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"Noch nicht alle US-Sanktionen auf dem Tisch"

Irina Filatova / Mikhail Bushuev17. Juli 2014

Die USA können Russland wegen der Ukraine-Krise mit weiteren Maßnahmen noch härter treffen, als sie es schon jetzt tun, meint der Leiter des Moskauer Carnegie-Zentrums, Dmitri Trenin, im DW-Interview.

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Dmitri Trenin (Foto: DW)
Bild: DW/N. Jolkver

Deutsche Welle: Herr Trenin, wie bewerten Sie die jüngsten Sanktionen der USA und der EU gegen Russland? Haben sie eher Symbolcharakter oder treffen sie Moskau diesmal tatsächlich härter?

Dmitri Trenin: Was die EU angeht, so sind das noch eher symbolische Gesten, unterhalb der Schwelle wirklich harter Sanktionen gegen Russland, die wir als dritte Stufe bezeichnen. Die USA haben diese Schwelle nun überschritten. Ihr Vorgehen hat schon gewisse wirtschaftliche Auswirkungen. Es war längst abzusehen, dass die USA den Sanktionsdruck erhöhen werden. Sie haben noch nicht alle Sanktionen auf den Tisch gelegt, viele behalten sie sich noch für die Zukunft vor. Mit Hilfe der Sanktionen wollen sie das Vorgehen von Präsident Putin in der Ukraine-Krise, aber auch insgesamt in der Weltpolitik beeinflussen. Es sind jetzt ernste Schritte, aber nicht die letzten. Wir haben den Höhepunkt der Krise noch nicht erreicht.

Welche Strafmaßnahmen sind seitens der USA noch möglich?

Sie können noch strengere Sanktionen gegen russische Banken verhängen und so internationale Finanzoperationen sehr erschweren. Als Beispiel könnte hier der Iran dienen, die USA haben dem Land faktisch die Arbeit im internationalen Bankensystem unmöglich gemacht. Im Falle Russlands könnte das beispielsweise die Sperrung von Korrespondenzkonten bedeuten. Dann wäre es unmöglich, Gelder über amerikanische Banken zu verschicken. Die Einschränkung der Kreditvergabe sehen wir schon.

Welche Bedeutung hat diese Einschränkung für große russische Unternehmen?

Eine große. Allerdings sind nicht alle Mittel blockiert, die Unternehmen können an die internationalen Märkte gehen und privates Kapital aufnehmen. Aber man muss bedenken, russische Unternehmen haben schon sehr viele Kredite im Ausland aufgenommen. Wenn man das alles auf einmal zurückzahlen müsste, dann wäre dafür gar kein Geld da.

In Russland spricht man von alternativen Finanzierungsquellen in Asien. Ist das realistisch?

China könnte eine sein. Aber das würde nicht viel Geld bringen und die Bedingungen könnten inakzeptabel sein. Moskau ist bislang nicht bereit, sich weiter an China anzunähern und chinesischen Einfluss bei sich anzuerkennen.

Wie können die westlichen Sanktionen das Vorgehen der russischen Führung beeinflussen?

Moskau kann diese Sanktionen nicht gänzlich ignorieren. Zweifelsohne zeigen nicht nur die bereits verhängten Sanktionen ihre Wirkung, sondern auch die, die verhängt werden könnten. Sie haben eine abschreckende Wirkung. Aber ich glaube, dass die russische Führung sich schon darauf eingestellt hat, dass die USA ihre Politik der umfassenden Eindämmung Russlands fortsetzen werden. Vieles hängt davon ab, inwiefern diese Politik von den US-Verbündeten in Europa mitgetragen wird. Russland hofft, dass eine Reihe von Ländern, die entweder enge Handelsbeziehungen zu Russland unterhalten oder nicht ganz mit der US-Politik gegenüber Russland einverstanden sind, Russlands Wirtschaft Luft zum Atmen verschaffen. Es entsteht ein Kreis von Ländern, die Russland vielleicht nicht bemitleiden, aber zumindest die Gründe für Russlands Politik verstehen.

Bedeutet das, seitens der EU sind keine härteren Sanktionen zu erwarten?

Alles hängt davon ab, wie sich die Ereignisse in der Ukraine weiter entwickeln. Bislang entwickeln sie sich ziemlich brutal. Ich denke, wir sind erst am Ende des ersten Akts des ukrainischen Dramas, oder schon am Anfang des zweiten. Es wird noch viele Akte geben. Wie die Beteiligung Russlands oder anderer Länder dabei aussehen wird, kann man jetzt noch nicht vorhersehen.

Welche Auswirkungen haben die Sanktionen auf Russland Bruttoinlandsprodukt?

Nach offiziellen Einschätzungen könnten sie 0,2 bis 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten, was deutlich, aber nicht katastrophal ist. Anderen Schätzungen zufolge könnten sie ein Prozent des BIP kosten. In einer Zeit, in der sich die russische Wirtschaft in einem sehr instabilen Zustand befindet, können solche äußeren Einwirkungen sehr ernsthafte Folgen haben.

Der russische Politikwissenschaftler Dmitri Trenin leitet seit 2008 das Moskauer Carnegie-Zentrum.