TSMC: Globaler Chip-Champion an heiklem Standort
3. August 2022Es ist alles andere als ein Zufall, dass Nancy Pelosi bei ihrem Taiwan-Besuch auch Mark Liu trifft. Er ist der Chef des wertvollsten Unternehmens der demokratischen Inselrepublik, der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC). Und damit hält Liu die Fäden für die Versorgung der Weltwirtschaft mit Halbleitern in der Hand: von hochwertigen Chips für die Luft- und Raumfahrt bis zur Massenware für die elektronische Steuerung von Autos oder Kühlschränken.
Wenn in Taiwans Halbleiter-Metropole Hsichnu an der Nordwestküste der Inselrepublik die Chip-Produktion stockt, dann müssen irgendwann in Deutschland - auf der anderen Seite der Welt - Autobauer ihre Montagebänder anhalten und Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken.
In 30 Jahren an die Weltspitze
In der zollfreien Zone um die Stadt Hsinchu, die noch nicht einmal 500.000 Einwohner zählt, hat man seit den 1980er Jahren auf die Halbleiter-Industrie gesetzt. Hier, weniger als 150 Kilometer vom chinesischen Festland entfernt, sitzen zwei der wichtigsten Universitäten der Insel, die Fachkräfte für die Unternehmen im Hsinchu Science Park ausbilden. Hier ist die Optische Industrie genauso vertreten wie eine Reihe von Taiwans Solar-Unternehmen. Das Herzstück bilden aber die 20 Halbleiterhersteller, die Chips für die digitalen Megatrends der Weltwirtschaft produzieren. Von hier aus beliefern die beiden weltgrößten Auftragsfertiger für Halbleiter, TSMC und UMC, die Welt mit ihren Hightech-Produkten.
TSMC ist mit rund 65.000 Mitarbeitern der unangefochtene Platzhirsch - und das nicht nur in Taiwan, sondern weltweit. TSMC stellt mehr 10.000 verschiedene Produkte her, sie sind die Taktgeber der digitalen Welt.
Unbekannt und doch systemrelevant
Auf keinem der Produkte ist das Firmen-Logo zu sehen. Denn TSMC ist eine so genannte Foundry, was auf deutsch 'Gießerei' bedeutet. Sie sind Auftragsfertiger, die im Auftrag von Apple und anderen Hightech-Konzernen hochwertige Halbleiter produzieren. Denn viele der bekanntesten Hightech-Konzerne der Welt sind fabless", das heißt 'ohne (eigene) Fabrik' und widmen ihre Energie ganz der Entwicklung und dem Design der Halbleiter. Produziert werden die Chips dann in einer Foundry wie TSMC.
Selbstbewusste Ansage
Mark Liu leitet dieses extrem wichtige Unternehmen, von dem die meisten Menschen noch nie zuvor gehört haben. Und kurz vor dem Pelosi-Besuch in Taiwan warnte der TSMC-Chef im Gespräch mit CNN, dass eine chinesische Invasion zum Stillstand der Chip-Produktion in den TSMC-Fabriken führen würde.
In einem seiner seltenen Interviews, das am Montag ausgestrahlt wurde, stellte der TSMC-Chef selbstbewusst fest: "Niemand kann TSMC mit Gewalt kontrollieren." Bei der Anwendung militärischer Gewalt oder bei einer Invasion "wäre eine TSMC-Fabrik nicht mehr betriebsfähig", sagte Liu, ohne diesen Gedanken fortzuführen, was genau dahinter steckt. Nur soviel: "Das sind sehr hoch entwickelte Produktionsanlagen, die von der Echtzeit-Verbindung mit der Außenwelt abhängen, mit Europa, Japan, mit den USA."
Marktbeherrschend wie kein anderes Unternehmen
TSMC beherrscht mehr als die Hälfte des weltweiten Halbleitermarktes. Kunden sind eigentlich alle, die Rang und Namen haben in der globalen Halbleiter-Branche: Neben Apple und dem Chip-Spezialisten für Mobilfunkkommunikation, Qualcomm, lässt auch der deutsche Halbleiter-Champion Infineon in Taiwan fertigen.
Die US-Schwergewichte Intel und Broadcom lassen die von ihnen entwickelten Halbleiter genauso von TSMC produzieren wie der US-Spezialist für Grafikprozessoren Nvidia. Alle technologischen Schwergewichte, die bei aktuellen Mega-Trends wie Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz oder autonomen Fahren mitmischen, sind abhängig von den Halbleiter-Spezialisten aus der Stadt Hsinchu in Taiwan.
"Die haben sich eine systemrelevante Position erarbeitet", wird Peter Fintl, Halbleiter-Experte der Beratungsgesellschaft Capgemini im Handelsblatt zitiert. Auch bei Fertigungsverfahren für High End-Chips - etwa für die Luft- und Raumfahrt oder die Rüstungs-Industrie - ist TSMC weltweit führend.
In den USA werden Halbleiter aus der TSMC-Chipschmiede in F-35-Kampfflugzeugen verbaut oder im Panzerabwehr-Waffensystem Javelin, mit dem die Ukraine russische Panzer ausschalten konnte. Außerdem treiben die TSMC-Komponenten Supercomputer der Nationalen Laboratorien in den USA an, in denen Spitzenforschung betrieben wird, die für die USA von nationalem Interesse ist.
Nicht nur Spitzentechnologie
Weil die Spezialisten aus Taiwan auch weniger anspruchsvolle Chips für die Autoindustrie herstellen, ist die globale Industrie von einer ungestörten Produktion bei TSCM besonders abhängig. Kein Wunder, dass im Rest der Welt die Alarmglocken schrillen, wenn Peking mit der Invasion und Eingliederung Taiwans in die Volksrepublik droht.
Seit US-Präsident Donald Trump den Druck auf asiatische Hightech-Konzerne erhöht hat, Produktionsanlagen in den USA aufzubauen, hat sich einiges getan. In Arizona entsteht bis 2024 eine neue TSMC-Chipfabrik. Kostenpunkt: 12 Milliarden US-Dollar. Ab dem ersten Quartal 2024 wollen die Auftragsfertiger aus Taiwan in der Nähe von Phoenix Halbleiter für US-Kunden wie Apple, Nvidia oder Qualcomm produzieren.
Es ist nicht der erste Standort von TSMC in den USA. Das Unternehmen produziert bereits in Werken an der Westküste Wafer, hauchdünne Scheiben, auf denen die integrierten Schaltkreise, die Mikrochips, hergestellt werden. In Texas unterhält TSCM Forschungs-Zentren für das Design von Prozessoren.
Mehr Produktion in den USA und Europa
Beim Gespräch mit Pelosi geht es nach Informationen der Washington Post auch um den gerade vom US-Kongress verabschiedeten Chips and Science Act. Mit insgesamt 52 Milliarden Dollar wollen die USA neue Chipfabriken auf amerikanischem Boden fördern. Die üppigen Subventionen winken allerdings nur den Herstellern, die darauf achten, dass besonders sensible Chip-Technik nicht in der Volksrepublik produziert wird. Denn kein Land strebt seit Jahren so sehr danach, das Know-how für die Herstellung von High-End-Chips zu erlangen, um in der Rüstung oder der Luft- und Raumfahrt mit dem Westen mitzuhalten zu können, um ihn dann technologisch zu überholen.
Im Interview mit dem Fernsehsender Welt bringt es der China-Experte und DW-Kolumnist Alexander Görlach von der Universität Oxford auf den Punkt: "China hat Interesse an der Halbleiterproduktions-Industrie Taiwans, denn China hat die Seltenen Erden und Taiwan hat die Technologie und das Know-how." Das sei einer der zentralen Gründe, warum Deutschland und die USA nicht einfach so zuschauen könnten, dass Taiwan von der Volksrepublik eingenommen wird, so Görlach. "Weil dann auch bei uns kein Auto mehr vom Band läuft, wenn die Chips aus Taiwan nicht kommen."
Europas Halbleiter-Programm
Auch die EU arbeitet daran, mehr für seine Unabhängigkeit von Chip-Produzenten zu tun und plant, mehr für die eigene Halbleiter-Industrie zu tun. Mit ihrem European Chips Act will die EU-Kommission die Chipindustrie mit öffentlichen Mitteln in Höhe von 43 Milliarden Euro unterstützen. Das Ziel: der Anteil Europas an der weltweiten Chipproduktion soll bis 2030 von knapp zehn auf 20 Prozent verdoppelt werden. Die geplante Ansiedlung einer riesigen Chip-Fabrik des US-Konzerns Intel in Magdeburg (Bundesland Sachsen-Anhalt) ist ein Schritt auf diesem Weg.
Bis es soweit ist, kommt niemand an Taiwan vorbei: Denn hier werden nach Angaben des US-Branchenverbands Semiconductor Industry Association mehr als 90 Prozent der weltweit produzierten High End-Chips hergestellt - und TSMC hat daran mit Abstand den größten Anteil.
Mark Liu ist für sein Understatement bekannt. Auf die Frage, warum es China trotz milliardenschwerer Staatssubventionen nicht schaffe, Chips in so hoher Qualität zu produzieren wie Taiwan, antwortete der TSMC-Chef bei CNN mit einem Lächeln: "Oh, das können sie, nur einige Jahre später als wir."