorld. Nitzschke brachte europäische Solarhersteller in der Initiative Pro-Sun zusammen und beantragte bei der EU-Kommission Strafzölle gegen Billig-Solarprodukte aus China.  Das Land habe seine Solarindustrie stark subventioniert "mit rund 200 Milliarden Euro in den letzten Jahren", sagt Nitzschke im DW-Interview. Solarmodule würden so "unter den Herstellungskosten verkauft". Gleichzeitig werde die europäische Solarindustrie durch etliche Pleiten und Werksschließungen geschwächt. Dies dürfe nicht so weitergehen, fordert Nitzschke: "Wir wollen auf der Welt einen fairen Wettbewerb, die Strategie Chinas, ein Monopol aufzubauen, wäre schlimm für die solare Zukunft in Europa und Deutschland."

Doch die Strafzölle gegen China sind äußerst umstritten. Experten sehen die  Beziehungen zwischen China und Europa belastet, außerdem befürchten sie einen massiven Arbeitsplatzverlust in der Solarindustrie sowie eine Stagnation bei der Energiewende.

Milan Nitzschke , Konzernsprecher von Solarworld
Milan Nitzschke intitierte das Verfahren gegen ChinaBild: Solarworld

Durch die Zölle würden Solarmodule wieder teurer, der Solarboom in Europa werde geschwächt, kritisiert beispielsweise Thorsten Preugschas, Sprecher von der Allianz für Bezahlbare Solarenergie (AFASE): "Strafzölle auf chinesische Solarprodukte zu erheben ist falsch und könnte uns mehr als 200.000 Arbeitsplätze kosten."

Infografik Solarstrom
Solarstrom ist an vielen Orten schon heute die günstigste Energie. Zölle bremsen weitere Kostensenkungen.

Mehr Solarkraft für Industrie und Klimaschutz 

Philippe Welter, Herausgeber des internationalen Solarmagazins Photon, hält Strafzölle ebenfalls für den falschen Weg. Zwar profitierten chinesische Hersteller von Staatssubventionen und steuerlichen Abschreibevorteilen - Welter verweist aber auch auf die moderneren Produktionskapazitäten. "Chinesische Hersteller haben wesentlich schneller größere Kapazitäten aufgebaut" und könnten so mit modernen Fabriken günstiger produzieren.

Welter sieht aber auch die Verantwortung bei den europäischen Politikern. "Das Thema Klimaschutz ist nicht mehr so wichtig, dadurch haben wir zu wenig Nachfrage und nicht zuviel Produktion", so Welter im DW-Interview. Seiner Ansicht nach müsste die Solarkraft aus Klimaschutzgründen viel stärker angekurbelt werden. Dann gäbe es keine Absatzkrise in Europa und eine im Vergleich zu heute weltweit zehn Mal größere Produktionskapazität.

Aktive Politik statt Strafzölle

Gegen Strafzölle sprechen sich auch die großen Umweltverbände aus. Stephan Singer, Energieexperte vom World Wide Fund For Nature (WWF) in Brüssel, zeigt sich entsetzt über die Entscheidung der EU-Kommission. Er fordert statt Zöllen und Handelsstreit freundschaftliche Gespräche zwischen der EU und China, damit "Solarpanels nach wie vor kostengünstig in Europa verkauft werden, Solarenergie so billig wie möglich für alle Konsumenten wird, damit längerfristig die gesamte Solarbranche profitiert und viele Jobs entstehen." Singer hält den Freihandel und den Abbau von Handelsbarrieren für erneuerbare Energien und Umweltschutztechnologie für die richtige Strategie.

Auch Sven Teske von Greenpeace International befürchtet durch die Strafzölle ein "Abwürgen der Solarenergie" und damit Schaden für die Branche und den Klimaschutz. Teske schlägt dagegen verbesserte Abschreibebedingungen für die europäische Solarbranche vor, "damit diese im weltweiten Wettbewerb überlebt". Mit einem neuen Anziehen des weltweiten Solarmarkts rechnet er Mitte bis Ende nächsten Jahres.

Solarmodule (Foto: dpa - Bildfunk)
Um Solarmodule wie diese dreht sich der StreitBild: picture-alliance/dpa

Der Grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell lehnt die Strafzölle ebenfalls ab und sieht die Regierungsvertreter in Brüssel und Berlin in der Pflicht, um den Vorsprung, den Europa erarbeitet hat, zu halten: "Wir brauchen eine aktive Politik, Unterstützung der Europäischen Investitionsbank und eine deutliche Verstärkung der Forschung für Solartechnik", so Fell im DW-Interview. Der Energieexperte bedauert, dass die Politiker in Berlin und Brüssel diesbezüglich derzeit nicht aktiv werden. "Es wird sehr viele Tränen geben und mir tut es um jeden Arbeitsplatz leid, der in der Solarindustrie verloren geht."