Stärken und Schwächen der Equipe Tricolore
6. Juli 2016+ Unterstützung der Fans: Es hat gedauert, bis sich die Franzosen für die EM im eigenen Land und ihre Equipe Tricolore erwärmt haben, aber jetzt ist die Grande Nation aufgewacht. Gegen Angstgegner Deutschland muss sich das Team von Trainer Didier Deschamps keine Sorgen um mangelnde Unterstützung machen. Schließlich sind noch einige sportliche Rechnungen offen, die es aus französischer Sicht zu begleichen gilt. Die 62.000 Fans in Marseille werden alles geben. Zweimal klappte das bei Endrunden in Frankreich schon vorzüglich: 1984 wurden die Gastgeber Europameister, 1998 Weltmeister.
- K.o.-Fluch: Auch wenn die Länderspielbilanz Frankreichs gegen Deutschland positiv ist (12 Siege, 6 Remis, 9 Niederlagen) - in entscheidenden Spielen gewannen fast immer die DFB-Teams. Seit der WM 1958 (6:3 im Spiel um Platz drei) wartet Frankreich auf einen Erfolg in einem K.o.-Spiel gegen Deutschland. Die letzten drei Niederlagen haben sich schmerzlich in die französische Seele eingegraben: 7:8 nach Elfmeterschießen im Halbfinale der WM 1982, 0:2 im Halbfinale der WM 1986 und 0:1 im Viertelfinale der WM 2014.
+ Torwart und Kapitän: Hugo Lloris genießt einen ausgezeichneten Ruf. Der Torwart strahlt Ruhe aus, hat hervorragende Reflexe und gilt als Elfmeterkiller. Angeblich will kein Geringerer als Champions-League-Sieger Real Madrid ihn von seinem Verein Tottenham Hotspur loseisen. Lloris ist auch ein echter Kapitän. "Es reicht nicht, eine große Nation zu sein und schönen Fußball zu spielen", beschwor der 29-Jährige den Teamgeist schon vor dem 5:2-Sieg im Viertelfinale gegen Island. Gegen Deutschland trägt Lloris bereits zum 57. Mal die Kapitänsbinde, während der EM hat er seinen Trainer Deschamps (54 Spiele) als "Rekord-Kapitän" abgelöst.
- Anfällige Viererkette: Bacary Sagna, Adil Rami, Laurent Koscielny und Patrice Evra sind allesamt älter als 30 Jahre. Viel Erfahrung also, weniger Schnelligkeit. Vor allem der 35-jährige Evra auf der linken Seite hat Probleme mit quirligen Gegenspielern. Bei Standards und hohen Bällen von außen wirkte die Viererkette bei den bisherigen EM-Auftritten anfällig.
+ Flexibilität: Trainer Didier Deschamps passt seine Taktik dem Gegner an. Mal spielt er ein 4-3-3-System, dann wie gegen die Schweiz ein 4-4-2 oder wie gegen Island ein 4-2-3-1-System, das auch die deutsche Mannschaft bevorzugt. Im Achtelfinale gegen Irland stellte Deschamps sogar während des Spiels die Formation um. Mit Erfolg: Das Team verwandelte einen 0:1-Pausenrückstand in einen 2:1-Sieg.
- Nicht gefordert: Ohne die bisherigen Gegner der Equipe Trikolore kleinreden zu wollen, doch bei ihren Spielen gegen Rumänien, Albanien, Schweiz, Irland und Island mussten die Franzosen - im Gegensatz zur DFB-Elf im Viertelfinale gegen Italien - noch nicht an ihre Grenzen gehen. Jetzt muss das Team auf den Vollmodus umschalten: Gegen Weltmeister Deutschland wird es nicht reichen, einfach nur die Pflicht zu erfüllen.
+ Geballte Offensivkraft: Frankreich stellt den besten Angriff des Turniers. Zehn der elf EM-Tore steuerten Antoine Griezmann (4), Dimitri Payet (3) und Olivier Giroud (3) bei. Drei Spieler eines Teams mit drei oder mehr Treffern, das gab es noch nie bei einer EM. Der pfeilschnelle und brandgefährliche Griezmann ist der Motor des französischen Spiels, Payet der Mann für die Distanzschüsse und Flanken, Giroud der klassische Mittelstürmer, der im entscheidenden Augenblick dort steht, wo er stehen muss.
- Eigensinniger Pogba: Wozu allzu hohe Erwartungen führen können, demonstrierte bisher Paul Pogba bei dieser EM. Der 23 Jahre alte Mittelfeldstar der Franzosen wirkte übermotiviert und spielte meist zu eigensinnig. Immerhin traf Pogba gegen Island erstmals und zeigte ansteigende Form. Sollte er gegen Deutschland sein überragendes Talent optimal einsetzen, könnte aus dem - ein dickes + werden.
+ Kopfball-Stärke: Fünf ihrer elf Tore erzielten die Franzose per Kopf. Auch diese Quote wurde bisher noch niemals bei einer EM-Endrunde erreicht. Vor allem wenn Payet seine präzisen Flanken, Eck- oder Freistöße nach innen zieht, gilt für die deutsche Abwehr höchste Alarmstufe.