Urteil gegen Yingluck steht fest
19. Mai 2015Noch vor wenigen Jahren hatte die Shinawatra Familie in Thailand Rang und Namen. Doch der Prozess gegen die frühere Premierministerin Yingluck Shinawatra, der am Dienstag (19.05.2015) vor dem Obersten Gerichtshof beginnt, ist ein weiterer Schlag gegen die Familie. Bereits im Januar hatte das von der Militärjunta beherrschte Parlament in einem Amtsenthebungsverfahren ein fünfjähriges Politikverbot gegen die 47-Jährige erlassen und die Generalstaatsanwaltschaft Anklage gegen sie wegen Korruption erhoben.
Yingluck wird vorgeworfen, bei der Überwachung eines Reis-Ankaufprogramms ihre Pflichten verletzt zu haben. Das Programm war eines der wichtigsten Wahlversprechen von ihrer Pheu Thai Partei. Im Rahmen des umstrittenen Programms kaufte die Regierung Reis von den Bauern - manchmal zu einem Satz, der doppelt so hoch lag wie der Marktpreis. Viele Säcke dieses Reises wurden jedoch nie weiterverkauft.
In der Reisexportnation führte das nicht nur zu Protesten gegen die Regierung, sondern kostete das Land auch etwa 3,4 Milliarden Euro. Das stellte die nationale Anti-Korruptionsbehörde NACC fest. Den Ermittlern zufolge nutzten Regierungsangehörige das Programm auch, um sich Stimmen im Nordosten Thailands zu kaufen. Yingluck selbst hatte stets betont, dass das Programm nur dazu diene, die Reisbauern zu unterstützen, die andernfalls den extremen Preisschwankungen ausgeliefert seien.
Wiederholt hat die ehemalige Premierministerin das Enthebungsverfahren in Frage gestellt. Sie argumentiert, dass sie zum Zeitpunkt des Politikverbots längst nicht mehr im Amt gewesen sei und dass sie bis zum Ende kämpfen werde, um ihre Unschuld zu beweisen.
Der Schatten des Thaksin Shinawatra
Sollte Yingluck im jetzt beginnenden Prozess verurteilt werden, könnten ihr bis zu zehn Jahrn Gefängnis drohen. Dass das Reis-Programm der wahre Grund für den Prozess ist, davon gehen politische Beobachter allerdings nicht aus. Für sie geht es bei dem Verfahren vielmehr um den Wunsch des royalistisch-militärischen Establishments, jeden Einfluss von Yinglucks älterem Bruder und Ex-Premier Thaksin Shinawatra auszulöschen.
Yingluck, die erste Premierministerin Thailands, und ihr im Exil lebender Bruder Thaksin, der ebenfalls durch einen Coup im Jahr 2006 aus dem Amt gedrängt wurde, haben noch immer viele Unterstützer im Land - vor allem bei der überwiegend armen Bevölkerung im Norden, im Nordosten und im zentralen Flachland.
Als Yingluck 2011 zur Ministerpräsidentin gewählt wurde, warf ihr die royalistische Opposition vor, nur eine Marionette ihres Bruders zu sein. Ihr Versuch, eine umstrittene Amnestie durchzusetzen, die ihrem Bruder womöglich die Rückkehr nach Thailand ermöglicht hätte, führte zu heftigen Protesten der Royalisten, des Militärs und der politischen Elite des Landes.
"Die Militärs und Royalisten mussten zwei Coups veranstalten, zwei Verfassungen entwerfen, zwei Parteien auflösen, hunderte Thaksin-Vertraute auf Jahre hinaus aus der Politik verbannen und die Justiz missbrauchen, um die thailändische Politik von Thaksin zu säubern", sagt der Zachary Abuza der DW. Abuza ist Experte vom Southeast Asian Analytics, einer unabhängigen Denkfabrik in den USA. "Der aktuelle Prozess muss - zusammen mit dem nicht umsetzbaren Verfassungsentwurf - als letzte verzweifelte Bemühung des Militärs und der Ultra-Monarchisten gesehen werden, ihr Ziel zu erreichen."
Ein (un-)fairer Prozess
Experten wie Phuong Nguyen vom Washingtoner Center for Strategic & International Studies (CSIS) glauben deshalb auch, dass die Chancen für einen fairen Prozess äußerst gering sind. "Die rückwirkende Amtsenthebung von Yingluck und das fünfjährige Politikverbot zeigen, dass es der Militärregierung und ihren Unterstützern darum geht, eine Rechnung mit der Shinawatra-Familie zu begleichen, und nicht darum, als unbefangen wahrgenommen zu werden."
Dafür spricht auch: Den Vorsitz über den Prozess - der vermutlich Monate dauern wird - hat ein neunköpfiges Gremium. Dessen Mitglieder wurden persönlich ausgewählt vom Obersten Gericht, das viele ebenfalls für nicht völlig unabhängig halten. "Von allen politischen Einrichtungen in Thailand ist die Justiz bei weitem die royalistischste. Das Gericht wird tun, was die Ultra-Monarchisten und das Militär befehlen", prophezeit Abuza.
Paul Chambers, Director of Research beim thailändischen Institute of Southeast Asian Affairs in Chiang Mai, weist außerdem darauf hin, dass genau dieses Gericht im Jahr 2008 Thaksin in Abwesenheit wegen Amtsmissbrauchs verurteilt hatte. Alle Richter hätten zuvor bereits Urteile gegen Thaksin gesprochen. "Auch wenn das kein Beweis für Voreingenommenheit ist, kommt es doch dem Anschein von Parteilichkeit gefährlich nah. Als Thaksins Schwester wird Yingluck es schwer haben, ein faires Verfahren zu bekommen", so Chambers im Gespräch mit der DW. Im Ergebnis könne man also eher damit rechnen, dass hier "kurzer Prozess gegen Yingluck" gemacht werde.
Angst vor Ausschreitungen
Je nachdem wie das Urteil gegen die frühere Regierungschefin ausfällt, könnte die vermeintliche Ruhe in Thailand - bislang vom Militär mit harter Hand kontrolliert - gestört werden. "Wenn das Militär sein falsches Spiel zu offen betreibt, könnte das dazu führen, dass die Unterstützer von Yingluck und Thaksin Shinawatra im ländichen Nordosten handeln", sagt Nguyen. "Allerdings ist es derzeit schwieriger abzuschätzen als noch vor einigen Jahren, wie groß die Unterstützung für Thaksin tatsächlich ist."
Eine Verurteilung würde das ohnehin schwierige Verhältnis zu den USA weiter belasten. Einige erfahrene US-Diplomaten hatten die Amtsenthebung Yinglucks bereits als politisch motiviert verurteilt.
Sollte Yingluck allerdings freikommen und in Thailand bleiben, könnte sie die pro-Thaksin-Kräfte womöglich reaktivieren und zur nächsten Wahl führen - was den thailändischen Erzroyalisten und dem Militär wahrlich missfallen würde, sagt Chambers.
Die meisten Experten gehen deshalb davon aus, dass der Prozess mit einer Bewährungsstrafe für Yingluck endet. Die würde ihre Möglichkeiten weiter beschränken, sie vielleicht zu ihrem Bruder Thaksin ins Exil schicken. Die Folgen wären politisch berechenbarer als bei einer Inhaftierung. "Was die Erzroyalisten wollen, ist dass Yingluck Thailand auf Dauer verlässt und zu ihrem Bruder ins Exil geht. Wenn sie schuldig gesprochen wird, kann das Militär außerdem den Shinawatras die Schuld geben für die schwache wirtschaftliche Lage - und so die eigene Legitimation stärken", urteilt Chambers. "Darum geht es im Grunde bei dem Prozess gegen Yingluck."