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Politik

Ungebremster Terror in Sahelregion

27. Dezember 2019

Die Lage in der afrikanischen Sahelregion spitzt sich zu: Islamistische Terrorgruppen "agieren uneingeschränkt" in den dünn besiedelten Gebieten, töten Soldaten und Zivilisten. UN-Missionen vor Ort scheinen wirkungslos.

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Niger Agadez Wrack eines Selbstmordattentats
Liegen gebliebene Wrackteile zeugen von einem Selbstmordanschlag in Niger (Archivbild) Bild: AFP/B. Hama

Im Kampf gegen islamistische Terroristen in der afrikanischen Sahelregion zieht das deutsche Bundesverteidigungsministerium eine düstere Zwischenbilanz. "Die regional agierenden dschihadistischen Gruppierungen genießen weitgehende Bewegungsfreiheit und können deshalb, auch unter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung, uneingeschränkt agieren", teilte das Verteidigungsministerium auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion mit. "Weite, teilweise dünn besiedelte Räume mit geringer oder fehlender Staatlichkeit begünstigen kriminelle und terroristische Netzwerke", heißt es in dem als Verschlusssache eingestuften Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Burkina Faso Anschlag ARCHIV
Einsatz von Sicherheitskräften in Burkina Faso (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/A. Yempapou

Zur Sahelzone, die sich südlich der Sahara vom Atlantik bis zum Roten Meer erstreckt, gehören unter anderem die Länder Senegal, Mauretanien, Burkina Faso und Mali. Alleine in den vergangenen Tagen wurden bei einem Terrorangriff in Burkina Faso mehr als 100 Menschen getötet, darunter auch etliche Zivilisten. In Niger kamen während der Weihnachtstage 14 Sicherheitskräfte bei einer Attacke ums Leben. Anfang Dezember hatten hunderte dschihadistische Kämpfer einen Armee-Stützpunkt in dem Land angegriffen und 71 Soldaten getötet. Nach Angaben der Vereinten Nationen befinden sich alleine in Burkina Faso rund eine halbe Million Menschen auf der Flucht.

Verantwortlich für die Verschlechterung der Sicherheitslage seien im Wesentlichen die mit Al-Kaida verbündete Organisation JNIM und die Terrorgruppe "Islamischer Staat Große Sahara" (ISGS), ein Ableger der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Die Terrorgruppen profitierten dabei von regionalen ethnischen Spannungen, die sie für ihre Zwecke instrumentalisierten. Malische Sicherheitskräfte stießen trotz internationaler Unterstützung regelmäßig an ihre Grenzen, schreibt das Ministerium weiter.

Deutschland lehnt Spezialkräfteeinsatz in Mali ab 

Trotz der Lage hat Deutschland Bitten Frankreichs um Beteiligung an einem Einsatz europäischer Spezialeinheiten für den Kampf gegen Islamisten in Mali bereits zwei Mal abgelehnt, wie aus der Antwort deutlich wird. Frankreich habe in Deutschland und bei anderen europäischen Staaten wegen Unterstützung für den Aufbau einer internationalen Spezialkräfteeinheit ("Combined Joint Special
Operations Task Force") angefragt, teilte das Ministerium mit.

Mali Französische Soldaten mit Eurocopter Tiger bei der Operation Barkhane in Gao
Französische Soldaten in Mali (Archivbild) Bild: Reuters/B. Tessier

Frankreich kämpft in Mali und weiteren Ländern der Sahelzone mit der Truppe "Barkhane" gegen islamistische Terroristen. Ihr gehören etwa 4500 Soldaten an. In Mali sind auch bis zu 1100 Bundeswehr-Soldaten beteiligt. Die Bundeswehr-Soldaten sind Teil der bislang weitgehend wirkungslosen UN-Mission zur Stabilisierung des Landes "MINUSMA" sowie der EU-Ausbildungsmission "EUTM Mali". Der UN-Einsatz in Mali gehört zu den gefährlichsten weltweit. Etwa 180 Blauhelme wurden seit Beginn der Mission vor rund sechs Jahren getötet, zahlreiche Einsatzkräfte schwer verletzt.

Auch die gemeinsame Anti-Terror-Einsatztruppe von fünf Sahel-Staaten, der sogenannten G-5-Sahel-Gruppe, sei nur "eingeschränkt zu Operationen befähigt", heißt es weiter. Zu der G-5-Gruppe gehören Mali, Mauretanien, Niger, der Tschad und Burkina Faso. Sie wurde im vergangenen Jahr mit etwa 5000 Soldaten aus diesen Ländern zusammengestellt, um den Terrorismus zu bekämpfen. Doch bislang hapert es aus Sicht von Experten noch an der fehlenden Abstimmung zwischen den Staaten. 

"Keine Pläne" 

Mitte Dezember hatten die Sahel-Staaten von den Vereinten Nationen ein stärkeres Mandat für die "MINUSMA"-Mission in Mali gefordert. Sie ist seit 2013 in dem westafrikanischen Land aktiv. Man bitte den UN-Sicherheitsrat, das Mandat der Mission zu stärken, forderte der Gipfel der G5-Länder in Nigers Hauptstadt Niamey. Vorher waren bei einem Angriff auf ein Militärcamp in Inates in Niger mehr als 70 Menschen getötet worden. Ein Ableger der Terrormiliz IS beanspruchte die Tat für sich.

Mali Besuch der Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer
"Folgenlose Ankündigungspolitik": Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zu Besuch in MaliBild: picture-alliance/dpa/A. I. Bänsch

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann forderte die Bundesregierung auf, eine ressortübergreifende Strategie für die Sahelzone zu entwickeln. Es sei höchste Zeit für vernetztes Handeln. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) habe während ihres Truppenbesuches in Niger und Mali im Oktober eine grundlegende Überarbeitung der Missionen "MINUSMA" und "EUTM" sowie des deutschen Engagements in Aussicht gestellt. "Annegret Kramp-Karrenbauers Ankündigungspolitik ist medienwirksam aber folgenlos", so Strack-Zimmermann. "Es zeigt sich, dass die Bundesregierung keine Pläne hat, ihr Engagement in der Sahelzone strategisch zu fokussieren und die Arbeit des Auswärtiges Amtes, des Verteidigungsministeriums und des Entwicklungsministeriums abzustimmen und zu koordinieren."

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft