Konzept für Bundeswehr
24. Oktober 2006Freiwilligen- oder Wehrpflichtarmee? Wie stark soll sich die Bundeswehr im Ausland engagieren? Welche Rolle übernehmen die Streitkräfte im Kampf gegen den internationalen Terrorismus? Bislang gab es auf diese Fragen vor allem Antworten der jeweils amtierenden Verteidigungsminister. Mit dem Weißbuch 2006 haben sich nun sämtliche Ressortchefs der Bundesregierung auf eine verbindliche Position verständigt.
Es ist das erste offizielle sicherheitspolitische Programm der Bundesregierung seit zwölf Jahren. Sie lässt keinen Zweifel daran, wer die Sicherheit Deutschlands bedroht: der internationale Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Die Bundesregierung will diesen Gefahren entgegentreten, sich aber auch an der Lösung regionaler Krisen beteiligen, für die Wahrung der Menschenrechte kämpfen und zur Verteidigung eines freien und ungehinderten Welthandels eintreten. In letzter Konsequenz auch mit Soldaten.
Diplomatie und Militär
Anders als im vorigen Weißbuch von 1994 spielt der Einsatz der Bundeswehr im Ausland nun eine zentrale Rolle: "Die Bundeswehr wird heute von den internationalen Einsätzen geprägt", heißt es in dem Dokument. Gleichzeitig warnt man davor, die Möglichkeiten des Militärs zu überschätzen: Diplomatische, entwicklungspolitische und wirtschaftliche Instrumente seien gleichwertig.
Derzeit sind rund 9000 Soldaten rund um den Globus unter deutscher Flagge im Einsatz, zukünftig können es aber noch mehr sein: maximal 14.000 in bis zu fünf Einsatzgebieten. Operationsgebiet ist die ganze Welt. Verteidigungsminister Franz-Josef Jung erklärt das so: "80 Prozent unseres Handels wird über See abgewickelt. Dazu gehört natürlich auch Energie- und Rohstoffsicherung. Und es war im Jahre 2002, als in der Straße von Hormus ein Öltanker terroristisch angegriffen wurde. Und deshalb gehört es auch dazu, auch derartige terroristische Aktivitäten zu unterbinden, wenn es um die Versorgung, Energiesicherung und auch um einen freien Seehandel geht."
Geburtsmakel
Etwas deutlicher als bisher formuliert die Bundesregierung im neuen Weißbuch nationale Interessen. Diese seien aber fast immer deckungsgleich mit denen internationaler Organisationen wie der Europäischen Union.
Dass Politik und Gesellschaft offener über nationale Interessen diskutieren, fordern Verteidigungsexperten seit Jahren. Ob dies allerdings mit dem nun vorgelegten Papier gelingt, bezweifelt der SPD-Verteidigungspolitiker Jörn Thießen: "Das Weißbuch trägt in der Entstehung einen Makel. Nämlich den, dass das Weißbuch zur breiten öffentlichen Diskussion anregen soll, aber in kleinen Zirkeln vorbereitet worden ist. Und dann wurde der Minister gestoppt: durch die Justizministerin und den Außenminister."
Anders als die Union wollen die von der SPD geführten Außen- und Justiz-Ressorts nicht, dass die Bundeswehr auch Polizeiaufgaben im Inland übernimmt, wie zuletzt im Vorfeld der Fußball-WM diskutiert. Im Weißbuch ist eine Entscheidung über die heikle Frage des Bundeswehr-Einsatzes im Innern vertagt. Dort heißt es lediglich: "Die Bundesregierung sieht die Notwendigkeit einer Erweiterung des verfassungsrechtlichen Rahmens für den Einsatz der Streitkräfte."
Konsens herrscht in der Großen Koalition bei einem Thema, das die Weißbuch-Arbeiten der rot-grünen Vorgängerregierung belastet hat: der Wehrpflicht. Sie bleibt.