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Doch kein Schwenk nach rechts

Roman Goncharenko26. Oktober 2014

Seit Monaten warnt vor allem Russland vor Rechtsextremismus oder gar Faschismus in der Ukraine. Das vorläufige Ergebnis der Parlamentswahl zeigt dagegen: Für Rechtsaußen-Politiker gibt es wenig Platz.

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Oleh Ljaschko bei der Stimmabgabe (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Als am Sonntagabend um Punkt 20 Uhr die ersten Ergebnisse der Wählerbefragungen veröffentlicht werden, herrscht im Ukrainischen Haus Totenstille. Der Großbildschirm ist eingefroren, zu sehen ist ein rotes Kreuz - eine Fehlermeldung. Hier, in einem Museum auf dem Europaplatz in der Kiewer Stadtmitte, ist die Wahlkampfzentrale der Radikalen Partei des Rechtspopulisten Oleh Ljaschko (Artikelbild). Kein Jubel bricht aus, es gibt keine Party. Die Partei liegt bei rund sechs Prozent und schafft wohl gerade noch den Einzug ins Parlament. Dabei galt Ljaschko vor dieser vorgezogenen Parlamentswahl als ein einer der Favoriten. Ihm wurden Platz zwei und ein zweistelliges Ergebnis prognostiziert.

Der 41-Jährige scheint von dem schlechten Abschneiden seiner Partei nicht überrascht. Ruhig tritt er vor die Presse, um zunächst Slata Ognewitsch anzukündigen. Noch vor einem Jahr vertrat die bildhübsche Ukrainerin ihr Land beim Eurovision Song Contest (ESC), nun wird sie für die Radikale Partei im Parlament sitzen. Slata singt die Hymne der Ukraine und Ljaschko erklärt mit ruhiger Stimme, dass er die Entscheidung der Wähler akzeptiere. "Wir haben zwar auf mehr gehofft", gibt er zu und spricht trotzdem von einem Vertrauensbeweis.

Absturz eines Überfliegers

In Wirklichkeit sieht es eher nach einem Absturz aus. Noch im Sommer kratzten die Umfragewerte für die Radikale Partei an der 20-Prozent-Marke. Nun bekam sie ungefähr so viel, wie Ljaschko selbst bei der Präsidentenwahl im Mai. Damals wurde er mit rund acht Prozent Dritter.

Zlata Ognevich singt mit Oleg Ljaschko die ukrainische Hymne (Foto: R. Goncharenko/DW)
Slata Ognewitsch singt die Hymne der UkraineBild: DW/R. Goncharenko

Und doch zieht Ljaschko jetzt mit einer eigenen Fraktion ins Parlament ein. Er verdankt es offenbar seinem Talent als Selbstdarsteller. Und möglicherweise der Hilfe von mächtigen Freunden, wie seine politischen Gegner behaupten. Feste Beweise dafür gibt es nicht, nur Hinweise. So tauchte Ljaschko oft in politischen Talkshows auf. Es waren TV-Kanäle, die den mächtigen Oligarchen aus der Umgebung des ehemaligen Präsidenten Janukowitsch gehören. Auch das staatliche russische Fernsehen lud Ljaschko gerne in Talkshows ein.

Der ukrainische Schirinowski

Ljaschko wurde 1972 im nordukrainischen Tschernihiw geboren. Er wuchs in einfachen Verhältnissen in einem Waisenhaus auf. Studium an einer Fachschule, der erste Job in einer Kolchose. Sein Weg in die Politik führte über die Presse: Ljaschko war Redakteur bei diversen wenig bekannten Zeitungen.

Während der Orangenen Revolution 2004 unterstützte er die Opposition und schloss sich der Partei der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, Batkiwschtschina (Vaterland), an. 2006 wurde er zum ersten Mal ins Parlament gewählt. Politische Beobachter in Kiew beschreiben ihn als begnadeten Redner und Selbstdarsteller. Ljaschko wird oft mit dem skandalumwitterten russischen Rechtspopulisten Wladimir Schirinowski verglichen.

Die Stunde des Rechtspopulisten

2010 wurde Ljaschko aus der Timoschenko-Fraktion ausgeschlossen. Der Grund: Er stimmte zusammen mit der prorussischen Partei der Regionen ab. Seitdem entwickelte Ljaschko sein eigenes politisches Projekt - die Radikale Partei. Bei der Wahl 2012 bekam sie rund ein Prozent der Stimmen, Ljaschko gewann jedoch ein Direktmandat. Schon damals wählte er eine Mistgabel, Symbol der Bauernaufstände in der Ukraine, zu seinem Markenzeichen.

Während der oppositionellen Bewegung im Winter 2013/14 stellte sich Ljaschko auf die Seite der Demonstranten. Er gab sich volksnah, ließ sich gerne auf den Barrikaden fotografieren. Nach der russischen Annexion der Krim sah er seine Stunde gekommen. Ljaschko reiste in die Ostukraine und machte medienwirksam Jagd auf prorussische Separatisten. Er verhörte und beschimpfte, wurde gerne handgreiflich.

Doch in den Wochen vor der Wahl stellten die ukrainischen Meinungsforscher sinkende Zustimmung für Ljaschko fest. Möglicherweise schoss er sich selber ins Bein, als er bei einem seiner letzten Fernsehauftritte versprach, alle Arbeitnehmer im Rentenalter zu kündigen und junge einzustellen. In Zeiten der Wirtschaftskrise halten sich ältere Menschen mit Zusatzjobs über Wasser.

Swoboda verliert die Hälfte der Mandate

Enttäuscht vom Wahlergebnis dürften auch die Nationalisten aus der Partei Swoboda (Freiheit) sein. Nach Wählerumfragen bekamen sie knapp über fünf Prozent. Es ist halb so viel wie vor zwei Jahren. Beobachter schließen nicht aus, dass es am Ende doch nicht reicht.

Sollte Swoboda über Parteilisten den Wiedereinzug ins Parlament nicht schaffen, wäre sie nur über ein paar Direktkandidaten vertreten. Damit scheint der Höhenflug der Rechtspopulisten, die vor allem in der Westukraine ihre Hochburgen haben, zunächst gestoppt. Es ist fraglich, ob Swoboda nach diesem Wahlergebnis noch ihre Minister in der Regierung behalten kann.

Der Rechte Sektor bleibt draußen

Ganz draußen bleibt schließlich die rechtsextreme Partei Rechter Sektor. Sie bekam wohl unter zwei Prozent. Die Partei, die ihre Ideologie als "ukrainischen Nationalismus" beschreibt, wurde erst im Frühjahr aus diversen Splittergruppen gegründet. Unter ihren Mitgliedern waren auch gewaltbereite junge Männer, die während der Proteste im vergangenen Winter Straßenschlachten mit der Polizei führten. Das Scheitern des Rechten Sektors ist nicht überraschend, denn die Partei machte kaum Wahlkampf. Die meisten ihrer Mitglieder kämpfen als Freiwillige mit prorussischen Separatisten in der Ostukraine.

Beobachter in Kiew sehen allerding nicht darin den Grund für die Niederlage. Sowohl rechtspopulistische Kräfte wie die Radikale Partei und Swoboda, als auch Rechtsradikale aus dem Rechten Sektor seien für die meisten Ukrainer offenbar nicht wählbar, so die Beobachter in Kiew.