UN bedauern Streit zwischen Türkei und Israel
3. September 2011Den Bericht zum Militäreinsatz Israels gegen ein türkisches Schiff der Gaza-Hilfsflotte hatte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, in Auftrag gegeben - mit dem Ziel, beide Länder "wieder zusammenzubringen". Doch nun ist das Gegenteil eingetroffen. Der seit Monaten schwelende Streit ist eskaliert.
Ban rief deshalb die Türkei und Israel am Samstag (03.09.2011) auf, ihre Beziehungen zum Wohle des Nahen Ostens wieder zu normalisieren. Beide Länder spielten eine wichtige Rolle in der Region, und ein gutes Verhältnis zwischen ihnen sei sehr wichtig, auch für den Friedensprozess, sagte Ban während eines Besuchs in Australien. Er "hoffe aufrichtig, dass Israel und die Türkei ihre Beziehungen wieder verbessern". Die Türkei hatte als erster mehrheitlich muslimischer Staat Israel 1949 anerkannt.
Ankara riskiert den Bruch mit Israel
Am Freitag hatte die Türkei den israelischen Botschafter in Ankara ausgewiesen, alle Militärabkommen mit Israel auf Eis gelegt und ihre diplomatische Präsenz in Israel reduziert. Staatspräsident Abdullah Gül drohte mit weiteren Schritten. Israel bedauerte die Entwicklung. Nur Stunden zuvor war der Inhalt eines offiziell erst am Freitagnachmittag veröffentlichten UN-Berichts bekanntgeworden.
Eine vierköpfige UN-Kommission legte darin ihre Untersuchungsergebnisse zu dem Vorfall auf See vom 31. Mai 2010 vor: Das israelische Militär hatte das Schiff "Mavi Mamara", das zusammen mit anderen Booten die von Israel verhängte Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen und 10.000 Tonnen Hilfsgüter zu den Palästinensern bringen wollte, von Kommandobooten und Hubschraubern aus angegriffen. Dabei wurden neun türkische Aktivisten getötet und mehr als 50 weitere verletzt.
UN-Bericht sieht Schuld auf beiden Seiten
In dem 105 Seiten langen Untersuchungsbericht wird die israelische Position in wesentlichen Punkten gerechtfertigt. Die verhängte Seeblockade des Gazastreifens wird als "rechtmäßig und angemessen" bezeichnet. Den israelischen Soldaten wird bescheinigt, sie hätten sich gegen Angriffe der Menschen an Bord des türkischen Schiffes wehren dürfen. Allerdings rügt die UN-Untersuchungskommission zugleich die "exzessive und nicht angebrachte Gewalt". Der Verlust von Menschenleben sei "inakzeptabel". Der Türkei wird hingegen vorgehalten, dass sie nicht genug dafür getan habe, die Organisatoren der Flotille von ihrem Plan abzubringen. In dem UN-Papier heißt es über einen Teil der Blockadebrecher, es "hätten sich ernsthafte Fragen über ihr Verhalten sowie über ihre wahren Absichten und Ziele" ergeben.
In dem UN-Papier wird Israel geraten, Entschädigungen zu zahlen und den Verlust an Menschenleben als bedauerlich zu bezeichnen. Entschädigungen hat Israel nach Medienberichten abgelehnt. Israel vertritt den Standpunkt, dass die Mitglieder des Spezialkommandos an Bord des Schiffes in Selbstverteidigung handelten und verweigert jede Entschuldigung. Sein Bedauern über die Opfer hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu aber bereits geäußert.
Israel und Türkei weisen jede Kritik zurück
Die Repräsentanten Israels und der Türkei wiesen jede im Bericht geäußerte Kritik an ihren Ländern zurück. Der türkische Vertreter widersprach der Ansicht der UN-Kommission, dass die Seeblockade legal sei und berief sich dabei auf einen Bericht des UN-Menschenrechtsrats sowie auf den Grundsatz der Freiheit der Meere. Die Absicht der Flotte sei humanitär gewesen und die Teilnehmer hätten nur zu ihrem eigenen Schutz Widerstand geleistet.
Der israelische Vertreter sagte, die Kommandoaktion sei nicht übertrieben gewesen. Die Besatzung der "Mavi Marmara" sei zuvor wiederholt über das geplante Vorgehen informiert worden. Israel begründet die Blockade des Gazastreifens damit, den Waffenschmuggel in das Palästinensergebiet verhindern zu wollen.
In einer Erklärung zur Veröffentlichung des Berichts dankte Ban der UN-Kommission sowie Israel und der Türkei für ihre Kooperation. Der Generalsekretär enthielt sich aber jeden Kommentars über den Inhalt des Berichts.
Neben den UN forderten auch die USA die Kontrahenten auf, ihren Streit beizulegen. Die USA verbinde mit beiden Ländern eine lange Freundschaft, sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums am Freitag in Washington. Es sei bedauerlich, dass die Türkei und Israel ihre Differenzen nicht hätten beilegen können.
Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief die Türkei und Israel dazu auf, zum Dialog zurückzukehren. "Die Bundesregierung sieht diese jüngsten Auseinandersetzungen (...) mit großer Sorge", sagte er am Samstag im polnischen Zoppo am Rande eines Treffens der EU-Außenminister. Berlin rufe "alle Beteiligten auf, hier keine neuen Verschärfungen ins Spiel zu bringen, sondern auf Entspannung und Gesprächsfähigkeit hinzuarbeiten".
Autorin: Ursula Kissel (dapd, dpa, afp, rtr)
Redaktion: Siegfried Scheithauer