Tausende von Toten nach "Katrina"
5. September 2005Der amerikanische Gesundheitsminister Michael Leavitt sagte, er könne zwar keine genauen Angaben zu Opferzahlen machen, aber es sei offensichtlich, dass es tausende seien. Er warnte die verbliebenen Einwohner vor Krankheiten, Seuchen und dem besonders lebensgefährlichen West-Nil-Virus. Hitze, stehendes Wasser, menschlicher Abfall und Moskitos seien die ideale Brutstätte für Krankheiten, sagte Leavitt dem US-Fernsehsender CNN am Sonntag (4.9.2005). Damit äußerte sich erstmals ein Mitglied der amerikanischen Regierung zu den Opferzahlen der Katastrophe.
Schreckliche Szenen
US-Heimatschutzminister Michael Chertoff warnte vor schrecklichen Szenen angesichts der Toten. Überall könnten Leichen gefunden werden, sagte er dem Fernsehsender Fox. "Wir werden Menschen finden, die in den Häusern gestorben sind, vielleicht von den Fluten überrascht wurden." US-Präsident George W. Bush dankte am Sonntag den vielen tausend freiwilligen Helfern, die in einer einmaligen Welle der Solidarität helfen, damit die Betroffenen des Hurrikans wieder "Boden unter die Füße bekommen".
Derweil haben die meisten der völlig erschöpften Überlebenden nach tagelanger Verzögerung am Wochenende New Orleans verlassen können. In einem enormen Kraftakt wurden binnen 24 Stunden mehr als 25.000 Menschen in Sicherheit gebracht, wie die Katastrophenschutzbehörde am Samstag mitteilte. Die beiden größten Notunterkünfte, der Superdome und das Convention Center, sind nach US-Medienberichten komplett geräumt.
Suche nach Toten
In der besonders schwer getroffenen Stadt begannen Hilfskräfte am Sonntag parallel zu weiteren Rettungseinsätzen mit der schrecklichsten Phase der Bergungsarbeiten. Sie durchkämmten die überfluteten Straßen und Häuser nach Leichen. In der weithin verwüsteten Südstaatenmetropole strömte ein bestialischer Verwesungsgeruch aus vielen Gebäuden.
Vor den Absperrungen trafen allerdings auch am Wochenende weiterhin Hilfesuchende ein.
Fernsehreporter berichteten, dass sich zurückgelassene Hunde auf den Straßen zu Rudeln zusammenrotteten und die Abfallberge in der Stadt durchstöberten.
Hilfe aus dem Ausland
Auch die Hilfe aus dem Ausland lief langsam an. Am Sonntag startete ein zweiter Bundeswehr-Airbus mit Lebensmittelpaketen. Großbritannien sagte die Lieferung von 500.000 Nahrungsmittelrationen zu. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz kündigte die Entsendung von 80 Katastrophenschutzexperten aus zehn Ländern in die Krisengebiete an. Kuwait bot den USA Hilfen in Höhe von umgerechnet rund 400 Millionen Euro an. Auch China und Katar sagten Hilfsgelder in Millionenhöhe zu.
Laut EU-Kommission bat Washington in Brüssel um Decken, Medikamente, Wasser und eine halbe Million Nahrungsmittelrationen. Ein NATO-Offizier brach nach einer ähnlichen Anfrage der USA nach Washington auf. Präsident Bush rief zu Geld- und Blutspenden für das Rote Kreuz auf. Auch Freiwillige seien mit ihrer Unterstützung
willkommen, sagte er in Washington. Am Montag will er zu einem weiteren Besuch in das Katastrophengebiet reisen. Der US-Kongress bewilligte ein erstes Hilfspaket in Höhe von 10,5 Milliarden Dollar. Papst Benedikt XVI. sprach den Hurrikanopfern und den Angehörigen von Verstorbenen sein Mitgefühl aus. Er bete für sie, sagte er in seiner Sommerresidenz nahe Rom.
Gesamtschaden bis zu 100 Milliarden Dollar
Eine Woche nach dem Hurrikan, der ein Gebiet so groß wie Großbritannien verwüstete, stehen die Behörden vor einer humanitären Katastrophe. Rund eine Million Einwohner in drei Bundesstaaten verloren ihr Zuhause. Die Gesamtschäden werden auf bis zu 100 Milliarden Dollar (80 Milliarden Euro) geschätzt. Etwa 345.000 Menschen wurden laut CNN bis Sonntag in Notunterkünften untergebracht, davon 50.000 in Louisiana. Mindestens 350.000 Häuser wurden nach Behördenangaben zerstört. (mik)