Berlin oder Hamburg?
15. März 2015London als Vorbild. 2012 bekam die triste Gegend im Londoner Osten eine Runderneuerung verpasst. Die Hamburger orientieren sich bei der Planung für 2024 oder 2028 an den Ausrichtern von 2012: Statt das Rennen um größere und teurere Olympische Spiele fortzusetzen, setzten die Briten auf jene Nachhaltigkeit, die die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) seit Langem einfordern. Und auch dessen Präsident, Thomas Bach, kündigte in seinem Reformpapier "Agenda 2020" Ende vergangenen Jahres ein Ende des Gigantismus an. Nicht zuletzt, weil es immer schwerer geworden ist, Ausrichter für das Mega-Event zu finden. Sportanlagen, Straßen und Gebäude, die nach dem Ereignis nie wieder genutzt werden und verrotten, soll es bei solch sportlichen Großereignissen nicht mehr geben.
Vorentscheidung am Montag
Die Entscheidung zur Kandidatur zwischen Berlin und Hamburg trifft der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) am Montag (16.3.2016). Die Kandidatur für 2024 könnte ein Probelauf sein, gegen starke Kandidaten wie Boston und Rom, um dann möglicherweise im zweiten Anlauf für 2028 den Zuschlag zu erhalten.
Zu den zehn Kriterien, die den Ausschlag für eine Bewerbung geben, zählen neben den Sportstätten und Finanzen auch Aspekte wie Umwelt und Nachhaltigkeit. Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth ist in diesem Punkt überzeugt, dass Deutschland diesbezüglich mithalten kann: "Wenn wir wirklich ins Rennen gehen, dann wird Nachhaltigkeit nicht etwas sein, das an Olympische Spiele nur angeklebt ist. Vielmehr wird Nachhaltigkeit der Kern unserer Bewerbung sein müssen", sagte Flasbarth dem Hamburger Abendblatt. Das Sportereignis könne wie ein starker Impuls für den ohnehin notwendigen Stadtumbau wirken.
Olympische Spiele verändern Austragungsort
Hamburg baut auf das Prädikat "Umwelthauptstadt Europas", das dem deutschen Stadtstaat 2011 von der EU-Kommission verliehen wurde. Damit wurden die Bestrebungen in den Kategorien wie Klimaschutz, Wärmesanierung, Mobilität, Luftqualität und Wasserverbrauch gewürdigt und die Ziele, den CO2-Ausstoß massiv zu reduzieren und die Fahrradnutzung zu forcieren, anerkannt.
Als Ausrichter der Olympischen Spiele und der Paralympics will die Stadt sich an Kriterien der Umweltverträglichkeit und der Nachhaltigkeit orientieren. Sporträume und Sportparks sollen nach den Großereignissen von Familien, Schulen und Vereinen für Gesundheit, Fitness Integration und Inklusion genutzt werden. Die Anlagen sollen der Senatsverwaltung zufolge flächensparend und energieeffizient in Niedrigenergie- oder Passivhausbauweise errichtet werden, und den Bedarf an Wohnungen decken, denn Prognosen gehen bis 2030 von einem Bevölkerungszuwachs von knapp 100.000 auf 1,85 Millionen Einwohner aus.
Obwohl Wasser reichlich vorhanden ist, soll damit so sparsam wie möglich umgegangen werden. Ob sich die Großsponsoren des IOC allerdings der hanseatischen Idee anschließen und ihre Fast Food-Produkte ausschließlich in Mehrwegverpackungen anbieten werden, darf angezweifelt werden. Fraglich ist auch, ob beim Catering das Angebot an gentechnisch unveränderten Lebensmitteln aus der Region den Bedarf von 17.500 Athleten und Offiziellen, dazu 16.000 erwarteten Medienvertretern und außerdem zigtausenden Touristen decken kann.
Spiele der kurzen Wege
An den Wettkampfstätten werden die Athleten den frischen Wind spüren können, der vom Wasser herüber weht. Denn der zentrumsnahe ehemalige Hamburger Hafen, "Kleine Grasbrook" genannt, soll das Herz der Spiele werden. Alle olympischen Stätten sollen in einem Radius von zehn Kilometern errichtet werden. Damit wollen die Planer einer Zersiedelung entgegen wirken.
Was Kritiker bemängeln: Der Senat hat keine Pläne über anfallende Kosten vorgelegt. Zwischen drei und sechs Milliarden Euro schätzen Olympia-Gegner von "(N)Olympia", weshalb sie gegen das Vorhaben sind. Manfred Braasch, Hamburger Landesgeschäftsführer des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz) hat eine Reihe von Fragen wie: Wer übernimmt die Umsiedlungskosten für die Unternehmen, die noch auf dem Gebiet Kleine Grasbrook angesiedelt sind? Und bezüglich der Kreuzfahrtschiffe, die die Besucher mangels Hotelbetten beherbergen sollen, will Braasch geklärt wissen, "ob dann ständig Aggregate laufen und die Luft verpesten. Eine detaillierte und kostenscharfe Planung muss auf den Tisch", fordert Braasch, der den Prozess kritisch begleitet und zugibt, dass aus Nachhaltigkeitsgründen einiges für Berlin spreche. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg war zu keiner Stellungnahme bereit.
Berliner Pläne weniger konkret
Und auch der Berliner Senat zeigt sich direkt vor der Entscheidung nicht auskunftsbereit: Immerhin sind die Verantwortlichen, was die Kostenbezifferung angeht, weiter als ihre norddeutschen Mitbewerber: Hier werden für die Durchführung der Spiele vom Senat mit 2,5 Milliarden Euro veranschlagt. Zum Vergleich: Umgerechnet 32 Milliarden Euro pulverte Russlands Präsident Wladimir Putin in sein Prestigeprojekt von Winterspielen in und um Sotschi.
Wer soll das bezahlen?
In Berlin sind 15 von insgesamt 30 geplanten olympischen Sportstätten wie Olympiastadion, Max-Schmeling-, Schwimm- und Sprunghalle, das Velodrom bereits vorhanden.
Die Hauptstadt kann auch ausreichend Hotelbetten nachweisen. Und wenn der Großflughafen BER eröffnet und Tegel geschlossen wird, soll auf dem Areal das Olympische Dorf entstehen - mit 5000 Wohnungen, Sporthallen, Klinik und religiöser Begegnungsstätte, die danach der wachsenden Zahl an Einwohnern zur Verfügung stehen.
Doch viele beschäftigt eine andere Frage: "Trauen die Bürger dem Senat überhaupt zu, ein solches Projekt voranzutreiben und was kostet das ganze?", sagt Tilmann Heuser, Berlins BUND-Geschäftsführer. In Berlin werde eher über Risiken und Nebenwirkungen diskutiert als in Hamburg, so Heuser. "Berlin ist arm, aber sexy", so warb der frühere Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. Was die DOSB-Sportfunktionäre wohl eher überzeugt?