Trump weitet Sanktionen gegen Venezuela aus
14. Juni 2017Gegenüber dem Krisen-gebeutelten Venezuela hat US-Präsident Donald Trump die Politik von Barack Obama bisher weitgehend fortgesetzt. Nun aber erwägt die US-Regierung offenbar, eine neue Dimension von Sanktionen zu eröffnen: Aus dem Weißen Haus hieß es, man überlege, die Ölgeschäfte mit Venezuela zu drosseln oder gar ganz zu kappen.
Erste Schritte gegen die Machthaber in Caracas leitete Washington Ende 2014 ein, als der US-Kongress Sanktionen gegen einzelne Funktionäre des autoritären Regimes beantragte. Im März 2015 traten sie mit einem Dekret in Kraft, mit dem der damalige US-Präsident Venezuela zu einer "außergewöhnlichen Bedrohung für die nationale Sicherheit und Außenpolitik der Vereinigten Staaten" erklärte.
Seither verhängten die USA immer wieder Einreiseverbote gegen venezolanische Amtsträger und froren ihre Vermögen ein. Gegen einige Granden der regierenden PSUV (Sozialistische Einheitspartei Venezuelas) wird in den USA sogar strafrechtlich ermittelt: So gelten Diosdado Cabello, Parteivize und ehemaliger Parlamentspräsident, sowie Venezuelas Vizepräsident Tareck El Aissami, der US-Justiz als zentrale Figuren des internationalen Drogenhandels.
Wachsendes Interesse an der Krise in Venezuela
Anfang Mai zeigte Washington, das sich unter dem neuen Präsidenten daran nichts ändert: Das Finanzministerium sperrte die US-Konten von acht venezolanischen Bundesrichtern, weil sie durch ihre Entscheidungen maßgeblich zur Entmachtung der Nationalversammlung in Caracas beigetragen haben sollen. Ende April hatte das Oberste Gericht das venezolanische Parlament sogar vollends entmachtet. Als dieses Urteil wenige Tage später revidiert wurde, hatte es schon jene Protestwelle ausgelöst, die bis heute anhält und bereits mehr als 60 Menschen das Leben gekostet hat.
Anfang Juni sagte Nikki Haley, US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, auf einer Sonderveranstaltung der US-Gesandtschaft in Genf zur Situation in Venezuela: "Die venezolanische Regierung führt eine gewaltsame Einschüchterungskampagne gegen unbewaffnete Demonstranten, Unternehmen, die Zivilgesellschaft und eine frei gewählte Opposition."
Plädoyer vor den Vereinten Nationen
Doch die toten Demonstranten dürften eher Auslöser, als Grund für das wachsende Interesse der USA an dem südamerikanischen Land sein. Schwerer dürften die Rolle des Regimes im Drogenhandel, seine diplomatischen Bande mit dem Iran und seine wachsende wirtschaftliche Abhängigkeit von China wiegen. Zudem hat die anhaltende Krise bereits viele Venezolaner und indirekt auch Menschen aus anderen Ländern Lateinamerikas veranlasst, sich auf den Weg in die USA zu machen.
Mitte Mai tauschte sich Donald Trump mit Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santosüber dessen Nachbarland aus. Einen Tag zuvor hatte Botschafterin Haley eine nicht-öffentliche Sitzung des UN-Sicherheitsrates zum Thema einberufen. Anfang Juni forderte sie im UN-Menschenrechtsrat, Venezuela müsse seinen Sitz in dem Gremium aufgeben , sollte es seine inneren Probleme nicht in den Griff bekommen: "Kein Land, das die Menschenrechte verletzt, sollte einen Platz an diesem Tisch haben." Eine UN-Resolution aber scheint derzeit nicht in Reichweite.
Wirtschaftssanktionen im Gespräch
Nun erwägen die USA also Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela zu erheben. Die Bandbreite reicht von einer Einschränkung der Geschäftstätigkeit des staatlichen Ölkonzerns PDVSA und seiner Tochter Citgo, die in den USA rund 6000 Tankstellen betreibt, bis hin zu einem völligen Importverbot.
Der Totalverlust des USA-Geschäfts würde die venezolanische Regierung gut ein Drittel seiner offiziellen Deviseneinnahmen kosten: 95 Prozent stammen aus dem Export von Rohöl, rund 40 Prozent davon kommen aus den USA. "Sicherlich könnte Venezuela sein Öl auch an andere Länder verkaufen", sagt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), "dies wird kurzfristig jedoch schwierig und nur in begrenztem Umfang möglich sein."
Zudem könnten höhere Transportkosten und Risikoabschläge den Erlös schmälern, sagt Alejandro Grisanti Capriles von der Wirtschaftsberatung Ecoanalítica in Caracas. Zunächst aber werde es schwer, überhaupt zahlungsfreudige Großabnehmer zu finden: "China würde für venezolanisches Öl wohl kaum Geld überweisen", sagt Grisanti, eher würde es die Lieferungen mit dem Fünf-Milliarden-Dollar Kredit verrechnen, den es dem Regime in Caracas 2013 einräumte.
Zweifelhafte Aussichten
Für Venezuela würde dies eine weitere Verschärfung der ohnehin prekären Versorgungs- und Sicherheitslage bedeuten. Schon heute sind Lebensmittel, Hygieneartikel und lebenswichtige Medikamente rationiert und für Menschen ohne Beziehungen zu einem regierungsnahen Organ nur noch auf dem Schwarzmarkt erhältlich. Und die Hauptstadt Caracas ist zu einer der gefährlichsten Städte der Welt geworden.
"Die US-Regierung sieht das venezolanische Regime vermutlich am Rande des Sturzes und glaubt, dass solch eine Maßnahme der Tropfen sein könnte, der das Fass zum Überlaufen bringt", sagt Juan Carlos Hidalgo, Lateinamerika-Experte des Washingtoner Cato Institute. Doch Wirtschaftssanktionen, sagt Hidalgo hätten nur selten funktioniert: "Sie treffen vor allem die, denen sie helfen sollen, garantieren aber nicht das Ende des Regimes. Denken wir nur an Kuba nach mehr als 50 Jahren Handelsembargo."
Folgen für die USA
Ob und in welchem Maße die USA Venezuela überhaupt mit einem Importverbot für Erdöl belegen, bleibt fraglich, weil das venezolanische Öl - trotz gesunkenem Anteil - immer noch rund acht Prozent an den Öl-Importen der USA beträgt. Über die Folgen eines Wegfalls dieser Menge für die US-Wirtschaft sind sich Experten uneins.
Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagt: "Aufgrund des Überangebots an Öl auf den internationalen Märkten - auch ausgelöst durch die USA mittels Fracking - würden solche Sanktionen eher wenig Wirkung auf den Ölpreis haben." Auch der Venezolaner Grisanti glaubt, dass die USA das Öl aus Venezuela mit Importen aus Mexiko, Kanada oder Brasilien ersetzen könnten.
Cato-Analyst Hidalgo sieht das jedoch anders: "Vor allem in den Regionen, in denen das venezolanische Rohöl verarbeitet wird - Texas und Louisiana -, könnten die Treibstoffpreise steigen." Deshalb bezweifelt er stark, dass die Trump-Regierung sich zu solch drastischen Maßnahmen entschließen wird.
Venezuelas Zukunft
Ein Beschluss scheint ohnehin noch nicht gefasst. Der Venezolaner Grisanti vermutet, dass man den 30. Juli abwartet. An dem Tag sollen die Venezolaner ihre Vertreter für eine verfassungsgebende Nationalversammlung wählen, die, geht es nach Präsident Nicolás Maduro, Venezuelas Verfassung nach seinen Vorstellungen neu gestalten soll.
Eine demokratisch gewählte Versammlung, das gilt als sicher, würde ihm diesen Wunsch nicht erfüllen. Ob das venezolanische Regime solch eine Abstimmung jedoch zulässt, gilt als fraglich. "Venezuela steuert auf einen Wendepunkt zu, und die nächsten Wochen werden entscheidend sein", sagt Grisanti. Die US-Regierung, vermutet er, wird mit ihrer Entscheidung warten, bis klar ist, ob Venezuela vollends auf dem Weg in eine Diktatur ist.