Türkei will Gaza-Hilfsschiffe künftig sichern
9. September 2011Der Konflikt um die Gaza-Flotte zwischen Israel und der Türkei spitzt sich weiter zu, der Ton wird härter. Künftig würden türkische Hilfslieferungen für den von Israel abgeriegelten Gazastreifen unter den Schutz von Kriegsschiffen gestellt, sagte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag (08.09.2011) dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira. "Wir haben humanitäre Hilfe, die dorthin geschickt werden soll. Und unsere humanitäre Hilfe wird nicht mehr angegriffen, wie es bei der 'Mavi Marmara' geschehen ist", so Erdogan.
Seine Worte bezogen sich auf den israelischen Militäreinsatz im vergangenen Jahr gegen das türkische Gaza-Hilfsschiff "Mavi Marmara". Dabei waren neun türkische Aktivisten getötet worden. Niemand habe das Recht, Schiffe in internationalen Gewässern anzugreifen, sagte der türkische Regierungschef. Bei einem erneuten Angriff auf Schiffe mit Hilfslieferungen für das Palästinensergebiet müsse Israel mit einer "angemessenen Antwort" rechnen.
Die türkisch-israelischen Beziehungen sind seit dem Einsatz auf der "Mavi Marmara" am 31. Mai 2010 schwer belastet. Israel hatte es zwar bedauert, dass dabei Menschen gestorben seien. Doch eine förmliche Entschuldigung, wie sie Ankara verlangt, lehnt das Land bis heute ab. Auch die türkische Forderung, die Angehörigen der Opfer finanziell zu entschädigen, will Israel nicht erfüllen. Von israelischer Seite heißt es, die Elitesoldaten haben Gewalt anwenden müssen, als sie das Schiff enterten, um sich selbst zu verteidigen.
Türkei will Mittelmeer beobachten
Erdogan sagte weiter, die Türkei behalte sich das Recht vor, die territorialen Gewässer im östlichen Mittelmeer zu kontrollieren. Sein Land habe zudem Schritte eingeleitet, um eine einseitige Nutzung der dortigen natürlichen Ressourcen durch Israel zu unterbinden. Konkreter wurde er allerdings nicht. Israel hatte im Juli angekündigt, von den Vereinten Nationen eine exklusive Wirtschaftszone in einem Gebiet des Mittelmeers zu beantragen, in dem Gasvorräte liegen, die auch der Libanon für sich beansprucht.
Die türkische Marine werde sich dort ab sofort "sehr häufig" zeigen. Erdogan hatte bereits am Dienstag eine verstärkte Militärpräsenz seines Landes im östlichen Mittelmeer angekündigt. Er warf Israel zudem vor, sich bezüglich der Hilfsflotte wie ein "verzogenes Kind" aufgeführt und "Staatsterror" betrieben zu haben.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach sich daraufhin zwar für eine "Verbesserung" des Verhältnisses beider Staaten aus. Bei einer Rede vor Angehörigen der israelischen Marine in der Hafenstadt Haifa lobte er aber die Marinesoldaten, die an dem tödlichen Angriff auf die "Mavi Marmara" beteiligt waren.
UN kritisierten Einsatz als "exzessiv"
Ein Bericht der Vereinten Nationen über den Militäreinsatz auf der "Mavi Marmara'" ließ den Streit zwischen der Türkei und Israel eskalieren. Die Türkei wies daraufhin am vergangenen Freitag den israelischen Botschafter aus und legte alle Militärabkommen mit Israel auf Eis.
In dem Bericht wurde Israel zwar vorgeworfen, bei dem Einsatz "exzessiv" und "unverhältnismäßig" Gewalt angewendet zu haben. Zugleich wurde die Seeblockade des Gazastreifens und ihre notfalls auch gewaltsame Durchsetzung durch Israel aber als rechtens bewertet.
Israel begründet die Blockade damit, den Waffenschmuggel in das Palästinensergebiet, in dem die radikal-islamische Hamas herrscht, verhindern zu wollen.
Israel: türkische Pläne "schlimm"
Nach der türkischen Ankündigung, dass künftig Militärschiffe Hilfsschiffe begleiten sollen, hieß es aus Israel, man wolle den Streit nicht noch weiter anheizen. "Diese Äußerungen sind schlimm und schwierig", sagte Geheimdienstminister Dan Meridor am Freitag dem israelischen Armeeradio. "Doch es ist besser, zu schweigen und abzuwarten. Wir haben kein Interesse daran, die Situation durch verbale Angriffe zu verschärfen." Zugleich sagte der Geheimdienstminister, die Türkei würde Völkerrecht verletzen, sollte sie versuchen, die israelische Seeblockade zu durchbrechen. Schließlich habe der UN-Bericht die Blockade als legitim anerkannt.
Ein ranghoher israelischer Regierungsvertreter sagte, eine solche Maßnahme seitens der Türkei würde "eine sehr schwere Provokation" bedeuten. "Es ist angesichts der Verpflichtungen der Türkei gegenüber der NATO sehr schwer vorstellbar, dass die Türkei so weit gehen würde", so seine Einschätzung. Zweifelsohne haben die Beziehungen zwischen Israel und der Türkei damit einen neuen Tiefpunkt erreicht.
Autorin: Naima El Moussaoui (dpa, afp, rtr)
Redaktion: Ursula Kissel