Terrorgefahr aus dem Internet
29. August 2006So fordert der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, Internet-Provider durch ein Gesetz stärker in die Pflicht zu nehmen: Sie sollen Pläne zum Bau von Bomben aus dem Internet nehmen. Bislang müssen sie das nicht.
Islamisten aller Richtungen
Die Bedrohung, die entsteht, weil radikale Gruppen das Internet nutzen, ist nicht zu unterschätzen. "Es gibt genug Hinweise von Polizeidienststellen, Verfassungsschutz und Nachrichtendienst, dass das Internet eine Kommunikationsform von höchster Bedeutung für islamistische Gruppen ist", sagt Bernd Carstensen, stellvertretender Bundesvorsitzender vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Dabei nutzen sowohl einzelne Personen als auch ganze Netzwerke diese Plattform, um sich auszutauschen. Auch beim nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz heißt es, das Internet sei ein Betätigungsfeld für Islamisten aller Richtungen.
Schätzungen über die Zahl radikaler Islamisten-Websites gehen von rund 5000 Seiten aus. Chatrooms, in denen Terrorgruppen und einzelne Personen miteinander in Kontakt treten, dabei noch nicht mitgezählt. 1998 sollen es nach Angaben von Gabriel Weimann, Kommunikationswissenschaftler in Haifa und Autor des Buches "Terror on the Internet", noch ein Dutzend Terroristen-Webseiten gewesen sein. Spätestens seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 dürfte die Zahl nach Meinung von Experten deutlich zugenommen haben.
Technische Weiterentwicklungen werden genutzt
Dabei gibt es eine deutliche Entwicklung von der Propagandaplattform zur Kontaktbörse. "So wie das Internet in allen gesellschaftlichen Bereichen an Bedeutung gewonnen hat, ist es auch in solchen radikalen Gruppen", sagt BDK-Mann Carstensen, der zudem als Kriminalhauptkommissar im Landeskriminalamt (LKA) Schleswig-Holstein arbeitet. "Seit es die technischen Möglichkeiten für Chatrooms, Foren und passwortgeschützte Bereiche gibt, werden die auch von Terrorgruppen genutzt. Im Netz ist es möglich, sich anonym und sicher auszutauschen."
Schon heute durchforsten Polizei- und Verfassungsschutzbeamte das Internet auf strafbare Inhalte, zu denen auch islamistische Propaganda gehören kann. Das BKA und das Bundesministerium des Innern wollen jedoch keine konkreten Angaben dazu machen, in welchem Umfang dies geschieht – aus Sicherheitsgründen. Laut des Berufsverbandes BDK gibt es bei Polizei und Verfassungsschutz zahlreiche Beamte, die sich mit der Strafverfolgung im Internet beschäftigen, doch je nach Bundesland sei das unterschiedlich geregelt. Nicht jedes LKA habe eine eigene Dienststelle dafür. Und wenn doch, gehört zu dem so genannten Phänomenbereich auch Kinderpornografie oder Wirtschaftskriminalität im Internet.
Recherche mit Google & Co.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter stellt die bisherige Terrorfahndung im Internet grundsätzlich in Frage: "Wenn das wie bisher über die üblichen Suchmaschinen passiert, dann wirkt da bereits ein Filter, der strafbare Seiten blockiert", sagt Carstensen vom BDK. Außerdem seien die Beamten meist nicht ausreichend für diese Arbeit qualifiziert.
Wie die vom Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble angekündigte bessere Gefahrenabwehr und damit eine stärkere Internet-Kontrolle aussehen werden, steht noch nicht fest. Am 4. September soll auf einer Sonderkonferenz der Landesinnenminister darüber beraten werden. Vorbild kann nach Meinung von Experten dabei Großbritannien sein, das bei der Video-, Telefon- und Internet-Überwachung einiges voraushat.
Passende Ausbildung der Beamten erforderlich
Mehr Personal soll für eine zusätzliche Terrorbekämpfung im Web nicht unbedingt nötig sein. "Diese Arbeiten müssten zunehmend von Beamten mit entsprechender Ausbildung gemacht werden. Sie sollten in der Lage sein, die Suchergebnisse zu analysieren und entsprechende Sprachkenntnisse wie Arabisch haben", sagt Carstensen.
Wichtig sei auch die richtige Recherchetechnik, bei der die Beamten selbst die Suchparameter festlegen können. Außerdem sei es ein Problem, dass die Beamten bisher, wenn sie eine Internet-Seite mit strafbarem Inhalt entdecken, noch immer erst einen Screenshot machen und den Server-Betreiber finden müssen, bevor sie die Festplatte beschlagnahmen könnten. "Das kann allerdings Tage und Wochen dauern und die Inhalte sind längst gelöscht", sagt Carstensen. Dabei gäbe es in der freien Wirtschaft längst Programme, mit denen man nicht nur besser recherchieren, sondern auch noch fragwürdige Webseiten beweisträchtig im Internet sichern könne, sagt der BDK-Mann. "Im Polizeibereich ist es aber leider weit verbreitet, dass man lieber selbst Lösungen und Systeme entwickeln will, statt welche einzukaufen."