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US-Wirtschaftsinteressen in Südost-Asien

Thomas Kohlmann6. September 2016

Unter US-Präsident Barack Obama ist Asien zum neuen Schwerpunkt amerikanischer Interessen geworden. Sein Besuch in Laos signalisiert dabei die wachsende Bedeutung Südostasiens für Washington.

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US-Präsident Barack Obama mit dem laotischen Politiker Boungnang Vorachith (Foto: Reuters/J. Silva)
Bild: Reuters/J. Silva

Das gestiegene Interesse der US-Wirtschaftsstrategen an Südostasien kommt nicht von ungefähr: In den nächsten zehn Jahren wird es eine der Schlüsselregionen im Asien-Pazifik-Raum sein.

"Im kommenden Jahrzehnt wird die Asien-Pazifik Region im Schnitt um rund 4.5 Prozent pro Jahr wachsen, angetrieben durch ein rasantes Wachstum des privaten Konsums in China, Indien und Südostasien", sagt Rajiv Biswas, Asien-Pazifik-Chefökonom beim US-Analyseunternehmen IHS. Eine zentrale Stärke der Region sei ihre immer größere Bedeutung als Wirtschaftsraum, meint Biswas: "Mittlerweile trägt die asiatisch-pazifische Wirtschaft rund ein Drittel zum globalen Bruttoinlandsprodukt bei. Das sorgt auch innerhalb der Region für lebhaften Handel und Investitionen."

Neben den klassischen Schwellenländern China und Indien sind es immer mehr die großen Volkswirtschaften der südostasiatischen Wirtschaftsgemeinschaft ASEAN, die ausländische Investoren anlocken.

Die 1967 gegründete Vereinigung umfasst zehn Staaten mit etwa acht Prozent der Weltbevölkerung und einer Wirtschaftsleistung von etwa 2,5 Billionen US-Dollar. Die Unterschiede zwischen den Mitgliedern sind extrem: Das reiche, hoch entwickelte Singapur gehört ebenso dazu wie das arme Laos. Dazu kommen Schwellenländer wie Indonesien, Malaysia, die Philippinen und Thailand.

Neue Verbindungsbüros

Diese vier aufstrebenden Volkswirtschaften haben das Zeug, bis 2030 zur Gruppe der asiatischen Riesen China, Japan und Südkorea zu stoßen. Dann, so Prognosen, überspringen sie die magische Marke der Volkswirtschaften mit einem Volumen von mehr als einer Billion US-Dollar. Weltweit gehören zu diesem "Trillion-Dollar-Club" (die englische Trillion entspricht im Deutschen einer Billion) bislang nur 15 Nationen. Keine Frage, dass damit das politische und ökonomische Gewicht der ASEAN-Gruppe in der globalen Wirtschaft noch weiter steigen wird, sagt IHS-Volkswirt Biswas. Und das habe Folgen bei internationalen Verhandlungen über Handel, Investitionen und die Festlegung allgemeiner Standards.

Finanzviertel von Bangkok (Foto: imago/McPhoto)
Bangkok, einer der Standorte der neuen "ASEAN Connect Center" der US-WirtschaftBild: imago/McPhoto

Die USA haben auf die neuen Möglichkeiten in Südostasien bereits reagiert: In den Metropolen Bangkok, Jakarta und Singapur werden noch in diesem Herbst amerikanische "ASEAN Connect Centers" eröffnet, die die Zusammenarbeit zwischen ASEAN- und US-Unternehmen vereinfachen und vertiefen und Anlaufstelle für dort tätige Unternehmen aus den USA sein sollen.

Dass es dabei Überschneidungen mit der Trans-Pacific Partnership (TPP) gibt, spielt für die Entscheider in Washington keine bedeutende Rolle, meint Daniel Müller, ASEAN-Experte beim Ostasiatischen Verein in Hamburg, im Interview mit der DW. "Das übergeordnete Ziel aus US-amerikanischer Sicht ist die weitere Sicherung der eigenen Macht und Vorherrschaft angesichts der aufstrebenden Schwellenländer. In diesem Kontext ist von der US-Warte aus auch TTIP zu sehen. In wirtschaftlicher Hinsicht versucht man, privilegierte Beziehungen mit interessanten Zukunftsmärkten aufzubauen, mit denen man sich dazu noch relativ einfach einigen kann."

Dabei würden aber viel stärker als in Europa die politischen und wirtschaftlichen Interessen miteinander verzahnt: "In Washington fragt man pragmatisch, wie man seinen Einfluss effektiv sichern und ausweiten kann. Anders als die EU verfolgen die USA als globale Supermacht einen Gesamtansatz, der sowohl sicherheitspolitische als auch ökonomische Aspekte berücksichtigt", erklärt Müller.

Proteste gegen das Transpazifische Handelsabkommen TPP in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur (Foto: Getty Images/AFP/M. Vatsyayana)
Proteste gegen das Transpazifische Handelsabkommen TPP in Malaysias Hauptstadt Kuala LumpurBild: Getty Images/AFP/M. Vatsyayana

Auch die Märkte in Myanmar, Kambodscha, Laos und Vietnam sind für die USA interessant - wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung. "Bemerkenswert angesichts der enormen historischen Erblasten ist die fortschreitende Annäherung an Vietnam", meint ASEAN-Experte Müller.

Für Vietnams Wirtschaft wird ein durchschnittliches Wachstum von 6,5 im Jahr erwartet, angetrieben durch die Exportbranchen Elektronik und Textilien. Das mit der EU abgeschlossene Handelsabkommen und die Transpazifische Handelsvereinbarung TPP mit den USA sorgen künftig für erhebliche Kosteneinsparungen, weil Zoll- und Handelsschranken weitgehend wegfallen.

In Malaysia interessieren sich US-Unternehmen besonders für den IT-Dienstleistungssektor, in Indonesien schielen US-Konsumgüterhersteller auf einen Markt mit 250 Millionen potentiellen Verbrauchern. Außerdem winken riesige Aufträge in der indonesischen Infrastruktur, die dringend modernisiert werden muss.

Daniel Müller, ASEAN-Experte beim Ostasiatischen Verein in Hamburg (Foto: OAV)
ASEAN-Experte Daniel Müller: "US-Privatsektor und -Politik sind eng koordiniert"Bild: OAV

Indonesien verfügt über eine schnell wachsende Bevölkerung von derzeit 250 Millionen Menschen und eine größer werdende Mittelschicht, die sich immer mehr leisten kann, sagt IHS-Analyst Biswas. Banken, Versicherungen und der Gesundheitssektor seien genauso interessant für ausländische Unternehmen wie die Baubranche, der Handel, die zivile Luftfahrt und die Industrieproduktion.

"Insgesamt spielen der jeweilige Entwicklungsstand und auch die Renditeperspektiven eine wichtige Rolle. Ansonsten schaut man flexibel, wo sich ein Einsatz lohnt", erklärt Daniel Müller. "Das bedeutet, dass im noch unterentwickelten Myanmar mit seinem hohen Nachholbedarf an Gebrauchsgütern Firmen wie Coca-Cola, Procter & Gamble, Colgate-Palmolive, die Ball Corporation (ein für seine Verpackungen bekannter Mischkonzern, d. Red.), aber auch General Electric für den Bau von Versorgungsystemen aktiv sind."

Im weiter entwickelten und auf Elektronik spezialisierten Vietnam engagierten sich dagegen verstärkt High-Tech-Firmen wie Microsoft und Intel. "Insgesamt hat es den Eindruck, dass sich Privatsektor und Politik in den USA viel enger koordinieren, als dies etwa in Deutschland der Fall ist", so Müller.

NO FLASH McDonald’s in Peking
Teil der US-Wirtschaftsaktivitäten in Asien: McDonald's in PekingBild: AP

Folgen des Inselstreits

China ist für die meisten ASEAN-Staaten zwar der größte Handelspartner - die meisten Auslandsinvestitionen kommen aber in vielen Ländern der Region aus den USA. Und dieser Trend dürfte sich noch verstärken, weil die ASEAN-Länder unter dem Eindruck des Inselstreits im südchinesischen Meer eine zu große Abhängigkeit von China stärker denn je fürchten. In diesem Punkt zeige sich besonders das gespaltene Verhältnis zu China, meint ASEAN-Experte Müller.

"Einerseits möchte man in Eintracht mit China leben und weiter von dessen Aufstieg profitieren. Andererseits fürchtet man sich zunehmend vor Chinas hegemonialen Ambitionen. Daher sieht man in den USA eine Art Letztversicherungsinstanz, zu denen stabile und vertrauensvolle Beziehungen benötigt werden. Dass damit auch ein engerer wirtschaftlicher Austausch einhergeht, liegt auf der Hand."